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Wladimir Kaminer Russendisko

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Meinung nach absolut falsch bewegte. Es kam aber noch<br />

besser: Brukow bestand darauf, Helena seinen letzten Roman<br />

vorzulesen, der Backsteinformat und einen langen Titel hatte:<br />

»Esoterisch-wissenschaftlicher Roman aus dem<br />

außerkörperlichen Leben«. »Sie sind sicher ein sehr, sehr<br />

interessanter Mensch, Herr Brukow«, sagte Helena zu ihm,<br />

»und ich würde mich gerne öfter über die Probleme des<br />

außerkörperlichen Lebens unterhalten. Aber wenn Sie mir noch<br />

einmal an den Bauch fassen, werde ich nie wieder was über Sie<br />

schreiben.«<br />

Ein anderer »interessanter Russe«, ein authentischer Maler aus<br />

Karaganda, folgt Helena bereits seit über einem Jahr auf Schritt<br />

und Tritt. Auch über ihn schrieb sie damals einen Artikel mit<br />

dem Titel: »Die Einsamkeit des Künstlers«. Nun hat er sogar<br />

schon ihren Briefkasten mit Blumen bemalt und an der<br />

Hauswand gegenüber in riesigen Buchstaben zweideutige<br />

Bemerkungen hinterlassen.<br />

Und dann gibt es da noch den berühmten Hundezüchter<br />

Goldmann aus Alma Ata, der sie eines Nachts in ihrem<br />

Hausflur fast zu Tode erschreckt hatte, weil er Helena mit einer<br />

neuen gerade von ihm gezüchteten Hunderasse überraschen<br />

wollte. So wie zuvor auch schon der Briefmarkensammler<br />

Minin, der in der Welt der Philatelie eine wahre Berühmtheit<br />

darstellt und ihr unbedingt seine wertvolle Lieblingsmarke mit<br />

einem Totenschädel schenken wollte. »Warum machen<br />

ausgerechnet die interessanten Menschen so viele Umstände?«,<br />

wundert sich Helena. Seit sich der scheußliche Hund<br />

unbekannter Rasse im dunklen Flur auf sie gestürzt hatte, kann<br />

sie nicht mehr ruhig schlafen. Auch der Castaneda aus<br />

Höhenschönhausen macht ihr Sorgen. Sie hat schon sechs Faxe<br />

von ihm bekommen, in denen er ankündigt, nun endgültig den<br />

Weg des Kriegers zu gehen. Helena fühlt sich von<br />

»Interessanten Russen« geradezu umzingelt. Die Journalistin<br />

überlegt sich sogar, ihre Kolumne in der Zeitung aufzugeben<br />

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