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herunterladen - Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter von

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77 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTForm. Sie gleicht einem großen Kürbis, den man unten abgeschnitten und aufden Kopf gestülpt hat. Was ich eben <strong>von</strong> den jungen Türken sagte, ist auf dieArmenier nicht anwendbar. Ihr Gesicht, obgleich etwas plump und ausdruckslos,ist, wie ihr ganzer Körper, frisch und gesund. Es ist wirklich schade, daßausihnen keine Soldaten genommen werden. Ich glaube, sie müssten eine vorzüglicheInfanterie abgeben. Die meisten sind Handwerker oder Künstler, besondersSteinschneider und Goldschmiede.Die Juden, die auch hier, wie überall, zerstreut leben, haben kein eigentlichesGewerbe. Sie treiben sich zwischen der Menge herum, bald einen kleinen Handelführend, bei den Dolmetscher oder Cicerone machend. Ihre Kopfbedeckungbesteht in einer dunklen steifen Mütze, um welche ein Stück Zeug, nicht wie beiden Türken lose gewickelt, sondern festgenäht ist, genau wie man auf unserenTheatern den Turban erscheinen sieht. Ihr Kaftan hat denselben Schnitt, wie derdes Türken, besteht jedoch aus gewürfeltem Kattun.Ein Stand, der in allen orientalischen Erzählungen und Märchen eine großeRolle spielt, sind die Derwische, die türkischen Mönche, deren verschiedeneSekten sich durch die Farbe der Kleidung unterscheiden. Ihren langen Kaftansflattern ohne Gürtel frei um die Hüfte und sind bald hellbraun, bald weiß und beieinem Orden, der für den ehrwürdigsten gehalten wird und dessen Mitgliederam Grabe des Profeten in Mekka dienen, grün. Auf dem Kopf haben sie einenHut <strong>von</strong> weißem Filz, einen Fuß hoch in Form eines abgekürzten Kegels.Der Anzug des Volkes, der Wasser- und anderer Lastträger, der Taglöhnerund herumziehenden Obsthändler, lässt sich nicht wohl beschreiben. Jeder ziehtan, was ihm geschenkt wurde, oder was er wohlfeil gekauft hat. Einige tragenKaftans, die dann ungemein schmutzig sind. Die meisten kurz abgeschnittenerunde Jacken, welche bei den Wasserträgern <strong>von</strong> Leder sind. Die Beinkleider,vom Gürtel bis zum Knie sehr weit, umschließen eng die Wade bis zum Fuß.Fast alle tragen einen Turban <strong>von</strong> beliebiger Farbe, viele <strong>von</strong> grünem Zeug, wasdiese als Nachkommen des Propheten bezeichnet. Eine Ehre, die ihnen weiternichts als den Titel Emir verschafft. Emir bedeutet Herr oder Fürst und es isttraurig, daß man die meisten dieser Fürsten gerade unter den Taglöhnern undBettlern findet.Unzertrennlich <strong>von</strong> den Sitten und Gebräuchen des Orients ist für uns dieIdee, die durch alle morgenländischen Erzählungen angeregt wird, daß die Weiber,gänzlich vom öffentlichen Leben getrennt, ihre Tage in beständiger Einsam-KAPITEL 3. KONSTANTINOPEL 78keit hinter vergitterten Fenstern verbringen müssten. Ich hatte geglaubt, noch inunseren Tagen begegne man selten einer türkischen Fraue auf der Straße undknüpfte daran allerlei Poesien. Stundenlang würde ich mich der Merkwürdigkeithalber vor ein Haus gestellt haben, um endlich einmal einer dieser Perlenzu gewahren, deren Antlitz, wie der Koran sagt, unter der schwarzen Nacht denLocken hervorglänzt, wie die weißen Eier unter dem dunklen Flügel des brütendenStraußes. Doch war dies selbst dem Fremden so schwer nicht gemacht.Schon in Adrianopel sahen wir viele Weiber auf der Straße. Aber unter ihnenauch nicht ein einziges frisches Gesicht. Es begegneten uns nur alte Weiber mitunangenehmen schlaffen Zügen und ich glaubte schon, nur den Duennen undAmmen sei es allenfalls erlaubt, ihre Käfige zu verlassen. Doch verschwandauch dieser Irrtum, als wir nach Stambul kamen. Denn die Kultur”die alle Welt beleckt,“hat ihre ausgleichende Hand auch an die verschlossenen Zimmer der türkischenDamen gelegt und sie hinaus geführt auf die Straßen und Märkte. Sie mochtendieselben anfangs schüchtern genug betreten, aber nach nach behagte ihnendie neue Freiheit ungemein. Zur Zeit, wo wir in der Hauptstadt der Gläubigenwaren, konnte man auf gewißen Plätzen mehr Weiber antreffen als Männer. Besonderswar dies in den Besestanes, den bedeckten Märkten der Fall, bei denGewölben, wo fränkische Kattune und gesticktes Weißzeug zu haben sind. Dastanden sie meistens in Gruppen <strong>von</strong> fünf bis sechs, die bunten Farben einesStückes bewundernd und sich wie die Kinder darüber freuend.Von ihrem Anzug auf der Straße ist nicht viel zu sagen, da ihr ganzer Körperin ein großes Stück Zeug gewickelt ist, daß bei den Geringeren aus dunklerLeinwand, bei den Reicheren aus Seide besteht. Sie nehmen es in der Art einergroßen Mantille um die Schultern und wissen obendrein eines der Endennoch um den Kopf zu schlingen. Dieser ist ohnehin sorgfältig verhüllt, dennsie wickeln ihn in ein Stück weißen Mousselin ein, das Stirn, Mund und Ohrenverbirgt und nur Nase und Augen sehen läßt. Eine Verschleierung, die <strong>von</strong> demGesetz vorgeschrieben, bei den Türkinnen gewiß sehr beliebt ist. Denn dieserMousselin verbirgt einen Teil ihres Gesichts, den wir Franken für den <strong>von</strong> derNatur bei ihnen am meisten vernachlässigsten halten, den Mund. Höchst selten,selbst bei jungen Weibern, deren Augen mit ihrem blitzenden Brillantfeuer daskälteste Herz zu versengen drohen, sind die Lippen frisch und rot. Man kann

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