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herunterladen - Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter von

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139 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENThielten, bis ihn der Arm erreichte, der den Unglücklichen für seine Verwegenheittötet. Ehrgeiz und Wollust zogen lange glänzende Fäden an diesen Mauern,einem Spinnennetz gleich und so entstand das neue Serail, in dessen Mitte derBeherrscher der Gläubigen thront, fast unsichtbar und jedem fürchterlich, dersich der schimmernden Höhle nähern mußte.Wer nach Konstantinopel kommt, umsegelt gewiß öfters die Spitze des Serailsund wenn er sich träumend verlor in die gewaltige blutige Geschichte, diehinter diesen Mauern vor sich ging, steigt gewiß der Wunsch in ihm auf, etwasNäheres über das Innere unddie Einrichtung dieser geheimnisvollen Paläste undLusthäuser zu erfahren. Doch ist es wenig Europäern gelungen, <strong>von</strong> der Seitedes Meeres, wo sich die Frühlingsharems, die meisten Gärten und Bäder befinden,einzudringen. Denn so sehr sich auch hier schon die Zeiten geändert habenund dem Neugierigen erlaubt wird, manche Blicke in Gebäude und Verhältnissezu tun, die früher mit dem Tode bestraft worden wären, so ist doch dieErlaubnis, das neue Serail zu sehen, sehr eingeschränkt und wird mit seltenenAusnahmen nur der Eintritt <strong>von</strong> der Landseite gestattet, wo auch wir ohne vieleMühe bis hinter das Tor der Glückseligkeit drangen.Daß wir bei unseren Spazierfahrten oftmals den Blick verlangend zu hohenMauern des Uferpalastes schickten, und alles anwandten, die Erlaubnis zueinem Besucht zu erwirken, kann jeder denken. Doch hatte man uns im Allgemeinenversichert, obgleich der Sultan augenblicklich in seinem gegenüberliegendenPalast <strong>von</strong> Beschiktasch residiere, es würde unmöglich sein, einen Fermanzu erlangen, um diese stets verschlossenen Gärten und Gemächer auch nurflüchtig zu sehen und schon hatten wir alle Hoffnung aufgegeben, als es durcheine sonderbarere Verkettung <strong>von</strong> Umständen dem Baron und mir gelang, aneinem schönen Abend und im wahren Sinn des Wortes durch eine Hinterpfortein die geheimnisvollen Räume des neuen Serails zu dringen. Doch da es unsnicht vergönnt war, einen Dragoman mitzunehmen, auch unser Führer im Innerendes Palastes, obgleich er sehr redselig war, nur türkisch sprach, so hätteich wohl für meine Person die wirklich ängstlichen und gespannten Empfindungenbeschreiben können, die mich ergriffen, als das Tor sich hinter uns wiederschloß und wir uns in den Gärten befanden, wo im Falle unseres Verschwindenskeine Macht der Erde augenblicklich im Stande gewesen wäre, unserer Spurnachzuforschen. Aber für mein Tagebuch und für andere Mitteilungen hätte ichkeinen Gewinn gehabt, wenn der Baron nicht den guten Gedanken hatte, einemKAPITEL 3. KONSTANTINOPEL 140Teil des trefflichen Werkes <strong>von</strong> Hammer über Konstantinopel und den Bosporusmitzunehmen, der vor mehreren Jahren ebenfalls und bessere Gelegenheit hatte,diese Gebäude zu besehen, wenn es uns nun als Cicerone und vorzüglicherErklärer diente.Es war an einem der schönen Herbstabende, so lau und angenehm, daß manglauben möchte, im Frühling zu sein, und doch waren wir schon im Monat November,als uns das kleine Boot quer über das goldene Horn hinwegtrug, umdie Spitze des neuen Serails herum in die Propontis. Wir flogen, ohne ein Wortzu sprechen, längst der Felsen, die das Meer bespült und auf welchen die hohenfesten Gartenmauern des Serails stehen. Unser Kaikschi, ein Armenier, den wirbei unseren Fahten oft benützt, ein redseliger Mensch, der uns stets mit einerMenge Frage quälte, die wir ihm doch nicht beantworten konnten, sprach beiunserer heutigen Fahrt kein Wort und als wir unter die vergitterten Fenster desersten zum Serail gehörigen Kiosk kamen, drückte er seine Filzmütze fest aufdie Stirn und bearbeitete ohne aufzusehen mit seinem Ruder die Wellen so gewaltig,daß wir einer Seemöwe gleich an dem zackigen Ufer hinfuhren. – derAbend war so schön, die Sonne warf ihre letzten Strahlen herüber, die Wellendes Marmormeers vergoldend, die vergnüglich auf- und abspielten und dieBerge Kleinasiens, vor allem der schneebedeckte Olympos, brannten in hellemFeuer. – Jetzt waren wir am Ziel unserer Fahrt angelangt, der Kaikschi legtesein Ruder weg und trieb die Spitze des Fahrzeugs mit dem andern zwischenzwei Felsen am Ufer. Wir sprangen hinaus und mußten zurückblickend über dieAngst des Armeniers lachen, über die Hast, mit der er sein Boot wieder vomUfer entfernte und alsdann mit noch größerer Geschwindigkeit wie früher weitins Meer hinausfuhr, um auf einem großen Umweg den Hafen wieder zu gewinnen.In wenigen Augenblicken sahen wir seine Nußschale in die hohen Wellender Strömung auf- und abtanzen und bald verschwinden.Wir traten zu einer kleinen Pforte, nicht weit <strong>von</strong> dem Kiosk Selim III., dieuns auf ein gegebenes Zeichen ein Schwarzer öffnete, der dieselbe aber hinteruns wieder sorgfältig verschloß und befanden uns in einem großen Gartenvoll durftender Jasmingruppen, Rosengeländer und großen Partien schöner Platanen,die ihre dunklen Zweige wie schützende Flügel ausstreckten und unterdenen eine tiefe unheimliche Stille brütete. Ich weiß nicht, es war ein sonderbaresGefühl, hier zu wandeln. Wie Diebe in der Nacht schlichen wir anfangsvorwärts, auf jedes fallende Blatt lauschend und beinahe über das Knistern er-

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