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Wladimir Kaminer Russendisko

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Langweilige Russen in Berlin<br />

Meine Kollegin, die Journalistin Helena, hat einen gefährlichen<br />

Job. Im Auftrag einer in Berlin erscheinenden russischen<br />

Zeitung schreibt sie jede Woche die Kolumne »Interessante<br />

Menschen in Berlin«. Die ganze Zeit ist Helena in der Stadt<br />

unterwegs, um die »interessanten Russen« aus den trüben<br />

Gewässern Berlins rauszufischen. Das »Interessanteste« an<br />

diesen Russen ist, dass sie sich gleich nach dem ersten<br />

Interview unsterblich in Helena verlieben und sie nicht mehr in<br />

Ruhe lassen. Die junge Journalistin interessiert sich aber<br />

eigentlich nur beruflich für die »Interessanten«, privat steht sie<br />

viel mehr auf normale ruhige Typen, die mit beiden Beinen auf<br />

dem Boden der Tatsachen stehen. »Diese interessantem haben<br />

alle eine Macke«, beschwert sie sich oft, »aber das macht sie<br />

wahrscheinlich interessant.«<br />

Neulich hatte Helena wieder einen tollen Fall, Herrn Brukow.<br />

Er unterrichtet an der Volkshochschule Friedrichshain eine<br />

Disziplin, die er selbst erfunden hat. Sein VHS-Kurs trägt den<br />

Namen »Castaneda-Weg«. Dieser Weg besteht nach Angaben<br />

des Lehrers aus drei Teilen: Der erste basiert auf den<br />

persönlichen Kampfsporterfahrungen des Herrn Brukow, die er<br />

seinerzeit bei einer Spezialeinheit des sowjetischen<br />

Innenministeriums in Magadan erwarb. Der zweite hat etwas<br />

mit Zen-Yoga zu tun, und der dritte besteht aus der<br />

Vermittlung des Lebensweges von Carlos Castaneda. Nachdem<br />

Helena sich zu einem Interview mit Herrn Brukow verabredet<br />

hatte, drehte der Lehrer voll auf. Mehrere Tage lang<br />

beschattete er ihre Wohnung im Prenzlauer Berg, angeblich,<br />

um Helena vor bösen Geistern zu schützen - tatsächlich aber<br />

wohl eher vor anderen interessanten Russen. Außerdem wollte<br />

er ihr unbedingt eine Massage verpassen, weil sie sich seiner<br />

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