Wladimir Kaminer Russendisko
Wladimir Kaminer Russendisko
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Der Columbo vom Prenzlauer Berg<br />
Um neun Uhr morgens klingelte jemand an der Tür. Ich sprang<br />
aus dem Bett, zog meine rote Lieblingsunterhose an und<br />
machte auf. Es war wieder die Polizei. Ein älterer Herr in<br />
grüner Uniform mit einer großen Pistole im Halfter und etwas<br />
schrägem Blick. Inzwischen kannte ich ihn bereits, den<br />
Columbo vom Prenzlauer Berg. »Verstehen Sie Deutsch?«,,<br />
fragte er mich wie immer. »Aber sicher, Inspektor, kommen<br />
Sie doch rein.« Ich übernahm sofort unbewusst den<br />
Mörderpart. »Ich hoffe, ich störe nicht«, murmelte Columbo,<br />
als er meine halb angezogene Familie in der Küche sitzen sah.<br />
Meine dreijährige Tochter schlug ihm sofort vor, Hühnchen<br />
und Hahn mit ihr zu spielen. »Nein, Schatz, der Onkel ist nicht<br />
zum Spielen gekommen.«<br />
Die Sache war nämlich die: Vor gut drei Monaten war nachts<br />
in unserem Hof eine Schusswaffe abgefeuert worden. Die<br />
Kugel hatte ein Loch im Fenster einer leer stehenden Wohnung<br />
im dritten Stock verursacht. Meine Frau und ich saßen zu der<br />
Zeit vor dem Fernseher und sahen uns »Missing in Action« auf<br />
Pro Sieben an. Auf dem Bildschirm verbreitete Chuck Norris,<br />
der wegen seiner in Südostasien verschollenen Familie<br />
stinksauer war, wieder einmal Tod und Schrecken unter den<br />
Vietnamesen. Unser Haus in der Schönhauser Allee ist zur<br />
Hälfte von Vietnamesen und zur Hälfte von Latinos bewohnt,<br />
die nicht müde werden, zu »Guantanamera« zu tanzen. Es ist<br />
ziemlich laut bei uns im Haus und draußen sowieso. Im<br />
Fernsehen brachte Chuck Norris gerade die Vietnamesen im<br />
Dutzend zur Strecke, die sich das jedoch nicht ohne weiteres<br />
gefallen ließen und zurück ballerten. Über uns tobten die<br />
Latinos, wieder und wieder legten sie »Guantanamera« auf.<br />
Draußen fuhren glückliche Zugführer die letzten U-Bahnen ins<br />
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