Die Osterweiterung der Euopaeischen Union (OcP 22) - Universität ...

56 EZFF Occasional Papers Nr. 22
Die deutsche Industrie unterstützt dieses ehrgeizige Ziel, drängt aber auf weitere
Anstrengungen zur Schaffung marktwirtschaftlicher Strukturen, zur Privatisierung
und zum Auf- und Ausbau des institutionellen Rahmens in den Beitrittsländern.
Politische Überlegungen dürfen nicht den Blick auf unterschiedliche Fortschritte
bei der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien und in den Beitrittsverhandlungen
verstellen. Am Ende muss die individuelle Binnenmarktreife für jede
Beitrittsentscheidung maßgeblich sein.
6. Um einer Zersplitterung des Binnenmarkts vorzubeugen, muss die vollständige
Übernahme des EU-Rechtsbestands Ziel der Verhandlungen
sein
Nicht nur wirtschaftlich, auch rechtlich verdichten sich die Beziehungen zwischen
der Europäischen Union und den Beitrittsländern. Aus Sicht der deutschen
Industrie ist die volle Übernahme und strikte Anwendung des EU-Rechtsbestands
durch die Beitrittsländer notwendig, um Rechtssicherheit für Unternehmen zu
schaffen und einer Zersplitterung des europäischen Binnenmarkts vorzubeugen.
Auch die Kommission unterstreicht, dass die Beitrittskandidaten vor einem Beitritt
die Kernbereiche des Binnenmarkt-Rechtsbestandes übernommen und umgesetzt
haben müssen.
Es sollte grundsätzlich an dem Prinzip festgehalten werden, lange Übergangsfristen
und umfangreiche Ausnahmeregelungen nicht zuzulassen. Sollten Übergangsregelungen
notwendig sein, wie es bei der Übernahme nicht-produktbezogener
Umweltstandards oder bei der Freizügigkeit im Personenverkehr zu erwarten
ist, müssen klare und zeitlich verbindliche Verpflichtungen zur Anwendung
dieser Rechtsbereiche vereinbart werden. Die volle Freizügigkeit der Arbeitnehmer
ist auch auf die neuen Beitrittsländer anzuwenden, sobald sie den
Rechtsbestand im sozialpolitischen Bereich vollständig übernommen und tatsächlich
verwirklicht haben. Im Umweltbereich ist dafür Sorge zu tragen, dass
zum Zeitpunkt des Beitritts in jedem Fall die produktbezogenen Standards Anwendung
finden.
Die volle Übernahme und Anwendung des EU-Rechtsbestands setzt eine funktionsfähige
Verwaltung und Gerichtsbarkeit in den Beitrittsländern voraus. Erforderlich
ist der Aufbau effizienter Wettbewerbsbehörden und qualifizierter Gerichte,
die die Entstehung einer Wettbewerbskultur fördern und eine dezentrale
Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts, wie gegenwärtig von der Kommission
vorgeschlagen, sicherstellen können. Erforderlich sind weiterhin leistungsfähige
und zuverlässige Zollverwaltungen, die zukünftig Umgehungseinfuhren in die
EU wirksam verhindern.