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Wladimir Kaminer Russendisko

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Woche später bekamen wir einen Anruf von einer bereits über<br />

alles informierten jugoslawischen Hexe. Als Beweis dafür,<br />

dass Marina verhext sei, schlug sie vor, ein Küchenmesser in<br />

einen Topf mit Wasser zu legen, diesen unter ihrem Bett über<br />

Nacht stehen zu lassen und am nächsten Tag in den Topf zu<br />

schauen. Wenn sich das Wasser verflüchtigt hatte, bedeutete<br />

das, die böse Macht betrat das Schlafzimmer und trank. Das<br />

Messer muss in dem Fall aus dem Fenster geworfen werden.<br />

Trifft es mit der Spitze auf die Erde, wird Marina geheilt. Da<br />

sie im 11. Stock eines Neubaus wohnt und unten immer Kinder<br />

spielen, traute sie sich nicht, das Messer aus dem Fenster zu<br />

werfen.<br />

Für gerade mal DM 900,- bot die jugoslawische Hexe ihr<br />

stattdessen ein bis jetzt unübertroffenes Heilungsprogramm an:<br />

Marina sollte ihr eines ihrer Unterhöschen geben, mit diesem<br />

wollte sie dann nach Jugoslawien fahren und es dort in fünf<br />

verschiedenen Klöstern von fünf Priestern segnen lassen. Dann<br />

würde sie das Höschen zurückbringen, und Marina müsste es<br />

vierzehn Tage und vierzehn Nächte tragen. Daraufhin würde<br />

Marinas Mann auf dem schnellsten Wege wieder bei ihr<br />

aufkreuzen. »Aber ich will gar nicht, dass er zurückkommt«,<br />

erwiderte Marina, »außerdem ist in Jugoslawien doch Krieg!«<br />

Davon wusste die Hexe nichts. Wir gingen nach Hause, Marina<br />

war verunsichert: »Ob sie überhaupt mit meinem Höschen<br />

zurückgekommen wäre?« Ich antwortete nicht. Die heile Welt<br />

der Magie war für uns erst einmal erledigt.<br />

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