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herunterladen - Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter von

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123 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTobgleich die Kultur schon im Allgemeinen stark an den orientalischen Gebräuchenrüttelte, so hat sie doch in dem Punkt noch nicht viel verändert. Freilichsieht man jetzt viele türkische Damen auf den Straßen umherspazieren,doch, wie ich schon mehrmals bemerkte, aufs Hässlichste vermummt und unkennbargemacht. Es wäre aber auch gegen allen Anstand, ein türkisches Weibauf der Straße erkennen zu wollen und selbst der Mann würde es für unschicklichhalten, wenn er seiner eigenen Frau, die ihm begegnete, nur durch Zeichenmerken ließe, daß er sie erkenne. Es ist schon viel, daß die allgewaltige Zeit denSchleier der Damen bis unter die Nase gerückt hat, die früher ebenfalls bis andie Augen verhüllt war.So streng auf diese Art die Gestalten der Türkinnen außer dem Haus vorjedem neugierigen Blick vermummt sind, so übertrieben frei ist der Anzug imInneren des Hauses. Die Einrichtung desselben ist fast ebenso wie die beschriebenein unserem Gasthof. Längs den Fenstern, die <strong>von</strong> außen mit Latten undinnen mit Rohrstäben dicht vergittert sind, befindet sich der Divan, auf dem dieFamilie den ganzen Tag nichts tut, als ausruhen und sich langweilen. Der Mangahlmit glühenden Kohlen und das Kaffeegerät ist natürlich in der Nähe, dennso oft ein Besuch kommt oder es einem der Familienglieder einfällt, wird fürjedes eine Tasse Kaffee gemacht, was des Tages unzählige Mal geschieht. Dazwischenißt man verschiede eingemachte Früchte, <strong>von</strong> denen jeder einen Löffelvoll nimmt und darauf ein Glas Wasser trinkt. Von vieler Bewegung in diesenFamilenkreisen und einer lebhaften Unterhaltung ist natürlich nicht die Rede.Eine Phrase, die man sehr oft beim Kaffee oder dem Eingemachten hört: afiatler olsum – (Wohl bekomms’s) sagt jeder dem anderen und legt dabei die Handan Brust und Stirn. Die beiden Mahlzeiten, die der Türke täglich regelmäßig zusich nimmt, bestehen aus Hammelfleisch und Reis, welche Artikel die Grundlagebilden. Dazwischen kommen zahlreiche süße Gerichte und während derganzen Mahlzeit stehen beständig kleine Schüsseln mit kalten Speisen, als Austern,Hummern, Caviar, Käse, Oliven, türkischer Pfeffer, Salate und Früchteverschiedener Art, <strong>von</strong> welchen jeder nach Belieben nimmt, auf dem Tisch.Die männlichen Sklaven im Orient haben ein viel besseres Los, als wir esuns gewöhnlich bei dem Wort Sklave vorstellen. Es sind eigentlich Diener, derengrößtes Geschäft darin besteht, nichts zu tun. Ein gemieteter Arbeiter istweit übler daran, als es Sklave des Hauses. Denn weil letzterer Eigenentum seinesHerrn ist, so nimmt dieser sich wohl in Acht, ihn durch viele Arbeit krankKAPITEL 3. KONSTANTINOPEL 124oder unbrauchbar zu machen. Einem vornehmen Türken der Unterhalt seinerSklaven und Diener fast nichts kostet, denn <strong>von</strong> einer Belohnung an Geld istkeine Rede, so hat er gewöhnlich eine große Masse dieses Volks, die die wenigenGeschäfte so unter sich verteilen, daß auf jedem ein Unbedeutendes lastet.Ein Teil hat nichts zu tun, als Pfeifen zu stopfen und in Ordnung zu halten,andere kochen Kaffee, wieder andere sorgen für die Waffen und Kleidung desHerrn und so fort. Bei dem gewöhnlichen Türken wird der Sklave mit wenigAusnahmen fast wie ein Kind der Familie betrachtet. Er ißt an demselben Tischund bei guter Aufführung wird er später freigelassen oder heiratet nicht selteneine Tochter des Hauses.Die Nacht im Ramasan.Eine ganz umgekehrte Ordnung im türkischen Leben bringt der Ramasan, dieFastenzeit, hervor. Der Tag wird zur Nacht und die Nacht zum Tag verwandelt.Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang bleibt der Gläubige in seinem Hausund tut nicht einmal das Wenige, was er sonst zu tun pflegt. Er betet, stellt seineWaschungen an oder geht in die Moschee. Die meisten Läden sind um dieseZeit während der Tageszeit verschlossen und was am bezeichnendsten ist, alleKaffeehäuser stehen leer. Der Rechtgläubige muß fasten, d. h. er muß sich nichtnur aller Speisen und Getränke enthalten, sondern Pfeifen und Kaffee sind ihmebenso verbotene Gegenstände. Da man schon im gewöhnlichen Leben nichtsagen kann, daß auf- und abwandelnde oder gewerbetreibende Türken ein lebendiges,rühriges Bild abgeben, so muß man die einzelnen Individuen, dieman zur Ramasanzeit durch die Straßen schleichen sieht, für Geschöpfe ohneLeben halten, für Wesen, die durch Maschinenkraft hin- und hergetriebenwerden, so matt und faul wanken sie einher. Wenn sie <strong>von</strong> dem Fasten so geschwächtwären, sollte man glauben, sie müsste jeden Abend aus Ermattungzusammenfallen. Aber weit gefehlt.Wenn sich die Sonne zum Untergang neigt, scheinen sich ihre Lebensgeisteraufs Neue zu erfrischen. Man steckt die erloschenen Feuer wieder an und beginntdie Speisen zuzubereiten, die mit dem ersten Ruf des Iman, daß der Tagvorbei sei, auf dem Tisch dampfen müssen, damit weiter keine Zeit verlorengehe. Der Sklave hält seinem Herrn schon einige Augenblicke früher die an-

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