Die Osterweiterung der Euopaeischen Union (OcP 22) - Universität ...

102 EZFF Occasional Papers Nr. 22
Am 29. Juni 1998 nahm der Rat daher eine „gemeinsame Maßnahme [...] zur
Schaffung eines Mechanismus zur gemeinsamen Bewertung der Übernahme,
Anwendung und effizienten Umsetzung des Besitzstandes der Europäischen
Union in den Bereichen Justiz und Inneres durch die Beitrittsländer“ an. 8 Wie
dies in dem langen Titel des Rechtsaktes bereits zum Ausdruck kommt, konzentriert
sich diese Maßnahme auf eine möglichst vollständige Evaluierung der Beitrittskandidaten
in den Bereichen Inneres und Justiz, wobei im Unterschied zu
den Stellungnahmen der Kommission eine besondere Betonung auf die „Anwendung“
und „Umsetzung“ des Besitzstandes der EU gelegt wird. Artikel 1 (2)
verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass sich ihre Behörden „uneingeschränkt“
an dem Bewertungsmechanismus beteiligen, eine Verpflichtung,
die durch Artikel 3 ausdrücklich auf alle den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer bilateralen
Arbeitserfahrungen mit den Beitrittsländern vorliegenden Informationen,
Schengen-Materialien und Berichte der Botschaften der Mitgliedstaaten
ausgedehnt wird. Artikel 3 (3) sieht zudem die Möglichkeit der Bildung von Adhoc-Gruppen
durch den Rat vor, die zum Zweck zusätzlicher Informationsermittlung
Missionen in den Beitrittsländern durchführen können sollen. Zentrales
Gremium des Bewertungsmechanismus ist eine Sachverständigengruppe (mittlerweile
im Ratsgefüge als „Collective Evaluation Group“ bekannt), die unter
Aufsicht des Ausschusses der Ständigen Vertreter gemeinsame Bewertungen der
Lage in den Beitrittsländern hinsichtlich der Übernahme, Anwendung und Umsetzung
des EU-Besitzstandes vornimmt, diese fortlaufend aktualisiert und dem
Rat hierüber Bericht erstattet.
Obwohl die „Collective Evaluation Group“ erst am 30. September 1998 zum
ersten Mal zusammentrat, hat der „Bewertungsmechanismus“ schon zu einigen
Ergebnissen geführt: Am 29. April 1999 einigten sich die Mitgliedstaaten auf
eine von der deutschen Präsidentschaft erarbeitete „strukturierte Prüfliste“
(„structured checklist“) zur Bewertung der Beitrittskandidaten in den Bereichen
Justiz und Inneres. 9 Diese enthält nicht weniger als 36 detaillierte Fragepunkte
zur Sicherheit an den Außengrenzen, 43 zum Bereich Einwanderung, 33 zum
Bereich Asyl, 32 zur Funktionsweise der Polizei, 21 zum Zollwesen und neun
(diese mit über 40 Unterpunkten) zum Bereich Justiz. Der Bereich der gesetzlichen
Übernahme des EU-Besitzstandes nimmt in der Liste nur geringen Raum
ein: Mehr als 90% der Fragepunkte betreffen die Kapazität der Beitrittsländer
zur praktischen Anwendung und Umsetzung des EU-Besitzstandes, wobei neben
wichtigen verfahrensmäßigen und organisatorischen Aspekten v.a. auch Problembereiche
wie Ausbildung, Ausstattung und Korruption berücksichtigt sind.
Die Liste dient nun als Grundlage sowohl für die von nationalen Behörden und
der Kommission zu beschaffenden Informationen als auch die Bewertungen der
8
9
Amtsblatt der EG, Nr. L 191 vom 7.7.98, S. 8-9.
Ratsdokument Nr. 5322/3/99 REV 3 (DG H).