Mikromechanische Modellierung von Formgedächtnismaterialien
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1. Einleitung<br />
Seit ihrer Entdeckung in den Fünfziger und Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />
haben Formgedächtnismaterialien auf Grund ihres besonderen Materialverhaltens kontinuierlich<br />
an Interesse für die Natur- und Ingenieurwissenschaften gewonnen. Mittlerweile ist<br />
die Erforschung verschiedener Legierungen, die zu dieser Werkstoffgruppe gehören, ein<br />
Thema, mit dem sich eine große Anzahl <strong>von</strong> Arbeitsgruppen weltweit beschäftigt. Hierbei<br />
sind die Interessensschwerpunkte weit gestreut - <strong>von</strong> der systematischen Suche nach neuen<br />
Legierungen mit Formgedächtniseffekt über die Erforschung <strong>von</strong> Vor- und Nachteilen verschiedener<br />
Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren bis hin zur konstruktiven Entwicklung<br />
neuer Anwendungen.<br />
Die wohl bedeutendsten Aspekte des Materialverhaltens <strong>von</strong> Formgedächtnislegierungen<br />
sind der Formgedächtniseffekt, in dessen Zusammenhang die so genannte Pseudoplastizität<br />
auftritt, sowie die Pseudoelastizität. Der erstgenannte Effekt zeigt sich, wenn man einen<br />
Draht oder auch ein komplizierteres Bauteil aus einer entsprechenden Legierung zunächst<br />
bleibend verformt und dann erwärmt. Beim Überschreiten einer bestimmten Temperatur, der<br />
so genannten Transformationstemperatur, springt der Draht in seine ursprüngliche Gestalt<br />
vor der Verformung zurück, „erinnert“ sich also an seine vorherige Form.<br />
Das Materialverhalten einer pseudoplastischen Legierung zeigt Abb. 1.1.Wie für Metalle<br />
üblich, verläuft die dort dargestellte Spannungs-Dehnungs-Kurve zunächst linear, geht dann<br />
aber, ab einer Dehnung <strong>von</strong> ca. 0,15%, in einen zweiten, annähernd linearen, Bereich weit<br />
geringerer Steigung über. Dieser Bereich wird auch als Spannungsplateau bezeichnet.<br />
Wird das Material nach Erreichen des Plateaus wieder vollständig entlastet, wie ebenfalls in<br />
Abb. 1.1 dargestellt, verbleibt im Material eine deutliche Restdehnung. Diese Restdehnung<br />
bildet sich bei Erwärmung des Probenkörpers im Rahmen des bereits erwähnten Formgedächtniseffektes<br />
<strong>von</strong> selbst zurück.<br />
Bei der Verformung eines Drahtes aus pseudoplastischem Material fällt auf, wie leicht sich<br />
Formgedächtnismaterialien verformen lassen. Betrachtet man entweder den gleichen Draht<br />
bei einer Temperatur leicht oberhalb der Transformationstemperatur oder einen anderen mit<br />
abweichender Zusammensetzung, bei dem die Transformationstemperatur niedriger liegt,<br />
lässt sich der Effekt der Pseudoelastizität erkennen. Der Draht lässt sich mit relativ geringer<br />
Kraft stark dehnen, kehrt aber in seine ursprüngliche Form zurück, sobald die Krafteinwirkung<br />
weg fällt. Experimentelle Untersuchungen an verschiedenen Legierungen haben<br />
reversible Dehnbarkeiten <strong>von</strong> über 15% gezeigt.<br />
Eine experimentelle Beobachtung der Pseudoelastizität ist in Abb. 1.2 dargestellt.Wie bei<br />
der Pseudoplastizität tritt zunächst auch hier ein Spannungsplateau auf. Bei der Entlastung<br />
pseudoelastischer Materialien ist allerdings ein weiteres Spannungsplateau zu beobachten,<br />
und ein entlasteter Probenköper nimmt auch ohne Erwärmung <strong>von</strong> selbst wieder seine ursprüngliche<br />
Gestalt an.