BK-Heft 2/2012 - Baukammer Berlin
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Bau 2-12 Umbruch 3 20.06.<strong>2012</strong> 14:47 Uhr Seite 56<br />
Recht<br />
gen Regeln beachten, die in der Wissenschaft<br />
als theoretisch richtig anerkannt<br />
sind und feststehen, in der Praxis bei<br />
dem nach neuestem Erkenntnisstand<br />
vorgebildeten Techniker durchweg<br />
bekannt sind und sich aufgrund fortdauernder<br />
praktischer Erfahrung<br />
bewährt haben.<br />
Den bis zum 30.06.<strong>2012</strong> maßgeblichen<br />
DIN kommt nach ständiger Rechtsprechung<br />
(so bspw. BGH BauR 1998, 872f.;<br />
OLG Stuttgart, BauR 1977, 129) die<br />
widerlegbare Vermutung zu, dass sie<br />
den anerkannten Regeln der Technik<br />
entsprechen.<br />
Ob diese widerlegbare Vermutung ab<br />
dem 01.07.<strong>2012</strong> für die Eurocodes 0-5, 7<br />
und 9 gilt, bleibt abzuwarten. Dafür<br />
spricht, dass sie aus den DIN-Normen<br />
fortentwickelt wurden und auch im Übrigen<br />
bereits seit dem Januar 2011 zur<br />
Anwendung kommen. Dagegen spricht<br />
allerdings, dass die Ingenieure teilweise<br />
zwangsläufig noch über erhebliche Wissenslücken<br />
in Bezug auf die Eurocodes<br />
verfügen, sodass wohl nicht davon<br />
gesprochen werden kann, dass sich dies<br />
Eurocodes aufgrund fortdauernder praktischer<br />
Erfahrung bewährt haben. Erst<br />
mit fortdauernder Anwendung der Eurocodes<br />
als Technische Baubestimmung<br />
wird den Eurocodes eine vergleichbare<br />
widerlegbare Vermutung als allgemein<br />
anerkannte Regel der Technik zukommen<br />
können.<br />
Gleich ob DIN-Norm oder Eurocode, ein<br />
Gleichsetzen der vorgenannten Normen<br />
mit dem Begriff der allgemein anerkannten<br />
Regel der Technik verbietet sich,<br />
sodass die Einführung der Eurocodes<br />
per 01.07.<strong>2012</strong> in dieser Hinsicht für den<br />
Ingenieur keine direkten Konsequenzen<br />
nach sich ziehen wird. Gleich ob er seine<br />
Planung vor oder nach dem 01.07.<strong>2012</strong><br />
an seinen Auftraggeber übergibt, hat er<br />
sich - soweit es das Kriterium der allgemein<br />
anerkannten Regeln der Technik<br />
betrifft -, ständig fortzubilden und sich<br />
mit neuen Techniken und Verarbeitungsmethoden<br />
auseinander zu setzen. Der<br />
Ingenieur hat ständig aufs Neue zu<br />
ergründen, was (zumindest) allgemein<br />
anerkannte Regel der Technik ist.<br />
Maßgeblich ist in privatrechtlicher Hinsicht<br />
für den Ingenieur, dass diese allgemein<br />
anerkannten Regeln der Technik<br />
zum Zeitpunkt der Abnahme seiner<br />
Planung eingehalten werden. Der Ingenieur<br />
hat seine Planung entsprechend<br />
auszurichten – sofern bei Vertragsschluss<br />
der alsbaldige Regelwechsel<br />
vorhersehbar war.<br />
56 | <strong>Baukammer</strong> <strong>Berlin</strong> 2/<strong>2012</strong><br />
Diese Verpflichtung birgt für den Ingenieur<br />
regelmäßig erhebliche Probleme,<br />
die er – sofern möglich – bereits bei Vertragsschluss<br />
beachten muss.<br />
Ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses<br />
für den Ingenieur absehbar, dass sich<br />
noch innerhalb der gewöhnlichen Planungszeit<br />
eine Änderung in Bezug auf die<br />
allgemein anerkannten Regeln der Technik<br />
vollziehen wird, sollte er zwingend<br />
darauf bedacht sein, bei Vertragsschluss<br />
ein bestimmtes Planungssoll unter<br />
Berücksichtigung einer definierten Technikregel<br />
festzulegen. Wird keine solche<br />
Vorgabe getroffen, sollte der Ingenieur<br />
bei Vertragsschluss zumindest darauf<br />
bedacht sein - für den Fall der Änderung<br />
der Technikregel während der Planungszeit<br />
- eine konkrete Honorarvereinbarung<br />
für Mehraufwendungen zu treffen.<br />
Unterlässt er eine solche Vereinbarung<br />
und ändern sich während der Planungsphase<br />
– für den Ingenieur vorhersehbar –<br />
die allgemein anerkannten Regeln der<br />
Technik, trägt er das Risiko für solche<br />
Mehraufwendungen, die ausgelöst durch<br />
Planänderungen oder Neuplanungen<br />
entstehen.<br />
Findet ein Wechsel innerhalb der allgemein<br />
anerkannten Regeln der Technik<br />
für den Ingenieur völlig unvorhersehbar<br />
statt, so hat er seinen Auftraggeber<br />
unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen,<br />
über die Alternativen zu beraten und<br />
die Entscheidung des Auftraggebers<br />
i.S.d. § 642 Abs.1 BGB einzuholen. Entscheidet<br />
sich der Auftraggeber für die<br />
Anpassung der Planung auf die nunmehr<br />
aktuellen allgemein anerkannten<br />
Regeln der Technik, erwächst dem Ingenieur<br />
ein Anspruch auf Vergütung seiner<br />
zusätzlichen Aufwendungen.<br />
Entscheidet sich der Auftraggeber für die<br />
Beibehaltung des bisherigen Standards,<br />
hat der Ingenieur über die hieraus resultierenden<br />
Konsequenzen zu beraten,<br />
Bedenken anzumelden und seine Planung<br />
auf Basis des „überholten“ Standards<br />
fortzusetzen.<br />
II. Öffentlich rechtliche Ebene<br />
Damit die Planungsleistung des Ingenieurs<br />
den öffentlich - rechtlichen Anforderungen<br />
entspricht, muss sie zum Zeitpunkt<br />
der Einleitung des Baugenehmigungsverfahrens<br />
insbesondere das<br />
jeweils maßgebliche Bauordnungsrecht<br />
beachten (in <strong>Berlin</strong> die BauO Bln). Bis<br />
zum 30.06.<strong>2012</strong> hat der Ingenieur die<br />
bekannten DIN-Normen oder die als<br />
gleichwertig anerkannten Eurocodes zu<br />
berücksichtigen.<br />
Nach aktueller Rechtslage findet, wie<br />
oben bereits dargestellt, zum Stichtag<br />
01.07.<strong>2012</strong> ein Wechsel der Technischen<br />
Ausführungsbestimmungen hin zu den<br />
Eurocodes 0-5, 7 und 9 statt. Ab diesem<br />
Zeitpunkt sind diese Eurocodes, nicht<br />
aber mehr die DIN-Normen zu beachten.<br />
„Kritischer Zeitpunkt“ ist in öffentlich<br />
rechtlicher Hinsicht nicht die Abnahme<br />
i.S.d. § 641 BGB, sondern die Einleitung<br />
des Baugenehmigungsverfahrens.<br />
ird das Baugenehmigungsverfahren<br />
vor dem 01.07.<strong>2012</strong> eingeleitet,<br />
bemisst sich die Mangelfreiheit der Planung<br />
anhand der DIN-Normen bzw.<br />
der gleichwertigen Eurocodes.<br />
Erfolgt eine Einleitung ab dem<br />
01.07.<strong>2012</strong>, sind nach derzeitiger Sachund<br />
Rechtslage ausschließlich die<br />
Eurocodes maßgeblich. Ohne besondere<br />
Erklärung der Obersten Bauaufsicht<br />
<strong>Berlin</strong>s wird man nicht davon ausgehen<br />
können, dass mit Wirkung zum<br />
01.07.<strong>2012</strong> die bis zum 01.07.<strong>2012</strong> maßgeblichen<br />
DIN-Normen als gleichwertige<br />
Lösung i.S.d. § 3 Abs. 3 S. 3 BauO Bln<br />
angesehen werden können. Eine nach<br />
DIN-Normen erstellte Planung wird mithin<br />
bei Einleitung des Baugenehmigungsverfahrens<br />
ab dem 01.07.<strong>2012</strong><br />
nicht mehr genehmigungsfähig sein.<br />
Will der Ingenieur seine nach DIN-Normen<br />
erstellte Planung nach dem<br />
30.06.<strong>2012</strong> einer Genehmigung zuführen,<br />
so hat er sie unter Berücksichtigung<br />
der Eurocodes 0-5, 7 und 9 zu überarbeiten<br />
ggf. sogar neu zu erstellen.<br />
Die Frage, ob dem Ingenieur für diese<br />
Mehrleistungen ein Anspruch auf zusätzliche<br />
Vergütung zusteht, bedarf einer Einzelfallbetrachtung,<br />
wobei auf das bereits<br />
unter D.I.2. Gesagte Bezug genommen<br />
werden kann:<br />
Nur dann, wenn für den Ingenieur die<br />
Änderung der Normierung - weg von den<br />
DIN-Normen hin zu den Eurocodes -<br />
unvorhersehbar war, wird er einen<br />
Anspruch auf Ersatz der aus den zusätzlichen<br />
Leistungen oder Wiederholungsleistungen<br />
entstehenden Mehraufwendungen<br />
inne haben können. Hierbei wird<br />
stets zu berücksichtigen sein, dass die<br />
Einführung der Eurocodes 0-5, 7 und 9<br />
als Technische Baubestimmung u.a.<br />
auch in <strong>Berlin</strong> zum 01.07.<strong>2012</strong> zumindest<br />
seit dem 25.08.2010 bekannt war und<br />
überdies durch Rundschreiben VI D Nr.<br />
39/2011 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
<strong>Berlin</strong> vom 21.03.2011 die<br />
Eurocodes in Teilen ab dem ersten Quar-