23 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTWaren umgeladen und aufgespeichert werden müssen. Indem man den Ort zumHauptstapelplatz dieser Gegend wählte, zog man eine gute Zahl Menschen an,deren kräftige Hände bei den nötigen Bauten zum Felsensprengen etc. verwendetwerden. So fanden viele Erwerb und bevölkerten die neue Stadt. DieDampfschiffahrts-Gesellschaft ließ hier ein schönes Haus an einer reizendenStelle des Ufers bauen, in welchem sie ihre Reisenden unentgeltlich beherbergt,damit sie nicht genötigt sind, sich den schlechten Wirtshäusern anzuvertrauen.Wir fanden hier freundliche Zimmer, gute Betten und ließen uns den trefflichenKaffee schmecken. Aus unserem Zimmer hatten wir die herrlichste Aussicht.Auf einer Insel der Donau, welche hier vom hohen Gebirge eingeschlossen,wieder einem kleinen See gleicht, erblickt man die türkische Festung Neu-Orsowa, deren Lage an Isola Bella im Lago Maggiore erinnert. Behaglich inmeiner gastlichen Wohnung überließ ich mich den Träumen, die in solcher <strong>von</strong>der Natur ausgezeichneten Örtlichkeit sich ungesucht einfinden. Im Angesichtder Türken denkt man gern an die Wohltaten, welche eine verständige Verwaltunghier verbreiten könnte. Die Völker sind kräftig und gut, das Land fruchtbarund durch seine Lage an der Grenze zweier Weltteile begünstigt. Es wäre nichtnötig, die Türken auszurotten oder zu verjagen, man sollte ihnen nur zu Hilfekommen durch Einführung einer geordneten zivilisierten Regierung. Wird dienächste Zukunft den Beweis höherer europäischer Gesittung liefern, indem siedie Barbarei aus diesen schönen Ländern entfernt? Wir wollen es hoffen.Der Abend war gar schön. Die Sonne ging freundlich hinter den Bergenunter und füllte das Tal mit einem blauen Duft und ich verließ mein Zimmer,um die Geschäftigkeit des Orts in Augenschein zu nehmen. Mit Interesse warich Zeuge des hier bedeutenden Fischfanges, durch welchen unzählige Störeund Hausen gewonnen werden. Man bereitet aus ihnen Kaviar, der jedoch anGüte dem russischen nicht gleichkommen soll. Zugunsten der Feinschmeckerwird man vielleicht künftig für kunstreichere Bereitung sorgen.Auch die hiesigen Goldwäschereien in der Donau lernte ich kennen. Sie sindweit einträglicher, als die auf dem oberen Teil der Donau. Man erzählte mir <strong>von</strong>einem Mann, der binnen vier Wochen für sich allein Gold, 80 Gulden Konventionsmünzean Wert, durch die Wäsche gewonnen hatte. Das Metall sollbesonders durch Flüsse herbeigeführt werden, die aus den türkischen Gebirgenkommen.KAPITEL 1. FAHRT AUF DER DONAU VON REGENSBURG NACH GIORGEWO 24Die wichtigste, belebendste Tätigkeit geht jedoch hier <strong>von</strong> der Dampfschifffahrts-Gesellschaftaus. Sie ließ damals kleine eiserne Dampfboote <strong>von</strong> 20 Pferdekraftbauen, mit denen der Engpaß Islatz und das eiserne Tor befahren werdensollten.Am andern Morgen verließen wir in zwei kleinen Schiffen Alt-Orsowa. Imersten waren wir, im zweiten der Lord Londonderry mit seinem Gefolge. Wirnannten letzteres nur das Herrenschiff aus Uri. Nach einer Stunde fuhren wirbei der türkischen Festung Neu-Orsowa vorbei. Die Österreicher bauten sie unterLeopold I. Die Türken eroberten aber später den Platz und obgleich seitdemihre Grenzen <strong>von</strong> den Karpaten bis zu dem Balkan zurückgedrängt wurden,blieb ihnen doch noch dies Eiland und bis heute haust noch ein Pascha in Neu-Orsowa, das <strong>von</strong> den Türken Ada-Kalessi, die Inselfestung genannt wird. Siehat viel Mauerwerk, sogar zwei detaschierte Forts, aber alles ist im kleinstenMaßstab gebaut. Ihre Geschütze beherrschen die Fahrt auf der Donau vollkommen.Doch sah mir das kleine schmutzige, zerfallende Nest so aus, als würdeman bei näherer Besichtigung alles andere eher finden, als Geschütze und Munitionin brauchbarem Zustand.Ada-Kalessi gegenüber liegt an dem schroff abfallenden Ufer das Fort Elisabeth,das mit seinen massiven Bastionen und seinem schön gebauten Turmeinen besseren Anblick gewährt.Näher und näher kamen wir indessen dem eisernen Tor, diesem Engpaß derDonau, über den man nur auf kleinen Kähnen setzen kann, hörten sein gewaltigesBrausen und Rauschen und sahen das Wasser auf einer langen Streckewallend aufsprudeln, als würde es durch unterirdische Feuer erhitzt. Die Donaufließt hier in einer Länge <strong>von</strong> 1500 Schritt über mehrere niedrige Felsbänke, diedas Bett quer durchsetzen. Obgleich nur bei ganz niedrigem Wasserstand dieKlippen sichtbar sind, so entsteht doch durch das starke Gefälle des Stroms, derhier acht- bis neunhundert Fuß breit ist, ein heftiger Strudel und Wirbel, an demman die Fahrzeuge nur mit der größten Umsicht vorbei steuern kann.Unsere beiden Schiffe gelangten ohne Gefahr und glücklich durch das eiserneTor, unterhalb welchem das Dampfboot Panonia, das zu unserer Weiterbeförderungbestimmt war, bei Szkella Gladowa lag.Das Wetter war heute wieder recht günstig und gewährte uns eine entzückendeAussicht auf die Karpaten, welche sich in der Ferne mit ihren beschneitenGipfeln ausbreiteten.
25 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTDa wir am andern Tag das Dampfboot verlassen wollten, um unsern Weg zuLand durch die Türkei fortzusetzen, so beschäftigten wir uns heute damit, unserGepäck zu teilen, um das Wichtigste, was wir an Wäsche und sonstigen Sachenbrauchten, mit uns zu nehmen und die schweren Koffer auf dem Dampfbootnach Konstantinopel gehen zu lassen. Wir hatten in Wien kleine lederne Koffergekauft, die dazu eingerichtet waren, um sie wie Tragkörbe rechts und links anein Pferd hängen zu können. Diese, sowie unsere leichteren Nachtsäcke, wurdenmit den nötigsten Sachen angefüllt.Früher einmal hatte die Lady Londonderry den Wunsch geäußert, die Reisedurch die Wallachei und Rumelien ebenfalls zu machen und erst unseren dringendenVorstellungen, sowie denen des Herrn Gemahls und der Schiffsoffiziere,daß dort oft nicht einmal an gute Wege für Saumtiere, geschweige an einen Wagenzu denken sei und daß die Pässe im Balkan in dieser Jahreszeit mit Schneeund Eis bedeckt und <strong>von</strong> Räubern unsicher gemacht seien, gab sie endlich nachund ihr Vorhaben auf, mit uns zu reiten. Ihr junger Landsmann dagegen schloßsich als ein sehr willkommener Reisegesellschafter uns an.Die Sonne, welche heute freundlich untergehend, auf morgen einen gutenTag versprach, hielt uns nicht Wort. Denn als ich am folgenden Morgen <strong>von</strong>meiner Bank, auf der ich die Nacht über gelegen, durchs Fenster sah, war derHimmel mit dunklen Wolken überzogen, die uns eine Stunde darauf einen anhaltendenRegen herabsandten, der bis zur Nacht fortdauerte, wo wir bei Giorgewoanlegten.Der Abend vereinigte unsere ganze Gesellschaft noch einmal in der großenKajüte, wo wir bei einem Glas Punsch die vergnügten Stunden durchgingen,welche wir in den Tagen genossen hatten, die wir zusammen auf dem Boot zugebracht.Es tat uns Leid, <strong>von</strong> so angenehmer Gesellschaft scheiden zu müssen,<strong>von</strong> so guten Menschen, die wir vielleicht nie wieder sehen werden.Kapitel 2Ritt durch die europäische TürkeiWenn man in zivilisierten Ländern über Reisebeschwerden klagt, so verstehtman darunter ein paar Nächte, die man vielleicht im bequemen, dicht verschlossenenWagen zubringen mußte, oder eine holperichte Straße, eine Station aufder man unbeschreiblich schlecht zu Mittag gespeist oder wo der knauserndeWirt so boshaft langsam serviert, daß einen das zur Abfahrt mahnende Horndes Schwagers schon aus den angenehmen Rindfleischträumen reißt und mandie Herrlichkeiten des Bratens usw. nur in Gedanken genießt. Das schlimmste,was passieren kann, ist das Umschlagen des Wagens, oder ein überfüllter Gasthof,wo nur die Barmherzigkeit des Oberkellners dem unglücklichen Ankömmlingirgendein Winkelchen zuweist. Wem schon solche Kleinigkeiten überlästigvorgekommen sind, der unterstehe sich ja nicht, zu Lande nach Konstantinopelzu gehen, oder auch nur eine kurze Strecke im Innern der Türkei zu reisen, sondernbleibe <strong>von</strong> Wien auf dem Dampfboot, wo er eine reinliche Kajüte, ziemlichgutes Essen und am Abend weiche Matratzen hat.Die türkische Posteinrichtung befindet sich noch in der unmündigsten Kindheit.Man kann zu Wagen reisen, was etwas bequemer, indeß nur im hohen Sommerüberhaupt möglich ist, wo die Heiden, über welche meistens der Weg geht,<strong>von</strong> der Sonnehitze fest getrocknet sind. Das Fuhrwerk ist ein Leiterwagen, mitMatten bedeckt und mit Stroh gefüllt, auf dem sich der Reisende ausstreckt undes dann der Vorsehung und dem in vollem Galopp dahinbrausenden Postillonüberlassen muß, ob er überhaupt und mit ganzen Gliedern nach dem Ort seinerBestimmung kommt.Die auch beim heißesten Wetter in ihre dicken Pelze gehüllten Burschen –ich spreche jetzt hauptsächlich <strong>von</strong> der Wallachei, da in Bulgarien und Rume-