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herunterladen - Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter von

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151 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTseine Pflicht in diese Höfe rief, mit größerer Angst dem Mitteltor. Denn unterdiesem ist das Gemach des Henkers. Hier wurden die Beamten des Reichs,die Veziere und Paschas, die sich eines Vergehens schuldig gemacht hatten,oder wenn es der bösen Laune ihres Gebieters gerade so gefiel, <strong>von</strong> den Henkersknechtenergriffen, enthauptet oder in das am Ufer des Hafens befindlicheGerichts-Kiosk gebracht, wo sie durch bereitliegende Schiffe in die Verbannunggeführt wurden. Eine der Hausordnungen des Serails ist, daß jeder, selbstdie höchsten Würdenträger des Reichs, sowie die fremden Gesandten und Botschafter,hier bei einem aufgerichteten Stein, der Binek Taschi – Vorteil derReitschule – heißt, vom Pferd steigen muß und zu Fuß in das Mitteltor gehen.Dieser Gebrauch ist wahrscheinlich deswegen hier eingeführt, damit keiner derUnglücklichen, die unbewußt des Schicksals, daß ihrer harrt, in diesem Torwegtreten, beim Anblick der Henker den Versuch machen kann, sich durch dieSchnelligkeit seines Pferdes zu retten.Ein anderer unangenehmer und die demütigender Gebrauch für die fremdenGesandten war es, daß sie sich eine Zeit lang am Tor dieses Henkergemachsohne Stuhl und Sitz aufhalten mußten.Von dem Mitteltor gingen wir auf einem gepflasterten und mit Bäumen besetztenWeg nach dem Eingang des dritten oder innersten Hofes des Serails– Babi seadet – Tor der Glückseligkeit genannt, an dem weiße und schwarzeVerschnittene die Wache halten. Diese sind noch mit dem Kaftan bekleidetund haben auf dem Kopf eine spitze Mütze mit einem Busch <strong>von</strong> Pfauen- undanderen glänzenden Federn. Auf der rechten Seite dieses zweiten Hofes sindneun verschiedene Küchen für den Sultan, die Sultanin Chasseki und Valide,den obersten schwarzen und weißen Verschnittenen, Kislar Agassi und KapuAgassi, den Schatzmeister und Präfekt des Serails. Gegenüber diesen Küchensind die Zuckerbäcker und Sorbetbereiter des Serails. Vor diesen Küchen wurdenan Audienztagen große Schüsseln mit Pillau aufgestellt, auf welche die indem Hof sich befindenden Janitscharen auf ein gegebenes Zeichen beim Eintrittder fremden Gesandten rasch losstürzten, was als einen Beweis ihrer Zufriedenheitangesehen wurde. Waren diese übermütigen Knechte jedoch mit demSultan selbst oder irgendeiner fremden Macht unzufrieden, so blieben sie stehenund rührten die Gerichte nicht an. Darauf wurden sie ausgezahlt, wobei dieSchatzmeister viel mit ihren Geldsäcken klapperten, um den Gesandten einenguten Begriff <strong>von</strong> dem Reichtum des Großherrn beizubringen. Sobald diesel-KAPITEL 3. KONSTANTINOPEL 152ben dann auf diese Art der Speisung und Ablöhnung beigewohnt, wurden siebis vor das Tor der Glückseligkeit geführt und der Großvezier suchte bei dem’allerhöchsten Steigbügel’ um die Gnade nach, ”ob der Fremde Gesandte, nachdemer gespeist und gekleidet worden, seine Stirn in den Staub der Füße sultanischerMajestät reiben dürfe.“ Die Andeutung des gespeist und gekleidet werden,kommt daher, daß der Gesandte in einem Gebäude rechts am zweiten Hofemit dem Großvezier an einem kleinen runden Tisch einiges Backwerk genoßund ihm darauf, damit er würdig vor dem Auge des Sultans erscheine, ein Ehrenkaftanumgehängt wurde. Nach diesen Ceremonien öffnete sich das Tor derGlückseligkeit und der Gesandte wurde in den Audienzsaal geführt, wo zweiKämmerer seine Arme fasten, ihm mit ihren Händen den Kopf niederdrücktenund auf eine so handgreifliche Weise zu einer Vorbeugung zwangen. Auch wirgelangten bis hinter das Tor der Glückseligkeit und in den Audienzsaal. Dies istein nicht sehr großes, mit Teppichen belegtes Gemach. Seine Wände sind mitgoldgestickt Stoffen bekleidet und hie und da mit Figuren, aus gefaßten Edelsteinenbestehend, verziert. Der Thron ist ein kleiner Divan, über dem vier mitEdelsteinen besetzte Säulen einen Baldachin tragen. Das Gemach hat nur eineinziges vergittertes Fenster, das kaum so viel Licht einläßt, um die kostbarenStickereien der Wände und die blitzenden Juwelen zu unterscheiden.Hinter diesem Audienzsaal fangen die Gebäude des inneren Winterharemsan, wohin bis jetzt außer Ärzten noch kein Europäer gedrungen ist. Auch wirmußten hier umkehren, nachdem wir noch zuvor einen neugierigen Blick ausdem Fenster diese Saales in die daranstoßenden Gärten geworfen hatten. Dochsahen wir nichts als Gruppen <strong>von</strong> Platanen und Cypressen, unter denen dieglänzenden Dächer verschiedener Kioske hervorschimmerten. Alles war da ruhigund still, nur eine kleine Fontaine, die nicht fern <strong>von</strong> uns ihr Wasser indie Höhe warf, murmelte geschwätzig und hätte uns vielleicht viel erzählenkönnen, wenn wir ihre Sprache verstanden hätten. Das Tor der Glückseligkeitschloß sich wieder hinter uns zu und wir gingen über beie Höfe zurück durchdie kaiserliche Pforte auf dem Serai Meidani, um nach Pera zurückzukehren.

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