Wladimir Kaminer Russendisko
Wladimir Kaminer Russendisko
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alles erzählte uns Sascha. Seine Eltern starrten ihn ungläubig<br />
an. Ich sah aus dem Fenster. Im Hof spielte eine Katze mit<br />
einer toten Maus. Die Geschichte fing langsam an zu wirken.<br />
Sergej rief bei dem reichen Russen an und fragte ihn, ob Ilona<br />
bei ihm schon mal die Mütze abgenommen hätte. »Nein, nie.«<br />
»Auch nicht beim Schlafen?« »Auch nicht beim Schlafen.« Ob<br />
ihm das nicht seltsam vorkomme? »Nicht sehr.« »Ich bin auf<br />
Ilona überhaupt nicht böse«, sagte Sergej am Telefon. »Wenn<br />
sie sich meldet, sagen Sie ihr bitte, sie soll kurz vorbeikommen<br />
und mir ihren Kopf zeigen. Sonst komme ich zu ihr und schaue<br />
mir die Mäuse selbst an. Ein spezielles Werkzeug habe ich<br />
nicht, aber ein Beil tut es ja auch«, sagte er und legte auf.<br />
Wir warteten den ganzen Tag, aber Ilona kam nicht.<br />
Schließlich kreuzte sie bei ihrem Arbeitgeber auf. Mit uns<br />
wollte sie jedoch nicht reden und wurde auf einmal sehr<br />
aggressiv. Als Sergej drohte, ihr die Mütze vom Kopf zu<br />
reißen, erzählte sie uns endlich die Wahrheit: Nachdem im<br />
Saarland ihr Asylantrag abgelehnt worden war, hatte ihr ein<br />
medizinisches Institut einen Deal vorgeschlagen. Sie sollte<br />
ihren Körper für irgendwelche ungefährlichen Experimente zur<br />
Verfügung stellen, und das Institut wollte sich im Gegenzug<br />
darum bemühen, dass Ilona eine Aufenthaltserlaubnis bekäme.<br />
Zunächst willigte sie ein. Und man implantierte ihr<br />
irgendwelche Mess- und Speicherdinger in den Kopf, dazu<br />
bekam sie Medikamente. Nach einer Weile bekam sie Angst<br />
und floh aus der Klinik. Die Männer in der Wohnung waren<br />
laut Ilona die saarländischen Ärzte, die ihre kostbaren Geräte<br />
zurück haben wollten. Ihre verdammte Mütze nahm sie troz<br />
allem nicht ab, doch mittlerweile bestand auch keiner von uns<br />
mehr darauf.<br />
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