Wladimir Kaminer Russendisko
Wladimir Kaminer Russendisko
Wladimir Kaminer Russendisko
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Uniformen bestimmt nicht leicht. Das war fast ein<br />
Selbstmordtrip. Sie hätten damals schon das KaDeWe<br />
erstürmen sollen.« Plötzlich hustet mein Freund. Er hat schon<br />
wieder einen Leberfleck von Chruschtschow verschluckt. Dem<br />
Hollywoodschauspieler Bob Hopkins, der die Rolle von<br />
Chruschtschow spielt, fallen ständig die falschen Leberflecken<br />
ab. Er hat ein sehr bewegliches Gesicht und muss jede Stunde<br />
von mehreren Maskenbildnerinnen neu geschminkt werden.<br />
Dazu benutzen sie ein dickes amerikanisches Chruschtschow-<br />
Buch, in dem ganz genau steht, welche Leberflecke der Russe<br />
wo hatte.<br />
»Schade, dass sie den Champagner wegschütten«,<br />
In den Schützengräben von Stalingrad meint Grischa. »Aber<br />
was soll's, die Amis sind nun mal keine Champagnertrinker,<br />
die stehen mehr auf Bier.« »Die Russen trinken auch gerne<br />
Bier«, erwidere ich. »Die Russen trinken alles, sie lassen sich<br />
auch nicht lange bitten«, sagt Grischa. Ich hatte inzwischen<br />
Chruschtschows Frühstück weiter verputzt und konnte nicht<br />
mehr. »Schluss mit der falschen Bescheidenheit, wir dürfen<br />
nicht zulassen, dass deine ganzen guten Sachen<br />
weggeschmissen werden. Das sind wir unseren Vätern<br />
schuldig, die einst Stalingrad stürmten«, agitierte mich<br />
Politoffizier Grischa. »Das ist doch eine auf Verschwendung<br />
angelegte Filmproduktion, die werden neues Zeug einkaufen<br />
und wieder alles wegwerfen. Was meinst du, warum dieser<br />
Film überhaupt gedreht wird?«, versuchte ich meinen Freund<br />
aufzuklären. »Wie - warum? Aus Albernheit natürlich«, meinte<br />
er. »Aus Schadenfreude«, behauptete ich, »ein überaus<br />
typisches Verhaltensmerkmal der westlichen Zivilisation.«<br />
»Das muss ich meinen amerikanischen Kollegen erzählen.«<br />
Grischa überlegt kurz und kaut weiter. »Wie heißt eigentlich<br />
›Schadenfreude‹ auf Englisch?« »Weiß ich nicht, muss man im<br />
Wörterbuch nachsehen.« Wenig später fanden wir in der<br />
Requisite ein Deutsch-Englisches-Wörterbuch.<br />
110