Mikromechanische Modellierung von Formgedächtnismaterialien
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78 4. Materialverhalten polykristalliner Formgedächtnismaterialien<br />
4.4. Vorhersage der Texturentwicklung<br />
Wie zuvor für monokristalline Formgedächtnismaterialien in Kap. 3.4 soll nun auch für das<br />
Polykristallmodell ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Mikrostruktur gelegt<br />
werden. Hierbei ist speziell die lastbedingte Änderung der Orientierungsdichtefunktion des<br />
Austenits sowie der martensitischen Varianten zu nennen.<br />
Die wohl bekannteste Darstellung der Orientierungsdichteverteilung sind so genannte Polfiguren.<br />
Als Beispiel zeigt Abb. 4.6 die Evolution des residualen Austenits für reine Scherung.<br />
Hierbei wurde eine Anzahl <strong>von</strong> 5000 Orientierungen angenommen. Die kleinen Diagramme<br />
zeigen Polfiguren, welche eine Projektion des (R j ) T · (0, 0, 1) T -Vektors eines jeden Kristallits<br />
auf die x-y-Ebene darstellen. Hierbei wurden die jeweiligen Punktdicken proportional<br />
zum Austenitanteil in der jeweiligen Kristallorientierung skaliert.<br />
Um die Austenittextur besser sichtbar zu machen, wurde für Abb. 4.6 keine Vortextur angenommen.<br />
Wie erwartet transformiert der Austenit im Plateau zu Martensit. Es gibt jedoch<br />
einige Kristallite, in denen die Transformation nicht oder nicht vollständig stattfindet, da<br />
aufgrund deren Orientierung für die gegebene Lastsituation der Austenit energetisch günstiger<br />
ist. Diese Kristallite sind hauptsächlich in der Nähe der x-y-Ebene und der x-z-Ebene<br />
konzentriert, die senkrecht zur Scherebene liegen.<br />
Eine ähnlicher Plot findet sich für pseudoelastische axiale Belastung in Abb. 4.7. Für die<br />
Kompression ist hierbei die Transformation weniger vollständig als für die Expansion. Dies<br />
entspricht auch der Asymmetrie des Hystereseverhaltens in der zugehörigen Last-Verschiebungskurve.<br />
Größere Konzentrationen des residualen Austenits finden sich im Bereich <strong>von</strong><br />
45 ◦ bis 60 ◦ <strong>von</strong> der Hauptlastachse. Des Weiteren sind kleinere Konzentrationsansammlungen<br />
in der x-y-Ebene sowie auf der x-Achse zu finden. Diese entsprechen Kristallen,<br />
welche nahezu vollständig in Lastrichtung ausgerichtet sind.<br />
Um die in Abb. 4.6 und 4.7 dargestellten Polfiguren in höherer Auflösung darzustellen,<br />
bietet es sich an, statt einer Projektion der Einheitskugel auf eine Koordinatenebene die<br />
Abwicklung der Kugeloberfläche zu verwenden. Dem mitgedrehten Normalenvektor (R j ) T ·<br />
(0, 0, 1) T werden dann Kugelkoordinaten nach Abb. 4.8 zugeordnet.<br />
Die Orientierungsdichteentwicklung für die zuvor bereits dargestellten Beispiele der axialen<br />
Belastung und der reinen Scherung zeigen Abb. 4.10 bis 4.12 und 4.14 bis 4.16 jeweils für<br />
den Austenit und zwei repräsentative Martensitvarianten. Die Punktdicken wurden jeweils<br />
sowohl in ihrer Dicke als auch in Ihrer Graustufe proportional zum zugehörigen Volumenanteil<br />
skaliert. Die Stellen im Spannungs-Dehnungsdiagramm, an denen die Orientierungsverteilungen<br />
jeweils ausgewertet wurden, zeigen Abb. 4.9 und 4.13. In dieser Darstellung wird<br />
deutlich, dass die Martensitvarianten ein komplexes dreidimensionales Reorientierungsverhalten<br />
aufweisen.<br />
Die Ursache für die entstehenden Reorientierungsmuster liegt darin, dass je nach Kristallorientierung<br />
die Transformationsdehnung der betrachteten kristallographischen Variante des<br />
Martensits besser oder schlechter der gegebenen Dehnung entspricht. Zur Verdeutlichung<br />
sind in Abb. 4.17 für das Beispiel der axialen Belastung η j 1xx und ηj 5xx<br />
in Abhängigkeit<br />
<strong>von</strong> den Kugelkoordinaten dargestellt, also diejenige Komponente der den Kristallorientierungen<br />
entsprechenden Transformationsdehnungen, welche entlang der Hauptdehnungs-