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Wladimir Kaminer Russendisko

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wieder bei der Sozialtante. Er besaß nun fast alle<br />

Voraussetzungen zur Verwirklichung seines Traums - das<br />

notwendige Wissen, den starken Willen zum Erfolg und sogar<br />

einen Euro-Führerschein. Ihm fehlte nur noch das Geld, denn<br />

ohne Geld gibt es keinen Ost-West-Außenhandel.<br />

Bald musste er wieder losziehen und Ablehnungs-Stempel von<br />

Tabakläden und Zeitungskiosken für seine<br />

Bewerbungsunterlagen sammeln. Zum Glück bekam seine<br />

Mutter dann eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt<br />

bewilligt, die sie drei Jahre zuvor beantragt hatte. Mit dieser<br />

erheblichen Summe zahlte <strong>Wladimir</strong> den Abstand für einen<br />

türkischen Imbiss, der in einer abgelegenen Straße gerade<br />

pleite gegangen war. Dort beabsichtigte er, seinen Traum von<br />

einem eigenen Restaurant zu verwirklichen. Er renovierte alles<br />

selbst und bemalte die Wände und den Kachelfußboden mit<br />

abstrakter Kunst.<br />

»Wenn ein Unternehmen die Herzen der Kundschaft erobern<br />

will, muss es auffallen und zwar in jeder Hinsicht«, erklärte er,<br />

als ich ihn kurz vor der Eröffnung in seiner Kneipe besuchte.<br />

»Wir machen eine internationale Küche: Deutsch, Chinesisch,<br />

Italienisch, Französisch...« »Und wer soll das alles kochen?«,<br />

fragte ich ihn. »Na, ich!«, sagte der gelernte Geschäftsmann<br />

2000 und sah zu Boden. »Das ist im Grunde gar nicht so<br />

kompliziert, man muss nur die richtigen Saucen kennen.« Seine<br />

Entschlossenheit überzeugte mich, dass <strong>Wladimir</strong> immer die<br />

passende Sauce finden würde. »Wir erwarten ein junges,<br />

internationales Publikum und natürlich auch Touristen, die so<br />

was nirgendwo sonst kriegen können.« In diesem Moment<br />

betrat eine etwa achtzigjährige Frau das Lokal und fragte nach<br />

dem Klo. Auch dieser Kundenwunsch begeisterte <strong>Wladimir</strong>:<br />

»Da siehst du es«, sagte er anschließend zu mir, »wir liegen<br />

strategisch äußerst günstig. Die Toiletten werde ich demnächst<br />

auch noch ausbauen.«<br />

Mein Freund glaubt fest, dass sein Unternehmen ihn<br />

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