950 Jahre Kleinrinderfeld 1060 - 2010 Festschrift - Gemeinde ...
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Wie aber nun den Besuchern die bewegte Haus- und<br />
Lebensgeschichte(n) vermitteln, ohne den Raumeindruck<br />
zu stören? Auf erörternde Texttafeln wurde aus diesem<br />
Grunde verzichtet. Man griff auf das zwar nicht ganz<br />
neue, aber nach wie vor aktuelle Medium des Hörspiels<br />
zurück, produziert von der Hörfunkabteilung des Bayerischen<br />
Rundfunks (Studio Nürnberg).<br />
Zwei etwa acht Minuten dauernde, durch Bewegungsmelder<br />
ausgelöste und von DVD abgespielte „Hörstationen“<br />
wurden geschaffen: die eine in der ebenerdigen<br />
Wohnstube des Hauses und die andere in der „Guten<br />
Stube“ im ersten Obergeschoss. Das Freilandmuseum<br />
lieferte dafür die Drehbücher, die von den Mitarbeitern<br />
des Bayerischen Rundfunks nochmals bearbeitet wurden.<br />
Die erste Hörstation in der unteren Stube nimmt Bezug<br />
auf das Leben der letzten Bewohnerin Hildegard Borst in<br />
ihrer selbstgewählten Abgeschiedenheit nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg, weitgehend beschränkt auf ihren kleinen<br />
Aktionsradius der Wohnstube.<br />
Zu hören sind drei Personen: ein Erzähler, der die<br />
wichtigsten Eckdaten der Haus- und Familiengeschichte<br />
zusammenfasst. Dann Hildegard Borst selbst, die – mit<br />
zurückgenommener Stimme – ihre persönliche Sicht der<br />
Dinge zeichnet. Und schließlich ist da noch eine Nachbarin,<br />
im Vergleich zu den beiden anderen Stimmen eher<br />
„unprofessionell“, aber perfekt gesprochen von Eva<br />
Linsenbreder, der Bürgermeisterin von <strong>Kleinrinderfeld</strong>,<br />
die ihre Eindrücke vom Leben Hildegard Borsts, aber auch<br />
vom baulichen Zustand des Simonshofes widergibt – im<br />
Dialekt des südlichen Würzburger Landkreises: „Desdoo<br />
häddn Sie aa immer gsääng, wenn Sie vo mein Wohnzimmer<br />
rüber gschaud häddn – auf den Bauernhuff doo.<br />
Des woar fei anner vo dii grössern Bauernhiff. Nojo, schee<br />
war der fei nimmer: der Putz is vo die Wänd roogfalln,<br />
die Türn homm klapperd und die Fenster woarn nimmer<br />
dischd.“<br />
Dieselben Protagonisten erscheinen auch im zweiten<br />
Hörspiel in der oberen („guten“) Stube. Hier geht es in<br />
erster Linie um die Frömmigkeit im katholischen Borstschen<br />
Haushalt, die gerade in dieser Stube durch den<br />
religiösen Wandschmuck allgegenwärtig ist. So sind die<br />
Wallfahrten ins badische Walldürn, die von der Familie fast<br />
jährlich durchgeführt wurden, ein Thema der Hörstation,<br />
aber auch die Raumnutzungen im Haus: Die Gute Stube<br />
im ersten Obergeschoss war tabu, die dort aufgestellten<br />
Möbel – weitgehend die Aussteuer von Hildegard Borsts<br />
Mutter – dienten der Repräsentation und nicht Wohnzwecken.<br />
Zuletzt begannen sich sogar Dorflegenden um diese<br />
Möbel zu ranken, weil man von ihnen zwar wusste, sie<br />
aber nie zu Gesicht bekam. All das erfährt man auch im<br />
Hörspiel.<br />
Es gibt einen auffälligen Bruch innerhalb des Hauses:<br />
Während die Stuben und die meisten Kammern sowie<br />
die Küche und die Flure durch die Fülle der überlieferten<br />
Ausstattung beeindrucken, sind im Obergeschoss einige<br />
Räume fast vollkommen leer, allenfalls mit einer Truhe<br />
oder einem Schrank ausgestattet. Hier haben während<br />
des Zweiten Weltkrieges Zwangs- und Fremdarbeiter<br />
gewohnt, danach Ausgebombte und Vertriebene, die<br />
nach dem Auszug Mitte der 1<strong>950</strong>er <strong>Jahre</strong> die Möbel und<br />
sonstige Ausstattung mitgenommen haben. Selbst durch<br />
die Befragung von Zeitzeugen war nur wenig über diese<br />
Hausbewohner zu erfahren – gerade mal die Namen, bei<br />
den Zwangs- und Fremdarbeitern noch nicht einmal die<br />
Familiennamen, sondern nur die Vornamen. Es existieren<br />
auch keine Fotografien. Was von diesen Menschen auf<br />
ihrer Durchgangsstation im Simonshof blieb, sind undeutliche<br />
Konturen, Schatten.<br />
Genau diese Assoziation sollte den Besuchern nähergebracht<br />
werden. Als Mittel der Darstellung wurden dafür<br />
raumhohe Bildträger aus Acrylglas gewählt, auf die im<br />
Digitaldruck-Verfahren Graphiken aufgebracht wurden. 6<br />
Diese zeigen lebensgroße, schattenhafte Silhouetten<br />
derjenigen, die einige <strong>Jahre</strong> lang die genannten Räume<br />
im Obergeschoss genutzt hatten. Diese mit geringem<br />
Abstand zur Wand aufgestellten Schattenrisse sind „idealtypische“<br />
Skizzen der historischen Personen, die zur besseren<br />
Identifizierung mit diversen Attributen ausgestattet<br />
sind. In einem Raum ist die Vertriebenen-Familie Schmidt<br />
aus Breslau zu sehen: der Pferdehändler Bruno Schmidt,<br />
seine alte Mutter und seine Schwester. In einem zweiten