950 Jahre Kleinrinderfeld 1060 - 2010 Festschrift - Gemeinde ...
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eRlebt und eRzählt von Josef kelleR<br />
Die Dreschmaschine<br />
Der Besitzer der Dreschmaschine war mein Vater<br />
Michael Keller bis zu seinem Tod 1942. Danach besaß eine<br />
Erbengemeinschaft die Maschine. Im <strong>Jahre</strong> 1939 habe ich<br />
bei meinem Vater angefangen und bis zu meiner Einberufung<br />
zum Militär 1942 gearbeitet.<br />
Damals bestand die Dreschmaschine aus drei Elementen.<br />
Das Lokomobil. Dieses Gerät funktionierte auf Dampfbasis,<br />
d. h. es war im Grunde eine Lokomotive nur anstatt<br />
zu fahren übertrug es seine Kraft auf ein Schwungrad das<br />
über breite Lederriemen die restlichen Aggregate antrieb.<br />
Das Lokomobil wurde mit Holz und Kohle befeuert damit<br />
das Wasser im 1200 Liter fassenden Tank sich zu Dampf<br />
wandelte. Der Dampf trieb die Kolben an und Übertrug<br />
die Kraft auf das Schwungrad. Wenn wir um 7 Uhr morgens<br />
zum Dreschen anfangen wollten, musste einer von<br />
uns schon um 4 Uhr das Feuer anzünden und ordentlich<br />
Brennmaterial nachlegen damit wir genügend Dampf<br />
hatten. Ab 1943 wurde das Lokomobil durch einen Stromwagen,<br />
der viel leichter und bedeutend besser zu handeln<br />
war, ersetzt.<br />
Der zweite Teil bestand aus dem Dreschkasten in dem<br />
die Ähren ausgedroschen wurden.<br />
Danach kam die Strohpresse die das anfallende Stroh<br />
zusammentrug und mit Pressbendel zu viereckigen Ballen<br />
verschnürte.<br />
Die meiste Zeit während der Dreschperiode haben<br />
wir in Eßfeld, Giebelstadt und Ingolstadt verbracht. Der<br />
Vordrusch fand im August statt. Dies war nötig, damit<br />
die Bauern wieder ihre Scheunen mit den noch auf den<br />
Äckern befindlichen Garben füllen konnten. Um unsere<br />
Arbeit in den genannten <strong>Gemeinde</strong>n durchführen zu können,<br />
mussten alle drei Geräte dorthin gebracht werden.<br />
Jedes Teil war so schwer, dass es nur vier Pferde schafften<br />
die Maschinen zu ziehen. Besonders am Geroldshäuser<br />
Berg haben Michael Grimm (Jörgadel) und Adolf Borst<br />
(Hansabeck) ihre Tiere angespannt. Die Pferde der Gäubauern<br />
waren diese Berge nicht gewohnt und schafften<br />
es nicht. Erst am Geroldshäuser Wald spannten sie an und<br />
fuhren, auch 4-spännig bis zum Zielort. Dieser Transport<br />
dauerte jedes Mal einen guten halben Tag. Bis die Maschinen<br />
aufgestellt waren ging der Rest des Tages drauf.<br />
Neben meinem Vater, dem Chef, meinem Bruder Anton<br />
und mir hatten wir zwei festangestelle Helfer. Als erster<br />
wäre Wilhelm Borst (Meister Wilhelm) zu nennen. Als<br />
Maler arbeitete er im Sommer bei seiner Malerfirma, dann<br />
von August bis ca. Februar bei uns.<br />
Der Zweite, Simon Scheuermann (Bruder zum Wagners<br />
Fritz) war im Sommer bei der Firma Fischer beschäftigt.<br />
Beide hielten uns ca. 30 <strong>Jahre</strong> die Treue. Ihre Aufgabe<br />
bestand hauptsächlich darin die Garben auf den Dreschkasten<br />
ordnungsgemäß einzulegen, damit die Maschine<br />
nicht verstopfte. Die Aufteilung von Sommerarbeit beim<br />
Stammarbeitgeber und die Winterarbeit bei der Dreschmaschine<br />
ging reibungslos von statten. Ein Beispiel einer<br />
Symbiose zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter die heute<br />
nicht mehr denkbar ist. Da gab es keinen schriftlichen Arbeitsvertrag<br />
mit allen nur erdenklichen Klauseln. Vertrauen<br />
in das beiderseits gegebene Wort war das Maß aller<br />
Dinge und jeder hat damit gut gelebt. Wenn wir in Eßfeld<br />
droschen übernachteten wir bei Richard Raps (heute bekannt<br />
durch seine Heckenwirtschaft) in Ingolstadt beim<br />
Schäffner Franz und in Giebelstadt bei Thorwart. Die Verpflegung<br />
haben die jeweiligen Bauern übernommen.<br />
Am Sonntag trafen wir in unserem Quartier ein und am<br />
Samstagnachmittag fuhren wir mit dem Fahrrad wieder<br />
nach Hause. Nur einer kannte das Wort fahren nicht: Der<br />
Meister Wilhelm. Er hatte einen großen Fehler, er konnte<br />
nicht Radfahren. Immer und immer wieder versuchten wir<br />
ihn auf einen Drahtesel zu setzen und ihm das Fahren zu<br />
lernen. Es ging einfach nicht. Wir gaben es schließlich auf<br />
und dachten: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als<br />
dass der Wilhelm das Radfahren lernt. Während wir nach<br />
Hause radelten ging Wilhelm auf Schusters Rappen quer<br />
durch die Felder Richtung <strong>Kleinrinderfeld</strong>. Meistens haben<br />
wir ihn schon in Geroldshausen überholt. Selbst Eis und<br />
Schnee konnten ihn bei seinem Fußmarsch nicht aufhalten.<br />
Am Samstag ließ ihn mein Vater schon eine Stunde<br />
früher gehen und am Sonntag trat er um 15 Uhr seinen<br />
Rückweg ins Quartier an.