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BK-Heft 2/2012 - Baukammer Berlin

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Bau 2-12 Umbruch 3 20.06.<strong>2012</strong> 14:46 Uhr Seite 50<br />

Denkmalschutz und -pflege<br />

nen Girlanden und Karyatiden. Als Kind<br />

konnte man sich den Spaß machen, mit<br />

dem Fuß gegen den Laternenmast zu<br />

treten; die Erschütterung löschte die<br />

Flamme. Es war etwas Verletzliches und<br />

Lebendiges um das Gaslicht, das dem<br />

nächtlichen Flaneur das Gefühl gab, er<br />

sei nicht allein.<br />

Das Barbarische an dem Technokratenbeschluss<br />

besteht in der Meinung, es<br />

gehe im Leben um Funktionalität allein.<br />

Im öffentlichen wie im privaten Leben<br />

geht es aber nicht darum, dass alles so<br />

perfekt und billig, so wartungsarm und<br />

schadstofffrei wie möglich funktioniert.<br />

Ein solches Leben ist kein menschliches<br />

Leben. Der Mensch selbst ist nicht per-<br />

• Herr Traichel, die <strong>Berlin</strong>er<br />

<strong>Baukammer</strong> ist gegen Pläne<br />

des Senats, die historischen<br />

Gaslaternen in der<br />

Hauptstadt abzureißen und<br />

durch Elektroleuchten zu<br />

ersetzen. Damit befindet sie<br />

sich in guter Gesellschaft<br />

mit Vereinen wie »Pro Gaslicht«<br />

und »Denk mal an<br />

<strong>Berlin</strong>«. Wird <strong>Berlin</strong> bei so<br />

viel Expertenschelte ein<br />

Licht aufgehen?<br />

Die <strong>Baukammer</strong> steht den Plänen des<br />

<strong>Berlin</strong>er Senats, die rund 44 000 Gaslaternen<br />

abzuschaffen, durchaus kritisch<br />

gegenüber. Wir halten diese Beleuchtung<br />

für einzigartig. Dass der Senat auf die Kritik<br />

nicht eingeht, mag daran liegen, dass<br />

ihm Argumente fehlen, den Abriss der<br />

Gasleuchten begründen zu können.<br />

• Weshalb sollten diese Straßenlaternen<br />

erhalten bleiben?<br />

Diese Fülle von verschiedenartigen Gasleuchten<br />

ist ein kulturelles Erbe der<br />

Stadt. Sie sind einzigartig in Deutschland<br />

und, so viel ich weiß, sogar in Europa.<br />

50 | <strong>Baukammer</strong> <strong>Berlin</strong> 2/<strong>2012</strong><br />

Gaslicht aus in <strong>Berlin</strong>?<br />

Dr. Peter Traichel<br />

fekt, nicht billig, nicht wartungsarm und<br />

auch nicht schadstofffrei – und seine<br />

Stadt muss es auch nicht sein. Die Stadt<br />

muss ihm Heimat geben, und dazu<br />

gehört, dass sie nicht tüchtiger auftritt als<br />

er selbst. Sie soll ihn nicht übertrumpfen.<br />

Und wenn der Zufall es will, dass eine<br />

untüchtige Technik von gestern noch existiert,<br />

die dem Menschen schmeichelt,<br />

anstatt ihn zu demütigen, dann muss dieser<br />

Zufall als historischer Glücksfall<br />

erhalten werden. Sollen doch die Politiker<br />

an ihrer eigenen Wartungsarmut und<br />

Schadstofffreiheit arbeiten – aber ihre<br />

Technokratenfinger von unserem guten,<br />

alten, untüchtigen <strong>Berlin</strong> lassen!<br />

Obendrein erlangten sie vor<br />

kurzem eine neue Aktualität.<br />

Bis zur Umweltkatastrophe<br />

in Fukushima ging<br />

man ja davon aus, dass<br />

Strom immer und mehr<br />

oder weniger preiswert zu<br />

haben ist. Das hat sich mit<br />

Fukushima schlagartig<br />

geändert.<br />

Jetzt gibt es eine ganz neue<br />

Sichtweise. Ich glaube<br />

nicht, dass der Senat diese<br />

Sichtweise in seine Überlegungen einbezogen<br />

hat.<br />

Vielleicht will er sie auch nicht einbeziehen.<br />

Wir wollen vorbildlich sein, gehen<br />

weg vom Atomstrom, gehen weg vom<br />

Braunkohlestrom. Damit sind wir zwingend<br />

auf alternative Energien angewiesen.<br />

Für mich ist es unbegreiflich, nun<br />

den funktionierenden, mit dem Naturprodukt<br />

Gas betriebenen Laternenbestand<br />

abzureißen.<br />

• Die Stadt verweist auf enorme Einsparungen<br />

nach Umstellung auf Elektrifizierung.<br />

Ist das kein Argument?<br />

Ich kann nicht erkennen, wie sich diese<br />

Einsparungen errechnen. Die Umrüstung<br />

von Gas auf Strom soll rund 170 Millionen<br />

Euro kosten. Es gibt Berechnungen<br />

aus Düsseldorf und Frankfurt am Main,<br />

wonach beim Abriss 11 000 Euro Kosten<br />

pro Gaslaterne entstehen. <strong>Berlin</strong> geht<br />

meines Wissens von 3 000 bis 4 000 Euro<br />

aus. Das halte ich für sehr untersetzt.<br />

Obendrein müssten 2 750 Straßen in<br />

<strong>Berlin</strong> aufgerissen und neu verkabelt<br />

werden. In die alten Kandelaber können<br />

nicht einfach neue Leitungen gelegt werden.<br />

• Sie warnen als <strong>Baukammer</strong> davor, diese<br />

Gaslaternen als weltweit einmaliges<br />

kulturelles Erbe auf Spiel zu setzen. Es<br />

soll sogar geprüft werden, ob die historischen<br />

Leuchten ins UNESCO-Weltkulturerbe<br />

aufgenommen werden.<br />

Vor etwa zweieinhalb Jahren versuchte<br />

man in Düsseldorf einen Antrag zu stellen,<br />

die dortige Gasbeleuchtung als Weltkulturerbe<br />

zu klassifizieren. Dieser<br />

Antrag ist aber wohl in der Düsseldorfer<br />

Verwaltung versandet und nie weiter<br />

behandelt worden. Wir in <strong>Berlin</strong> sind mit<br />

diesem Thema ebenso vertraut wie die<br />

Stiftung Denkmalschutz. Es wird wohl in<br />

dieser Richtung daran gearbeitet.<br />

• Das dauert aber?<br />

Dass sich da kurzfristig etwas tut,<br />

bezweifle ich. Den ersten Schritt sollten<br />

aber wir in <strong>Berlin</strong> tun. Wir reden hier<br />

immer nur von den Kosten und gehen nie<br />

auf das kulturelle Erbe ein, das die Stadt<br />

übernommen hat. Seit 1826 gibt es in<br />

<strong>Berlin</strong> Gaslaternen, und die Stadt hat<br />

auch eine Verantwortung, diesen touristischen<br />

Magneten zu bewahren. Hier ist<br />

auch das Engagement des <strong>Berlin</strong>er Landesdenkmalamtes<br />

gefragt.<br />

Quelle:<br />

Neues Deutschland vom 13. April <strong>2012</strong>,<br />

Fragen: Andreas Heinz

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