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Wladimir Kaminer Russendisko

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Dinge wie: »Sie erzählen sehr interessant«, »Sie haben einen<br />

frischen Blick«, und »Wir müssen uns unbedingt näher kennen<br />

lernen«. Dabei fasste er Sascha mehrmals zwischen die Beine.<br />

Am nächsten Tag war bereits alles wieder vergessen.<br />

Wenig später kam Saschas Freundin zu ihm und platzte fast vor<br />

Lachen. Sie hatte gerade mit ihrer Freundin im Cafe Historia<br />

am Kollwitzplatz Kakao getrunken und sich dort die neu<br />

bemalte Decke angesehen. Plötzlich hatte sie mitten auf dem<br />

Gemälde ihren Sascha entdeckt. Er war als Zeus verkleidet und<br />

schaute sie mit freiem Oberkörper frech von oben an. Das<br />

Gemälde stammte vom Schwanz-Künstler, der seinen<br />

Lebensunterhalt als Kneipen-Maler verdiente. Saschas<br />

Freundin war davon überzeugt, dass der Künstler sich richtig<br />

heftig in Sascha verknallt hatte und nun durch seine<br />

schöpferische Arbeit versuchte, seine Gefühle zu sublimieren.<br />

In der darauf folgenden Woche zog Sascha durch etliche<br />

Kneipen in seiner Nachbarschaft und entdeckte immer wieder<br />

sein Porträt: In einem mexikanischen Restaurant fand er sich<br />

als freundliche Kaktee mit Sombrero und eine Flasche Tequila<br />

in der Hand abgebildet, die ägyptische Königin an der Wand<br />

einer Szenekneipe hätte seine Zwillingsschwester sein können,<br />

und in einer neu eröffneten Sushi-Bar war er ein trauriger<br />

Fisch. Die Ähnlichkeit war tatsächlich frappierend. Am Ende<br />

wurde Sascha fast paranoid. Ihm schien, als würden alle Leute<br />

auf der Straße ihn erkennen und mit dem Finger auf ihn zeigen:<br />

Kuck mal, da läuft der Fisch aus der Sushi-Bar. Selbst der<br />

mindestens zehn Jahre alte Drache an der Eingangstür des<br />

China-Restaurants gegenüber hatte auf einmal etwas<br />

Saschaartiges in seinem Gesichtsausdruck.<br />

Ein anderer an seiner Stelle hätte sich geschmeichelt gefühlt,<br />

doch meinen Freund stürzte es in eine tiefe Krise. Ich empfahl<br />

ihm, mit dem Künstler offen über sein Problem zu sprechen.<br />

Zuerst weigerte sich Sascha, doch dann überlegte er es sich<br />

anders. Nach einem zunächst von gegenseitigen Vorwürfen<br />

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