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herunterladen - Hackländer, Friedrich Wilhelm Ritter von

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41 HACKLÄNDER: REISE IN DEN ORIENTWir hatten noch einiges Wasser zu passieren, das sich in kleinen Seen aufder Straße gesammelt hatte und trabten dann auf einem ungemein holperigen,ganz vernachlässigten Pflaster bis an das Tor der Stadt, aus zwei armseligenHäusern bestehend, <strong>von</strong> denen eines eine Wache vorstellte und mit dem anderndurch eine Brücke zusammenhing. Dieses städtische Gebäude wurde durch einekleine Ampel beleuchtet, die sich über unsern Köpfen an einer eisernen Stangeächzend wiegte, als fühlte sie ihre Jämmerlichkeit.Hier stockte auf einmal unser Zug. Wir hinten wußten nicht warum und verstandenauch zu wenig türkisch, um zu erraten, was zwischen unserem FührerHamsa und der Wache verhandelt wurde. So hielten wir eine halbe Stunde,müde, fröstelnd, da wir uns warmgeritten hatten und nunin der kalten Abendluftstill hielten, murrend über die fehlgeschlagene Hoffnung, bald in ein Quartierzu kommen und unsere erstarrten Glieder auf weichen Kissen ausstrecken zukönnen.Der Tartar hatte den Paß des Barons genommen und war damit in die Wachtstubegegangen. Er kam endlich wieder und bedeutete uns abzusteigen und ihmdahin zu folgen, da unsere Pässe erst dem Pascha vorgelegt werden müssen, ehewir hier einreiten dürften. Wir traten in das niedrige, <strong>von</strong> einem an der Wandhängenden Licht spärlich beleuchtete Zimmer und warfen uns gleich auf dieBinsenmatten und Polster, die an den Seiten lagen. Soviel der dicke Tabaksqualmerkennen ließ, hatte das Zimmer bloß vier nackte Wände, einen Kaminund ein einziges Fenster <strong>von</strong> einem Fuß im Quadrat. Die edlen Stadtwächter,junge Türken, kauerten an den Wänden, Pistolen und Dolch im Gürtel, die Pfeifeim Mund.Ich war vor Ermüdung beinahe eingeschlafen, als Hamsa erschien und uns,die wir jetzt hofften, erlöst zu sein und unsern Chan aufsuchen zu dürfen, ineinen schmutzigen Winkel der Straße führte mit dem Bedeuten, uns ruhig zuverhalten und nicht <strong>von</strong> der Stelle zu gehen. Auch gelang es uns aus seinenWorten und Gebärden endlich soviel abzunehmen, wir möchten sagen, wennwir gefragt würden, unsere Karawane habe Schumla nicht berührt, sondern seium die Stadt herum gegangen. Was sollte alles dies bedeuten? Warum hielt manuns hier auf? Zuweilen hörten wir ein verhängnisvolles Wort neben uns flüstern:C al e ndur , was Quarantäne bedeutet. Aber der Gedanke war zu neu undschrecklich, um ihm nachhängen zu können. Hatte man doch nie gehört, daßdie Türken ihr Land mit einer Quarantäne umzogen. Wozu auch? Und brachtenwir ihnen doch gewiß keine Pest.KAPITEL 2. RITT DURCH DIE EUROPÄISCHE TÜRKEI 42Unserer Ungewißheit wurde auf einmal ein Ende gemacht. Ein Türke mitdem Feß auf dem Kopf kam auf uns zu, stellte den langen Stock abwährend vorsich hin und deutete auf ein höchstens zwei Fuß hohes Loch in der alten Stadtmauer,das man öffnete und durch welches wir in einen rings mit hohen Mauernumgebenen Hof kriechen mußten. Mehrere der Wachen umgaben uns mit denfinsteren bärtigen Gesichtern und ihre Dolche und Pistolen leuchteten recht unheimlichbei der düsteren Flamme einer beinahe abgebrannten Pechfackel, dieeiner vor uns her trug, bis zu einem größeren Tor, das nach mehrmaligem Klopfengeöffnet wurde. Wir traten in einen zweiten Hof, und hinter uns riegelte mandas Tor wieder zu.Das Terrain, auf welchem wir uns befanden, schien ein Garten oder eineBaumanlage zu sein. Wir waren wenigstens <strong>von</strong> Bäumen umgeben und unsereFüße traten auf lockeren Grund. Ein kolossales Schöpfrad erhob sich nebenuns aus einer Wassergrube und goß langsam das gesammelte Wasser aus seinemmorschen Eimer, worauf dieser mit melancholischer Klage in die Tiefezurücksank. Wir schleppten unsere müden Glieder noch einige Schritte weiterund wurden dann mit langen Stöcken in ein einsam stehendes Haus beinahehineingeschoben. Durch einen schmutzigen Gang gelangten wir in ein Zimmer.Zugleich mit uns setzte man eine Kohlenpfanne und ein brennendes Talglichthinein und schloß die Tür ab. Hamsa, unser Tartar, kauerte an die Wand undschien über unsere Lage nachzudenken, wenigstens sprach er nichts, sondernsah uns sehr wehmütig an. Auch wir betrachteten unseren Aufenthalt und unsgegenseitig. Der Baron zog in stiller Resignation ein kleines türkisches Wörterbuchaus der Tasche, um mit Hilfe desselben den Tartaren zu befragen, was maneigentlich mit uns vorhabe.Kaum sah Hamsa das Buch in den Händen des Barons, als er gleich zu ihmhinrutschte und zu seinen Füßen gelagert ihm aufmerksam in die Augen sah.Überhaupt kam Hamsa, so oft Taubenheim dieses Büchlein zur Hand nahm, eilendherbei und merkte genau auf jedes Wort, daß er ihm allenfalls sagen wollte,wogegen wir anderen lange schreien mußten, bis er unsern Befehlen und BittenGehör gab. Diesmal wartete aber der Tartar die Frage nicht ab, sondern wohlmerkend, um was es sich handle, sagte er: ”S c h u m l a G ü m u r t o c h a k ,b ur da C al e ndur , “ d. h. ”Schumla Pest, hier Quarantaine.“ Dies erfüllteuns mit nicht geringem Schrecken und wir sahen auf einmal unsere trostloseLage. Deshalb auch früher seine Bitte, wir möchten versichern, Schumla nichtberührt zu haben.

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