056 HEUTEFabian Brüssow (rechts)Almost Famous... ist die Verfilmung <strong>de</strong>sberüchtigten Buchs vonLester Bangs, einem <strong>de</strong>rersten Popjournalisten,<strong>de</strong>r Schreiben und Erlebenexzessiv zusammenbrachte.Die autobiografischeStory han<strong>de</strong>lt davon, wiegroßartig und gefährliches ist als Fan, seinen Idolenplötzlich ganz nahe zusein. Lei<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>r Filmso gut wie nichts mit <strong>de</strong>mOriginaltext zu tun. StattDrogen verherrlicht er zumBeispiel die Familie.Band AidIn diesem Zusammenhangist »Band Aid« einWortspiel, da <strong>de</strong>r Begriffauf Englisch eigentlich»Pflaster« meint. Wörtlichübersetzt aber auch als»Hilfe für die Band« zulesen ist.dann auch die Übernachtungsgäste. Ich bin jetzt nicht dieOlle aus Berlin, die für alle ihr Sofa zur Verfügung stellt.«Eileen grinst. Bitte keine Missverständnisse. Denn wo sichdie Boys auf ehrenwertes Supportertum berufen dürfen,muss sich <strong>de</strong>r weibliche Fan bezüglich dieses Hobbys oftUnterstellungen anhören. »Bezeichnungen wie Groupielasse ich natürlich nicht auf mir sitzen – da erkläre ichschon ganz genau, was ein Tourer ist.«Solchen Klärungsbedarf kennt man auch von <strong>de</strong>m Fankult-Filmüberhaupt – von »Almost Famous«. HauptfigurPenny Lane, gespielt von Kate Hudson, postuliert darin:»Wir sind keine Groupies. Groupies schlafen mit Rockstars,weil sie jemand Berühmtem nahe sein wollen. Wir sinddagegen hier wegen <strong>de</strong>r Musik, wir inspirieren die Musiker.Wir sind Band Aids.« So prätentiös geht es jenseits <strong>de</strong>r imFilm dargestellten Siebziger und vor allem im Indiekosmosdieser Tage (zum Glück) nicht zu. Die Tourer-Gemein<strong>de</strong>unterstützt einan<strong>de</strong>r und die Bands. Inspiration müssendie Künstler dagegen in diese Zugewinngemeinschaftschon selbst mitbringen.»Ist bestimmt so, dass 90Prozent meines verfügbarenEinkommens für Musikweggehen – Platten,Konzertkarten, Reisen!«Demnächst besucht Eileen in Stuttgart Fabian. FabianBrüssow ist Azubi zum Kaufmann <strong>de</strong>r Marketingkommunikation.Mit Eileen ist er nicht verwandt und nichtverschwägert. Nicht mal in love. »Sie kommt mich besuchen– okay, sie guckt Turbostaat im Club Zentral, undich geh’ mit und biete ihr Unterkunft.« So geht das inTourer-Kreisen. Fabian war <strong>de</strong>r erste Berührungspunktfür diese Story. Die Begegnung fand auf einer Veranstaltungstatt – selbstverständlich nicht in <strong>de</strong>r Stadt, in <strong>de</strong>r erwohnt. Er war angereist. Unter <strong>de</strong>r Woche, ohne Freun<strong>de</strong>,nächster Tag Job. Egal. Fabian ist begeisterter Tourer – undSchwabe. Weshalb er wohl auch trotz <strong>de</strong>r Tatsache, dass ergera<strong>de</strong> mal 20 gewor<strong>de</strong>n ist, schon Worte wie »verfügbaresEinkommen« benutzt. Auch er schwärmt für <strong>de</strong>n offensichtlichmo<strong>de</strong>rnen Klassiker <strong>de</strong>r Indietravel-Szene TheesUhlmann – wenn man Die Toten Hosen, die eigentlichenStars <strong>de</strong>r Autobahnfans, mal bewusst ausklammert. AberFabian hat auch ganz bewusst jene Bands auf <strong>de</strong>m Schirm,die (noch) nicht im breiten Konsens angekommen sind:»Captain Planet, Messer, Pascow, Òlafur Arnalds – undStefan Honig [huch, <strong>de</strong>r schon wie<strong>de</strong>r!] habe ich bestimmtzehnmal gesehen. Mir geht es einfach darum, dass Publikumund Band sich auf einer Ebene begegnen können,also dass so was wie Starallüren gar nicht aufkommen. Mitanonymen Massenveranstaltungen kann ich überhauptnichts anfangen.«Fabian gesteht, dass man sich die Tage im Tourer-Netzwerknicht komplett durchgejubelt vorstellen darf. Viel hatauch mit Frieren, Fahren, Müdigkeit und Zeit-Totschlagenin gar nicht so geilen Käffern zu tun. Aber ohne eine gewisseFallhöhe könnte ja je<strong>de</strong>r Spaß einpacken. Und auchwenn sich die Szene vornehmlich <strong>de</strong>n einheimischen Actszugewandt hat, freut sich Fabian beson<strong>de</strong>rs an <strong>de</strong>r Anekdote,wie ihn <strong>de</strong>r Gitarrist <strong>de</strong>r kanadischen SoulpopbandImaginary Cities bei einer Show im Publikum ent<strong>de</strong>ckt unddaraufhin gleich <strong>de</strong>n 500 an<strong>de</strong>ren Anwesen<strong>de</strong>n vorgestellt
RYANGOSLINGBRADLEYCOOPEREVAMENDESUNDRAYLIOTTAhabe. Wobei die Band in Deutschlandbeim Uhlmann/Kettcar-LabelGrand Hotel Van Cleef erscheint,womit sich auch hier <strong>de</strong>r Kreis wie<strong>de</strong>rschließt.Bleiben nur noch zwei Dingezu klärenErstens: Ist es nicht verdammtnoch mal langweilig, eine Bandmehrfach hintereinan<strong>de</strong>r zu sehen,da passiert doch immer dasGleiche? Uwe Capelle kennt dieFan - u n dReisekultclassicDieDeadheadsDeadheads lautet dieSelbstbezeichnung einerlosen Gruppierungaus Fans <strong>de</strong>r Band TheGrateful Dead. Deadheadswaren jene Fans,die <strong>de</strong>n Konzerten durchganz Amerika teils inrichtigen Trecks nachreisten.Warum gera<strong>de</strong>jenem Act ein so treuerZuspruch zuteil wur<strong>de</strong>,lässt sich einerseits aufdie Anfang <strong>de</strong>r Siebzigeraufgekommene HippieundPsyche<strong>de</strong>lic-Bewegungzurückführen,für die Grateful Deadzu Ikonen wur<strong>de</strong>n – an<strong>de</strong>rerseitsimprovisierteund jammte die Bandausgiebig bei ihrenKonzerten, sodass keineShow <strong>de</strong>r nächsten glich,was neben <strong>de</strong>m aufkommen<strong>de</strong>nGemeinschaftsgefühleinen zusätzlichAnreiz bot. 1995 löstensich The Grateful Deadnach über dreißig JahrenBandhistorie auf – undmit ihnen die fast ebensolegendären Deadheads.Antwort – und diese Frage sowieso: »Das ist <strong>de</strong>r komplettfalsche Ansatz. Wenn mir jemand damit kommt, unddas ist tatsächlich oft, dann sage ich: ›Hörst du dir <strong>de</strong>ineLieblingsplatten etwa auch nur einmal im Jahr an? Schaltestdu <strong>de</strong>inen Lieblingsfilm ab, weil du ihn schon kennst?Nein, natürlich nicht. Warum sollte es bei Konzerten vonKünstlern, die man verehrt, dann was an<strong>de</strong>res sein?‹«Okay, und zweitens: Was wur<strong>de</strong> eigentlich aus <strong>de</strong>r 1Live-Krone für Frittenbu<strong>de</strong>, steht die jetzt etwa bei Thies auf<strong>de</strong>m Kaminsims? »Nein, mit nach Hause nehmen durfteer sie nicht«, gesteht Strizi Streuner von <strong>de</strong>r Frittenbu<strong>de</strong>.Na, da schau an! Die Trophäe ist also doch nicht ins Publikumzurück vergeben. Vielleicht ein Anreiz, dass sich dieüberzeugten Anhänger <strong>de</strong>mnächst noch mehr reinhängen?Nein, natürlich Quatsch, <strong>de</strong>nn die größten Fans müssennicht mit schnö<strong>de</strong>m Tand animiert wer<strong>de</strong>n, die bringen eineMotivation mit, die keine tausend Mitmach-Kampagnenund Street-Teams je wer<strong>de</strong>n aufrufen können. <strong>Als</strong>o fickdich doch, Emotionserzeugungsindustrie!IF YOU RIDE LIKELIGHTNING YOU´REGONNA CRASH LIKETHUNDER.V ON DEREK CIANFRANCE DEM REGISSEUR VONBLUE VALENTINEAB 7. NOVE<strong>MB</strong>ER 2013AUF DVD, BLU-RAYUND ALS VOD