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106 MorgenKinoFranÇois Ozon über »JunG und schön«François Ozon ist einer <strong>de</strong>r fleißigsten Filmemacher Frankreichs, und vielseitig ist er auch. Jetzt legt er seinenersten richtigen Skandalfilm vor: Ein bürgerliches Mädchen wird freiwillig Prostituierte. Beim Interview inParis versucht Ozon zu erklären, warum.Sie beginnen »Jung und schön« mit <strong>de</strong>mBlick durch ein Fernglas. Welche Rollespielen die Blicke <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren in ihremPorträt <strong>de</strong>r jugendlichen Isabelle?Die Jugend ist heute viel beachtet. Es gibt einegesellschaftliche Obsession für jugendlicheSchönheit. Die Mädchen auf <strong>de</strong>n Titelseiten<strong>de</strong>r Zeitschriften sind meist 15, 16 Jahre alt.Die Jugend ist sichtbar und erotisiert. Und hatdurch das Internet auf alles Zugriff. Isabelleist schön, reich und intelligent. Sie hat alles!Und wenn man alles hat, kann man auf einebeinahe masochistische Weise angezogen seinvon Formen <strong>de</strong>r Gewalt, Macht o<strong>de</strong>r Kontrolle.Isabelle prostituiert sich. Es scheint ihr einAnliegen zu sein, ihre Sexualität zu planen,ihr einen Rahmen zu geben, sie in Szene zusetzen und zu kontrollieren. Ein Verhaltenwie im Management?Absolut! Sie hat <strong>de</strong>n Drang, sich einen persönlichenFreiraum zu schaffen, »a room of onesown«, wie Virginia Woolf es formulierte. Isabellemöchte <strong>de</strong>m Kokon <strong>de</strong>r Familie entkommen,aber sie ist gefangen in einem Zustand,in <strong>de</strong>m Sexualität und Gefühle voneinan<strong>de</strong>rgetrennt sind. Sie glaubt, sie könne die Sexualitätauf eine mechanische Weise ent<strong>de</strong>cken.Das funktioniert natürlich nicht so einfach,und Isabelle wird im Lauf <strong>de</strong>r Geschichte auchmit <strong>de</strong>r Realität und <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nlosigkeit ihresVerhaltens konfrontiert.Isabelles ahnungslose Familie zeigt Interesseund Verständnis für die ersten Liebesabenteuerihrer Tochter. Warum isoliert Isabelle sichimmer weiter?Ich habe mit einem Psychoanalytiker gesprochen,<strong>de</strong>r mir sagte: »Die Eltern machen immerdas Falsche. Man muss es akzeptieren. Man willdas Beste für sein Kind, aber das Kind will seineeigene Welt und seinen eigenen Willen. Selbstwenn es die Eltern gut machen sollten, so hältes das Kind nicht davon ab, das Falsche zu tun.«In »Jung und schön« gibt es keinen Abwärtsstru<strong>de</strong>l.Selbst in schwierigen Momenten lerntIsabelle dazu, kümmert sich gut um ihr Geschäft,ist organisiert und methodisch.Wir leben in einer liberalen Welt. Alles wirdgeplant. Alles wird organisiert. Alles lässt sichbezahlen. Alles muss bezahlt wer<strong>de</strong>n. Isabelleist in <strong>de</strong>r Hinsicht wirklich ein Produkt <strong>de</strong>saktuellen Lebens. Sie ist ein Mädchen von heute.Wäre <strong>de</strong>r Film weniger kontrovers aufgenommenwor<strong>de</strong>n – zum Beispiel wur<strong>de</strong> ihm »Voyeurismus«vorgeworfen –, wenn Isabelle tragischeGrün<strong>de</strong> gehabt hätte, sich zu prostituieren?Wenn sie aus einem armen Umfeld käme, hättees wohl je<strong>de</strong>r akzeptiert. Aber es ist kein Filmüber die Prostitution, son<strong>de</strong>rn über das Erwachsenwer<strong>de</strong>n.Isabelle prostituiert sich, siekönnte aber auch Drogen nehmen, einen Selbstmordversuchunternehmen o<strong>de</strong>r magersüchtigwer<strong>de</strong>n. Ich möchte <strong>de</strong>n Zuschauer mit Fragenzurücklassen, die sich ihm über sein Verhältniszur Sexualität und zur Familie stellen.Sie wollten kein umfassen<strong>de</strong>s Porträt <strong>de</strong>rProbleme erstellen, die mit <strong>de</strong>r Prostitutioneinhergehen?Ich möchte eine Geschichte erzählen, und eskann sein, dass die sich mit einem gesellschaftlichenPhänomen überschnei<strong>de</strong>t. Vieles von <strong>de</strong>rKontroverse, die es um <strong>de</strong>n Film gab, kam vonLeuten, die »Jung und schön« nicht gesehenhatten. Sie wollten weniger über <strong>de</strong>n Film, son<strong>de</strong>rnvielmehr über das gesellschaftliche ThemaProstitution diskutieren.Interview: Jessika Jürgens— »Jung und schön« (F 2013; R: François Ozon; D:Marine Vacth, Geraldine Pailhas; start: 14.11.13)

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