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herunterladen - Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter von

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107 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTEinlaßkarte zum Besuch der Aja Sophia und der anderen Moscheen verschafft.Ein solcher Ferman kostet tausend Piaster, aber der Besuch der Kirche ist dafürallen gestattet, die sich dem Inhaber desselben anschließen wollen oder können.Da auf solche Gelegenheiten, die nicht häufig vorkommen, viele Reisende undeinheimische Franken warten, die nicht gesonnen sind, hundert Gulden auszugeben,so gestattete <strong>von</strong> jeher der Besitzer des Fermans jedem ordentlich gekleidenLandsmann in weiterem Sinne des Wortes den Eintritt, sodaß oft mit einemeinzigen Ferman einige Hundert den Tempel besahen. Dies erlaubte noch vorKurzem der Herzog Paul <strong>von</strong> Württemberg und Prinz August <strong>von</strong> Preußen, welcheletztere sogar einen großen Haufen Babuschen, türkischer Pantoffeln, dieman, um nicht die Stiefel ablegen zu müssen, über dieselben zieht, aufkaufenund ohne Ansehen der Person unter die Eintretenden verteilen ließen.Nicht so machte es the right honourable Lord L., wie auf allen seinen Koffernund Kisten stand, mit obgleich ihn der Baron schon <strong>von</strong> London her kannteund wir, seine drei Begleiter, auf unserer gemeinschaftlichen Donaureise oftmit ihm gesprochen hatten, trieb er seine englische Eigenheit doch so weit, daßer <strong>von</strong> uns Dreien nur Zweien eine Karte geben wollte. An alle die nämlich,denen er die Erlaubnis erteilte, mitzugehen, ließ er, oder vielmehr die Lady,Karten austeilen und wer beim Eingang der Aja Sophia und anderer Kirchen,die wir besahen, keine Karte aufzuweisen hatte, den sollten nach seiner Absichtdie Kawaschen zurückweisen. Diese Türken waren aber freundlicher alsseine Herrlichkeit und ließen trotz dem Verbot, wie gewöhnlich, ganze HaufenNeugieriger in die Kirche.Unser erster Gang war natürlich zur Aja Sophia, diesem prächtigen herrlichenTempel.Im Jahr 325 baute auf dieser Stelle Konstantin den ersten Tempel der göttlichenWeisheit, den aber schon sein Sohn Konstantius, dreizehn Jahre später,erweiterte. Nachdem im Jahr 404 die Kirche zum ersten Mal abgebrannt warund sie Theodosius 415 zum zweiten Mal aufgebaut hatte, brannte sie unter Justinian532 in berühmten Aufruhr der Rennpartie zum zweiten Mal ab, woraufsie dieser prachtliebende Kaiser in ihrer jetzigen Größe und herrlicher als jeaufführen ließ. Am merkwürdigsten ist die Kuppel des Doms, die aus leichtenzu Rhodus verfertigten Ziegeln gebaut wurde, deren jedem man die Inschrifteinprägte: ”Gott sie gegründet und sie wird nicht erschüttert werden. Gott wirdihr beistehen im Morgenrot.“ Schon zu oft und sorgfältig ist die Aja SophiaKAPITEL 3. KONSTANTINOPEL 108<strong>von</strong> älteren und neueren Reisenden beschrieben wurde, als daß auch ich eineausführliche Beschreibung über diese Moschee liefern sollte.Die Herbeischaffung und Vorbereitung der Baustoffe dauerte sieben und einhalbes, der Bau selbst acht und ein halbes Jahr, wonach das Ganze in sechzehnJahren vollendet wurde. Die Baumeister, welche dieses Werk leiteten, warenAthenius <strong>von</strong> Tralles und Isidorus <strong>von</strong> Milet. Unter diesen waren hundert Baumeisterbeschäftigt, <strong>von</strong> denen jeder wieder hundert Maurer unter sich hatte.Nach dem Plan eines Engels, der dem Kaiser im Traum erschienen war, arbeiteten<strong>von</strong> diesen fünftausend auf der rechte, und fünftausend auf der linkenSeite. Alle Tempel der älteren Religion trugen zu dem Bau dieses Tempels dengöttlichen Weisheit bei, denn er stützt sich auf die Säulen der Isis und des Osiris,der Sonnen- und Mondtempel <strong>von</strong> Heliopolis und Ephesus, auf die der Pallas<strong>von</strong> Athen, des Phoibos <strong>von</strong> Delos und auf die der alten Cybele <strong>von</strong> Cyzikus.*Nachdem die Mauern erst zwei Ellen über den Grund erhoben waren, hatteman schon 250 Zentner Goldes ausgegeben und der Kaiser, mit dem es anGeld zu Fortsetzung gebrach, wurde der Sage nach durch einen Engel aus derVerlegenheit gerissen, der eines Nachts viele Arbeiter mit Saumtieren in ein unterirdischesGewölbe führte, wo er sie mit großen Schätzen belud. Fast bei allengrößeren Bauwerken der älteren Zeit haben bekanntlich gute und böse Geisterdie Hand im Spiel gehabt. Doch bei keinem zeigte sich das Geisterreich so tätig,wie hier beim Bau der Aja Sophia. Den Plan des ganzen Gebäudes gab der Sagenach ein Engel an, der dem Kaiser erschien, sowie später den Namen AjaSophia. Uns als einst der Kaiser und die Baumeister verschiedener Meinungwaren, ob das Licht über dem Altar durch ein oder zwei Fenster einfallen sollte,erschien der Engel abermals und entschied für drei Fenster, zur Ehre des Vaters,des Sohnes und des heiligen Geistes. Der Altartisch, zu dessen AnfertigungGold nicht kostbar genug schien, bestand aus einer Masse, die man aus Gold,Silber, zerstoßenen Perlen und Edelsteinen zusammengeschmolzen hatte undwurde mit den köstlichsten Steinen ausgelegt. Auf demselben stand ein goldenesKreuz, 75 Pfund schwer, ebenfalls mit Steinen geschmückt. Überhaupt wardie ganze innere Einrichtung, sowie die Geräte, <strong>von</strong> so übertriebener Pracht,daß man die Beschreibung derselben für Märchen halten könnte, wenn sie nichtgeschichtlich <strong>von</strong> den glaubwürdigsten Männern dokumentiert wäre. So war dieKanzel <strong>von</strong> einem goldenen Himmelsdach bedeckt, auf dem ein goldenes Kreuzstand, hundert Pfund schwer unddicht mit Rubinen undPerlen besetzt. – Ein an-

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