27.11.2012 Aufrufe

950 Jahre Kleinrinderfeld 1060 - 2010 Festschrift - Gemeinde ...

950 Jahre Kleinrinderfeld 1060 - 2010 Festschrift - Gemeinde ...

950 Jahre Kleinrinderfeld 1060 - 2010 Festschrift - Gemeinde ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

eRlebt und aufGeschRIeben von heInz WebeR<br />

Der Schosters Adel<br />

Der Adel war ein etwas gedrungener Mann aus dem<br />

Geschlecht der „Falderlis“. Er war Junggeselle und hatte<br />

seine Werkstatt beim Klüpfels Leonhard. Wenn man das<br />

Haus betrat ging gleich links eine Tür in die Schuhmacherei<br />

vom Adel.<br />

Es war ein kleines Zimmer, ausgestattet mit einer<br />

alten handbetriebenen großen Nahmaschine und in der<br />

Mitte des Raumes stand der niedrige Schustertisch und<br />

dahinter saß der Adel auf einem dreibeinigen Hocker.<br />

Der Adel hatte eine große Kaiser Wilhelm Schnurre auf<br />

die er sehr stolz war und täglich öfters mit beiden Händen<br />

zwirbelte. Und noch etwas hatte der Adel, was uns als Kinder<br />

immer wieder beeindruckte: Er konnte mit den Ohren<br />

wackeln. Für seinen Kopf waren sie schon etwas größer<br />

ausgefallen als normal – vielleicht war das das Geheimnis<br />

seiner Fähigkeit. Stundenlang haben wir mit den tollsten<br />

Grimassen versucht das „Ohrenwackeln“ zu lernen, doch<br />

immer vergebens, was dem Adel ein diebisches Lächeln<br />

hervorzauberte und um uns zu animieren – wieder mit<br />

den Ohren zu wackeln.<br />

Der Adel war ein lustiger, manchmal auch listiger<br />

Zeitgenosse. Besonders das weibliche Geschlecht hat<br />

es ihm angetan und manchen Scherz gemacht, den wir<br />

aber damals nicht verstanden. Ein Späßchen dem wir<br />

auch gerne zusahen war, das Wasserspritzen. Unter dem<br />

Schustertisch stand immer ein Wännchen mit Wasser, das<br />

er zum Einweichen des Leders benötigte.<br />

Wenn nun eine Frau mit Rock (damals trug man als<br />

Frau noch keine Hosen) vor dem Tischchen stand und mit<br />

dem Adel diskutierte, warum die Schuhe noch nicht fertig<br />

waren, griff er schnell und versteckt in das Wännchen und<br />

schon hatte sie eine heftige Dusche an den Beinen. Die<br />

erschreckte Reaktion erfüllte ihn mit ganz großer Freude<br />

und unschuldig, aber recht verschmitzt genoss er seinen<br />

Erfolg.<br />

Als Kinder verbrachten wir, hauptsächlich im Winter,<br />

viele Stunden beim Adel. In der Werkstatt war es immer<br />

schön und warm und manchmal schliefen wir auf dem<br />

großen Schuhhaufen ein.<br />

Die Zeiten waren während und auch kurz nach dem<br />

Krieg schlecht und es gab nur geringe Zuteilungen von<br />

Leder. Aber die Schuhe mussten ja wieder hergerichtet<br />

werden wenn sie kaputt waren. Da wurden Reste aufgenäht<br />

und was uns besonders gut gefiel: Hufeisen auf die<br />

Absätze geschlagen, außerdem an die Spitzen halbrunde<br />

Eisen genagelt. Auf die Sohlen kamen, damit sie sich nicht<br />

so schnell abliefen, sechseckige Nägel mit kurzem Stift.<br />

Das waren die besten Vorrausetzungen zum „Horren“, auf<br />

Deutsch: „schlittern auf dem Eis“.<br />

Einen besonderen Kick hatten wir auch, wenn wir in<br />

die Kirche gingen zu den Bänkchen vorne am Altar. Das<br />

waren Geräusche auf den Fließen im Kirchgang als ob<br />

eine Herde wilder Mustangs in die Kirche kämen. Allein<br />

dieser Auftritt entschädigte uns für die manchmal sehr<br />

lang dauernde Andacht.<br />

Wenn die am Anfang erwähnte Nähmaschine nicht<br />

eingesetzt werden konnte, musste der Adel mit Zwirn von<br />

Hand nähen. Dazu musste der Zwirn besonders reißfest<br />

sein. Dafür hatte der Adel immer ein Stück Pech bereit. Im<br />

Normalzustand war der ganz hart. Um es verwenden zu<br />

können nahm der Adel ein Stück in die Hand und knetete<br />

es so lange, bis es weich wurde. Dann legte er es auf seine<br />

Lederschürze und wirkte den Faden so lange in dem Pech,<br />

bis er richtig fest war. Dieses Pech und die Verwandlung<br />

vom festen in den weichen Zustand haben es meinem<br />

Cousin Manfred und mir angetan. Das merkte auch der<br />

Adel. Eines Tages gab uns der Adel ein kleines Stück Pech<br />

und sagte, das müsst ihr eurer Mutter ins Bett legen, dann<br />

schmeckt (riecht) sie gut. Manfred nahm dann das Pech<br />

und legte es seiner Mutter ins Bett.<br />

Am nächsten Tag, als sie aufstehen wollte, war das<br />

Nachthemd am Bettlaken festgeklebt. Das Nachthemd<br />

und das Bettlaken waren kaputt. Es gab großen Ärger und<br />

entsprechende handgreifliche Bestrafung.<br />

Erst als Manfred erklärte, was der Adel gesagt hatte,<br />

ging Tante Marie zum Adel und was sie ihm geflüstert<br />

hatte, war nicht von schlechten Eltern.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!