51 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTmehreren hundert, ja tausend Gulden bezahlt werden, keine kleine Auslage ist.Ich rauchte unter andern diesen Abend eine, die man mit den Edelsteinen, womitsie besetzt war, auf 300 Gulden C. M. schätzte.Um diesen törichten Aufwand zu steuern, hatte bekanntlich Sultan Mahmudeinige Jahre vor seinem Tod den Befehl gegeben, jeder Türke solle, wenn ereinen Besuch abstatte, seine Pfeife mitnehmen, damit kein Hausherr nötig habe,für seine sämtlichen, oft zahlreichen Gäste Pfeifen herbeizuschaffen.Plötzlich verkündete draußenein Kanonenschlag den Beginn des Feuerwerks.Auf dem Hof hatte sich die Volksmasse außerordentlich vermehrt. In der Mittestand aber nur ein Türke, der einzelne Raketen abbrannte, welche ziemlichgerade stiegen und blaue und rote Sterne warfen. Ein Kerl, der schon früherdurch bizarre Sprünge die Menge belustigt hatte, ergriff eine Stange, stecktesie zwischen die Beine und jagte so im Kreis herum, während vorne und hintenbefestigte Schwärmer und Frösche feuersprühend in die Haufen fuhren, was ungemeinenJubel verursachte. Den Beschluß machte ein Feuerkasten, der vor dieFenster gestellt wurde in welchem wir lagen und mit einem ungeheuren Knallabbrannte, Sonnen, Schwärmer, Raketen, Sterne warf und zuletzt den Hof miteiner bengalischen Flamme erleuchtete. Das Ganze dauerte ungefähr eine halbeStunde und war eine Lumperei mit viel Spektakel. Erstere dedicierte uns dieRegierung, für letzteren sorgte der Pöbel.Indessen dankten wir dem freundlichen Pascha für seinen guten Willen herzlichundfolgten abermals dem Muazil in sein Zimmer, wo ein türkisches Nachtessenuns erwartete. Eine runde silberne Platte, etwa drei Fuß im Durchmesser,die auf einem zwei Fuß hohen Messingfuß stand, war mit kleinen Tellern undGläsern bedeckt.Erstere enthielten kleingeschnittene Äpfel, Birnen, Mandeln, Nußkerne, Melonen,Rosinen, Feigen und Zuckerwerk. In den Gläsern war Sorbet <strong>von</strong> allenmöglichen Farben und dem verschiedenartigsten Geschmack. Jeder langte mitden Fingern in die Schüssel und holte sich heraus, was ihm beliebte.Kaum hatten wir abgespeist und uns in die Divans zurückgelegt, so steckteman uns gleich wieder eine Pfeife in den Mund. Der Muazil klatschte in dieHände und ließ uns durch den Dragoman sagen, die Tänzer würden sogleicherscheinen, um uns ihre Künste in der Nähe zu zeigen. Die Tür ging auf undherein schritt die Musikbande, zwei Violinen, zwei Zithern und ein unbekanntesInstrument, das nur mit einer Saite bespannt war und nur einen einzigen schnar-KAPITEL 2. RITT DURCH DIE EUROPÄISCHE TÜRKEI 52renden Ton hören ließ. Die Tänzer waren vier griechische Knaben in weitenweißen Beinkleidern, roten Schuhen, roten Gürtel und einer eng anliegendenblauen Jacke, mit Kastagnetten in den Händen. Zwei stellten die Tänzerinnenvor, und hatten zu dem Ende das Haar lang wachsen lassen, daß es ihnen ungeflochtenum die Hüften wehte. Sie gingen im Zimmer umher, machten demMuazil und uns eine Verbeugung, dann zogen sie sich in eine Ecke zurück. DieMusikanten kauerten auf dem Boden und begannen in sehr schnellen Tempo eineunangenehme, eintönige Musik. Die Tänzer stellten sich einander gegenüber,fielen mit ihren Kastagnetten ungemein taktfest in die Musik ein und der Tanzbegann.Ein richtiges Bild desselben zu entwerfen, ist schwer. Die Füße, denen beiunsern Tänzern das Hauptgeschäft obliegt, haben hier am allerwenigsten zutun. Die Tänzer brauchen sie nur zum Stehen und Springen und werfen siewillkürlich plump und unbeholfen herum. Dagegen sind die Hüften und Schulterblätterin einer unbeschreiblich stets zitternden Bewegung. Dabei stoßen sieeinen eigenen Gesang aus und obgleich der Schweiß ihnen vom Gesicht undvom Leib floß, obgleich dieses beständige Zittern undSpringen ungemein ermüdendsein muß, tanzten sie eine volle Stunde ohne aufzuhören, ohne mit ihrenKastagnetten ein einziges Mal aus dem raschen Takt der Musik zu fallen.Nach diesem Tanz, den uns der Muazil als einen asiatischen bezeichnete,kam noch ein bulgarischer mit ähnlichen Bewegungen und vom ersten hauptsächlichnur durch eine Figur unterschieden, bei welcher sich alle vier Tänzer anden Gürteln faßten und wie toll im Kreise herumsprangen. Endlich schwieg dieMusik, die Tänzer traten in den Hintergrund und nur einer <strong>von</strong> ihnen, mit langenHaaren, kniete auf einen Wink des Muazil vor ihm auf dem Boden, doch so, daßer dem Minister den Rücken zuwandte. Dann bog er den Kopf hintenüber undSe. Excellenz beklebte ihm beide Backen mit kleinen Geldstücken, die er mitSpeichel benetzt hatte, worauf sich der Tänzer wieder erhob, ein Tuch vor sichhin hielt und singend so lange auf- und niedersprang, bis sämtliche Münzen herabgefallenwaren. Dann trat er mit einer Verbeugung zurück und alle verließendas Zimmer.Mittlerweile war es Mitternacht geworden und da wir früh abreisen und nocheinige Stunden ruhen wollten, beurlaubten wir uns vom Muazil und folgten demösterreichischen Konsul, der uns für die Nacht sein Haus angeboten, begleitet<strong>von</strong> mehreren Fackelträgern und einer großen Menge Volks.
53 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTDen andern Morgen brachen wir auf mit der gleichen Anzahl Pferde, wie ausRustschuk. Hamsa, an der Spitze, jauchzte beständig: ”H e i de S tamb ulG i d e l ü m “. Land und Weg drohten wenig Interessantes. Wir zogen überbaumlose Hügel und durch dürre Täler, zuweilen über Brücken, die wir nureinzeln beschreiten konnten, um nicht durchzubrechen. Nur war die Straße lebhafterals vor Adrianopel und man sah, daß man sich der Hauptstadt näherte.Karawanen <strong>von</strong> 40 bis 50 Pferden begegneten uns, die Reiter mit Säbeln, Gewehr,Pistolen so überladen, daß ihre Waffen gewiß oft mehr Wert waren als dieWare, die sie damit zu bewachen hatten. Auch sahen wir kleine Züge türkischerKavallerie, schlecht ausgerüstet und ebenso schlecht beritten. Die Leute trugenblaue runde Jacken, nach Art unserer Husaren, mit roten Schnüren besetzt,blaue Hosen und das Feß auf dem Kopf. Abends sechs Uhr gelangten wir nachSchatal-Burgas, wo unser Tartar mit einigen Kantschuhhieben eine Kaffeestube<strong>von</strong> den dort versammelten Türken reinigte und uns zum Nachtlager einrichtenließ. Am andern Tag, gegen vier Uhr nachmittags, erblickten wir zum erstenmaldas Meer. Am fernen Horizont tauchte im Süden die Spitze der Insel Marmoraempor und südöstlich strichen die Gebirge Kleinasiens.Im Nachtquartier Siliwiri angelangt, besahen wir noch im Mondschein dieRuinen eines kolossalen Schlosses, das auf einem schroffen Felsen hart amMeer steht. Es ist wahrscheinlich <strong>von</strong> den Genuesern gebaut. Die Türken untergrabendie zwanzig Fuß dicken Mauern, um Steine für ihre armseligen Häuserzu gewinnen. So bereichern sich vom toten Körper eines riesigen Tieres tausendAmeisen und Würmer. Bald wird das stolze Gebäude über den Köpfen dieserVandalen zusammenbrechen.Vor Tage brachen wir auf und ritten beständig am Strand hin, sodaß diegrünen Wellen zu den Füßen unserer Pferde schlugen. Das Meer war etwas bewegt.Stets so die schöne See zur Rechten, kamen wir mittags nach Kutschukschekmedscheund gegen drei Uhr sahen wir Konstantinopel in seiner ganzenPracht und Herrlichkeit vor uns liegen.Kapitel 3KonstantinopelStambul ist einer großen Blume vergleichbar, auf drei Seiten <strong>von</strong> einem grauenunscheinbaren Deckblatt umgeben, mit welchen es an den Felsgestaden Rumelienshängt, während es der aufgehenden Sonne und den großen glänzendenSpiegeln, die zwei Meere vor ihr ausbreiten, das schöne glühende Antlitz zuwendet. Das kleine leichte Boot trägt uns spielend aus dem Hafen nach dem gegenüberliegendenGestade <strong>von</strong> Kleinasien. Man verlässt Konstantinnopel unddamit Europa, wie man vor einem Gestade zurücktritt, um es gehörig würdigenzu können, mann muß sich auf einem anderen Weltteil niederlassen, umdas großartige Bild, das sich hier vor den erstaunten Augen entfaltet, mit seinerganzen Schönheit ins Herz aufzunehmen.Wie Rom ist Konstantinnopel auf sieben Hügel erbaut, deren Abgrenzungman deutlich erkennen kann. Sie bilden noch jetzt, wie unter der Herrschaft derKonstantine, ein unregelmäßiges Dreieck, <strong>von</strong> denen wir zwei Seiten <strong>von</strong> hieraus nicht sehen. Nur die dritte liegt links vor uns, das sogenannte Serail mitseinen buntverzierten mannigfaltigen Gebäuden, größeren Palästen und kleinenKiosks. Zwischen denselben sieht man Wälder <strong>von</strong> Orangen, große Platanenund schlanke Zypressen, welche dieser ungeheuren Wohnung der Sultane, dieeiner kleinen Stadt mit hohen Ringmauern gleicht, die angenehmste Schattierunggeben.Hinter dem neuen Serail, das tiefer als die Stadt am Ufer des Hafens liegt,erblickt man bunte Häusermassen, die den Wellenlinien der Hügel folgen. Dorttritt eine Gruppe <strong>von</strong> Zypressen und anderen Bäumen über sie hinaus, hier unterbrichtein einsam stehendes halbzerfallenes Mauerwerk die fast nur durchihre Färbung verschiedenen Dächer der Häuserreihen.