Ausgabe 05/2011 Wirtschaftsnachrichten Donauraum
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SERVICE<br />
Mit Sinn und Verstand<br />
Im Gespräch mit den <strong>Wirtschaftsnachrichten</strong><br />
spricht die<br />
steirische Gesundheitslandesrätin<br />
Kristina Edlinger-Ploder<br />
über das Budget und was die<br />
Bevölkerung durch Einsparungen<br />
erwartet.<br />
n Die neue Gesundheitsstrategie des<br />
Landes steht unter dem Motto „Yes,<br />
we care“. Wie wollen Sie die Maßnahmen<br />
konkret umsetzen<br />
Laut der aktuellen ÖBIG-Studie im Vergleich<br />
zu 15 ausgewählten europäischen<br />
Staaten liegt Österreich am dritten Platz bei<br />
den <strong>Ausgabe</strong>n für Gesundheit im Vergleich<br />
zum BIP. Bei den Kosten im stationären Bereich<br />
führt Österreich die Tabelle mit den<br />
höchsten <strong>Ausgabe</strong>n an. Weitere signifikante<br />
Merkmale sind eine überdurchschnittliche<br />
Ärztedichte, die überdurchschnittliche Anzahl<br />
an Spitalsbetten oder medizinisch-technischen<br />
Großgeräten. Im Gegensatz dazu<br />
lassen sich in fast allen gesundheitsbezogenen<br />
Leistungsergebnissen keine vorderen<br />
Plätze für unser Land ausmachen. Daher sind<br />
wir angetreten, neue Wege zu gehen, die wir<br />
längst als richtig und notwendig erachtet haben.<br />
Der Mut zur Umsetzung hat bisher gefehlt.<br />
Mit der Notwendigkeit, durch einen<br />
Sparkurs das Land vor einem Finanzinfarkt<br />
zu bewahren, haben sich plötzlich Chancen<br />
aufgetan, eingefahrene Systeme zu verändern<br />
und verkrustete Strukturen aufzubrechen,<br />
gleichzeitig aber den Nutzen und die<br />
Effizienz für die Menschen zu verbessern.<br />
Im Bereich der Krankenanstalten setzen wir<br />
jetzt Maßnahmen, die ein vor 150 Jahren erdachtes<br />
und seither immer nur bruchstückhaft<br />
verändertes System von der Wurzel an<br />
reformiert und erneuert sowie an die Entwicklungen<br />
internationaler Standards von<br />
heute anpasst. Spezialisierung garantiert<br />
qualitativ hochwertige Versorgung und nicht<br />
eine österreichtypische Schrebergartenmentalität.<br />
„Jedem Patienten alles“ ist keine Option<br />
für die Zukunft, sondern „Jedem Patienten<br />
alles, was er braucht“. In Zukunft gilt<br />
„ambulant vor stationär“. In der Pflege wollen<br />
wir das ermöglichen, was sich die ältere<br />
Generation am meisten wünscht: Durch den<br />
Ausbau der Mobilen Dienste sollen Pflegebedürftige<br />
so lange als möglich in den eigenen<br />
vier Wänden bleiben können, erst wenn<br />
es anders nicht geht, ist das Pflegeheim die<br />
bessere Alternative. Langfristig müssen wir<br />
auch einen Trend umkehren: Derzeit geben<br />
wir nur zwei Prozent unserer Gesundheitsausgaben<br />
für Gesundheitsförderung aus –<br />
also für die Vorsorge, damit wir nicht krank<br />
werden. Das muss sich ändern. „Yes, we<br />
care“ bedeutet, wir kürzen nicht einfach linear<br />
oder „gedankenlos“. Vielmehr sorgen<br />
wir uns sehr wohl und sehr intensiv um jeden<br />
einzelnen Standort, jeden einzelnen Arbeitsplatz,<br />
aber vor allem um die wohnortnahe<br />
und qualitativ hochwertige Versorgung der<br />
Steirerinnen und Steirer.<br />
n Sie planen eine Strukturreform in den<br />
Spitälern. Welche Vorgaben bekommt<br />
die KAGes hier von Ihrem Ressort<br />
Zunächst einmal die Anpassung der Versorgungsstrukturen<br />
an die neuen Herausforderungen<br />
auf Basis der neuesten medizinischen<br />
Erkenntnisse. Die Aufgaben der KAGes-<br />
Häuser und des Klinikums werden klar verteilt<br />
und neue Strukturvoraussetzungen für<br />
die Konzentration von Spezialkompetenzen<br />
geschaffen. Es wird zu einer vertieften Kooperation<br />
zwischen stationärer und ambulanter<br />
Versorgung kommen. Versorgungslücken<br />
im niedergelassenen Bereich sollen<br />
durch Kooperationen mit dem Krankenhaus<br />
abgefangen werden. Durch Verlagerungen<br />
und Zusammenführung ganzer Abteilungen<br />
können wir Sparpotenziale heben und<br />
gleichzeitig die neuen Abteilungen auch personell<br />
besser ausstatten, was dem Personal<br />
und den PatientInnen gleichermaßen zugute -<br />
kommt. Die chirurgische Versorgung wird<br />
weiter ausdifferenziert und an allen Krankenhäusern<br />
wird eine ambulante Erstversorgungseinheit<br />
implementiert. Bei gleichzeitiger<br />
Stärkung von tages- und wochenklinischen<br />
Leistungen wird die Bettenzahl um<br />
735 Betten reduziert.<br />
n Es sollen auch zwei Kliniken geschlossen<br />
werden. Bleibt es trotz Einwänden<br />
der Belegschaft bei diesem Plan<br />
Im Sinne der Frage werden keine Kliniken<br />
geschlossen. Anders als bei „Betriebsschließungen“<br />
verliert keine Mitarbeiterin, kein<br />
Mitarbeiter den Arbeitsplatz. Sämtliche Abteilungen<br />
von Hörgas und Enzenbach werden<br />
an das LSF Graz und ans LKH West verlagert.<br />
Die hohe Kompetenz etwa der Pulmologie,<br />
der TBC-Behandlung oder das<br />
Schlaflabor bleiben am neuen Standort erhalten.<br />
In Mariazell wird die bettenführende<br />
Einheit stillgelegt, es bleibt eine ambulante<br />
Erstversorgungseinheit mit einem 7-Tageund<br />
24-Stunden-Betrieb vor Ort. Richtig ist,<br />
dass die Häuser Hörgas und Enzenbach<br />
keine KAGes-Spitäler mehr beherbergen.<br />
Aber auch da bin ich um eine Nachnutzung<br />
im Interesse der Region bemüht. Ohne etwas<br />
zu versprechen zu können, sondiere ich derzeit<br />
Möglichkeiten im Bereich Pflege oder<br />
Kinder-Rehabilitation.<br />
n Die Proteste gegen das Budget und die<br />
Einsparungen im Gesundheits- und<br />
Sozialbereich reißen nicht ab. Was sagen<br />
Sie den Protestierenden<br />
Veränderungen sind angekündigt, aber die<br />
Details noch zu wenig bekannt. Dass dies zu<br />
Verunsicherungen führt, ist verständlich. Ich<br />
vertraue darauf, dass mit zunehmender Konkretisierung<br />
und wenn sich die ersten Maßnahmen<br />
abbilden, die Sinnhaftigkeit und<br />
Zweckmäßigkeit auch für die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter erkennbar wird. Ich bin<br />
überzeugt, dass viele im Unterbewusstsein<br />
ganz genau wissen, dass Änderungen notwendig<br />
sind. Die Änderungen sichern Standorte<br />
und Arbeitsplätze, aber auch medizinische<br />
Qualität besser ab als ein Beharren auf<br />
überholten Traditionen. Ich vertraue auf gute<br />
Gespräche und einen Kurs der Kommunikation,<br />
der in den nächsten Monaten für viele<br />
Betroffene den Weg der zukünftigen beruflichen<br />
Perspektive sichtbarer machen kann.<br />
Klar ist: Wer sich jetzt noch den Reformen<br />
verschließt, verantwortet erzwungene Spitalsschließungen<br />
von morgen oder die gänzliche<br />
Unfinanzierbarkeit der Pflege. Vor allem<br />
die Gemeinden und deren Verantwortungsträger<br />
werden dies bestätigen, auch wenn sich<br />
manche aus nachvollziehbaren Gründen jetzt<br />
den Protesten ihrer Gemeindebürger oder der<br />
Bediensteten anschließen.<br />
Ü<br />
WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 5/<strong>2011</strong> Ö 7