BK-Heft 2/2012 - Baukammer Berlin
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Bau 2-12 Umbruch 3 20.06.<strong>2012</strong> 14:44 Uhr Seite 12<br />
Baugeschehen / Stadtentwicklung<br />
Braucht <strong>Berlin</strong><br />
eine “Zentrale<br />
Stadtbibliothek”<br />
wie Baden-WürttembergsHauptstadt<br />
Stuttgart?<br />
Mit Neidgefühlen<br />
blickt man auf die<br />
Schwabenmetropole,<br />
die sich<br />
einen schmucke<br />
Bibliotheksbau<br />
auf den Gleisfeldern von Stuttgart21<br />
geleistet hat, während sich <strong>Berlin</strong> mit seit<br />
hundert Jahren beklagten Zuständen auf<br />
diesem Sektor behelfen muß. Zur Debatte<br />
steht ein Zukunftsprojekt, das anders<br />
als Staats- und Universitätsbibliotheken<br />
der “breiten Bevölkerung” zugute kommen<br />
soll, ein Geschenk an die Bürger, ein<br />
“Forum der Stadtgesellschaft und Ort<br />
der Kreativität”, wie Volker Heller von der<br />
Senatskanzlei hervorhebt. Die Buchbestände<br />
sind bisher aufgeteilt auf die<br />
räumlich weit auseinander liegende<br />
Amerika Gedenkbibliothek und die<br />
Stadtbibliothek hinter dem Staatsratsgebäude.<br />
Das will der Senat mit einem<br />
Federstrich ändern und eine “Zentralbibliothek”<br />
schaffen, wie sie erstmals<br />
schon 1914, dann erneut 1926 und 1936<br />
geplant, aber nie realisiert worden ist.<br />
Doch Bürger und Architekten murren.<br />
Denn das 270-Millionen-Euro-Projekt<br />
soll auf die Tempelhofer Freiheit, das<br />
ANZEIGENSCHLUSS<br />
FÜR HEFT 3/<strong>2012</strong><br />
IST AM<br />
31. AUGUST <strong>2012</strong><br />
CB-VERLAG CARL BOLDT<br />
POSTFACH 45 02 07<br />
12172 BERLIN<br />
TELEFON (030) 833 70 87<br />
E-MAIL:<br />
CB-VERLAG@T-ON LINE.DE<br />
12 | <strong>Baukammer</strong> <strong>Berlin</strong> 2/<strong>2012</strong><br />
Kiez oder Weltstadt - <strong>Berlin</strong> am Scheideweg<br />
Zur zentralen Stadtbibliothek auf dem Tempelhofer Feld<br />
Dr. Dankwart Guratzsch<br />
Rollbahngelände des stillgelegten innerstädtischen<br />
Flughafens Tempelhof. Und<br />
die Idee ist nicht, wie es das Baugesetzbuch<br />
vorschreibt, mit den Bürgern erörtert,<br />
sondern vom Regierenden Bürgermeister<br />
Wowereit wie das berühmte<br />
Kaninchen aus dem Hut gezaubert worden,<br />
nachdem sich, wie Behördenvertreter<br />
und Bibliothekare unisono beteuern,<br />
zuvor Dutzende von Alternativstandorten<br />
als untauglich erwiesen hätten.<br />
Jetzt freilich will der Senat alles ganz<br />
schnell durchziehen: Aufnahme in den<br />
Doppelhaushalt <strong>2012</strong>/2013, Festzurren<br />
im Koalitionsvertrag SPD/CDU, Baubeginn<br />
2014, Fertigstellung spätestens<br />
2020. Nur eines hatte man vergessen:<br />
den „mündigen Bürger“ mitzunehmen.<br />
Dabei sind die Weichen offenbar schon<br />
unverrückbar gestellt. Und diese Regie<br />
ist es, die den gesamten Kiez von Pankow<br />
über Mitte bis Tempelhof alarmiert.<br />
Warum auf dem Tempelhofer Feld, wo<br />
den Bürgern ein Park versprochen wurde?<br />
Warum dann nicht gleich im 1,2 Kilometer<br />
langen Flughafengebäude, in dem<br />
der Senat bisher nur gestückelte Nutzungen<br />
vom Polizeipräsidium bis zu Messelokalitäten<br />
untergebracht hat? Warum<br />
nicht wirklich “zentral” in der Mitte <strong>Berlin</strong>s,<br />
etwa im neuen Schloß oder gegenüber<br />
dem Traditionssitz Breite Straße, wo<br />
Bagger gerade leerstehende Bürogebäude<br />
abräumen? Warum überhaupt ein<br />
solcher Bau, wo <strong>Berlin</strong> doch kein Geld<br />
hat, wo sich soviele Bezirksbibliotheken<br />
in Existenznot befinden und nur mit<br />
ehrenamtlichen Helfern am Leben gehalten<br />
werden können? Als die stolzgeschwellte<br />
Mannschaft der Behördenvertreter<br />
mit dem Projekt jetzt erstmals an<br />
die Öffentlichkeit ging, sah sie sich einem<br />
Trommelfeuer unangenehmer Fragen<br />
ausgesetzt.<br />
Inzwischen weitet sich das Thema zur<br />
Fundamentalkritik insbesondere der<br />
Hochschulprofessoren an der <strong>Berlin</strong>planung<br />
Wowereits aus. “Die Rochade der<br />
Flughäfen wird die gesamte Stadtregion<br />
beeinflussen, doch wie sehen die Antworten<br />
auf dieses Jahrhundertereignis<br />
aus? War noch für die Wahl der Koalition<br />
die Verlängerung der A 100 ausschlaggebend,<br />
wurde mittlerweile die Zentral- und<br />
Landesbibliothek zum Lieblingsprojekt<br />
auserkoren. Doch weder Ort, Gestalt<br />
noch Programm dieses wichtigen Projektes<br />
wurden öffentlich diskutiert.” Das<br />
wollen die Architekten und Planer jetzt<br />
am 14. April auf eigene Faust nachholen<br />
- mit der eigens neu begründeten Reihe<br />
“Stadtpolitik trifft Stadtforschung - Dialoge<br />
zur Stadtentwicklung an der TU <strong>Berlin</strong>”.<br />
Man kann es auch als schallende<br />
Ohrfeige für die tatenarm und visionslos<br />
vor sich hindümpelnde Senatsbaudirektion<br />
werten, vielleicht gar als Generalabrechnung<br />
mit einer kaum noch konturierten<br />
Hauptstadtidee.<br />
Bislang bot <strong>Berlin</strong> in dieser für die Stadtentwicklung<br />
zentralen Frage das typische<br />
Beispiel für eine Debattenkultur, die<br />
auf bloße Akklamation setzt. Doch der<br />
Bürger will nicht über Entscheidungen<br />
aufgeklärt werden, sondern an der Entscheidungsfindung<br />
beteiligt sein. Gerade<br />
in <strong>Berlin</strong> war man da schon einmal deutlich<br />
weiter. Mit dem “Stadtforum” des<br />
Stadtentwicklungssenators Volker Hassemer<br />
hatte man in den 1990er Jahren<br />
ein Format gefunden, das deutschlandund<br />
europaweit hätte beispielhaft sein<br />
können, wenn man sich seine weit über<br />
Ort und Stunde hinausreichende Bedeutung<br />
bewußt gemacht hätte.<br />
Als ein echtes “Ständeparlament”, in<br />
dem alle wichtigen gesellschaftlichen<br />
Gruppen von den Gewerkschaften über<br />
die Kirchen bis hin zur Wirtschaft und zu<br />
den Planungsfachleuten, an einen Tisch<br />
gebracht wurden und bei dem die Politiker<br />
ebenso Zuhörer waren wie die Bürger,<br />
hat es die Weichen für den Wiederaufstieg<br />
<strong>Berlin</strong>s aus einer zerrissenen<br />
Regionalstadt zur Metropole des wiedervereinigten<br />
Deutschland gestellt. Demgegenüber<br />
erweist sich die Praxis der<br />
herkömmlichen “Bürgerbeteiligung”<br />
nach erfolgter politischer Beschlußfassung<br />
als ein Verfahren, das im Endeffekt<br />
den “großen Wurf” verhindert und kleinkarierte<br />
Lösungen von bescheidenstem<br />
provinziellem Zuschnitt produziert.<br />
Erst jetzt wird klar, daß bei der Schließung<br />
von Tempelhof kein Konzept vorhanden<br />
war, wie mit dem viertgrößten<br />
Gebäude der Welt und der gewonnenen<br />
Freifläche mitten im Siedlungsgefüge<br />
umzugehen sei. Daß sich ein Bauwerk<br />
dieses Charakters geeignet haben wür-