110 MorgenDVDExtrasRicky Gervais’ und Stephen Merchants Serie »Extras« han<strong>de</strong>lt vonnamenlosen Nebendarstellern und von Stars, die auch keine großenLeuchten sind. Jetzt gibt es alle Folgen in einer Box.In je<strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r Comedy-Serie »Extras« wirdman als Zuschauer mitten in einen neuenFilm hineingeworfen. So unterschiedlich dieSets dabei auch sein mögen, die Bemühungenund das Scheitern <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Hauptakteurebleiben stets gleich. Ob in einer Verfilmung einesShakespeare-Dramas o<strong>de</strong>r in einem im Kosovospielen<strong>de</strong>n Kriegsfilm: Die bei<strong>de</strong>n StatistenAndy Millmann und Maggie Jacobs haben ihreZiele fest im Visier. Er – ein erfolgloser Schauspieler,ihm zur Seite sein noch erfolglosererAgent – versucht um je<strong>de</strong>n Preis, eine Sprechrollezu bekommen, während sie – ebenfallshartnäckig in ihren Bestrebungen – versucht,einen Schauspieler abzuschleppen.Diesem Grundgerüst an die Seite gestellt wirdjeweils <strong>de</strong>r Gastauftritt eines »echten« prominentenSchauspielers, <strong>de</strong>r »sich selbst« spielt,wie in <strong>de</strong>r ersten Staffel etwa Samuel L. Jackson,Kate Winslet, Ben Stiller o<strong>de</strong>r »Star Trek«-Shakespearianer Patrick Stewart, in <strong>de</strong>r zweitenSeason sind Orlando Bloom, David Bowie, Ian»Gandalf« McKellen und an<strong>de</strong>re dabei. Gewürztmit einer gehörigen Portion Selbstironie, weisendiese Gastauftritte durchaus gewisse Parallelenzu <strong>de</strong>nen bei <strong>de</strong>n »Simpsons« auf, wo übrigens»Extras«-Mastermind und -HauptdarstellerRicky Gervais seinerseits schon mit HomerSimpson die Frau tauschen durfte.»Extras« lief im <strong>de</strong>utschen Fernsehen unter»ferner liefen«, so ist die gleichzeitige Veröffentlichung<strong>de</strong>r separaten zweiten Staffel sowie <strong>de</strong>rKomplettbox zu begrüßen. <strong>Als</strong> »Anspieltipp« fürZau<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> sei die Folge empfohlen, in <strong>de</strong>r MaggieSamuel L. Jackson für seine tolle Leistung in»Matrix« gratuliert, um sich dann beim Versuch<strong>de</strong>r Vermeidung von Missverständnissen undKlarstellung ihrer Vorurteilslosigkeit bezüglich»race issues« um Kopf und Kragen zu re<strong>de</strong>n.Kommunikation ist <strong>de</strong>r Fettnapf, aus <strong>de</strong>m sichdie Welt schmiert.Michael Schewetzky & Paula Fuchs— »Extras – Die komplette zweite Staffel«& »Extras – Die komplette Serie« (GB 2005-2007; R&D: Ricky Gervais, Stephen Merchant;Turbine)Tribute:InGmar BerGmanMan muss an<strong>de</strong>rer Leute Geniestatussicher nicht immer anstandslosabnicken, aber beim 2007 imAlter von 89 Jahren verstorbenenIngmar Bergman stimmt die Einschätzungvom »größten Regisseuraller Zeiten« vielleicht ja doch.Der Schwe<strong>de</strong> ist für seine strengeFormsprache, <strong>de</strong>n filmischenSymbolismus und seine philosophischeThemenwahl legendär, dabeisind Klassiker wie »Das siebenteSiegel«, »Die Jungfrauenquelle«o<strong>de</strong>r »Das Lächeln einer Sommernacht«überraschend zugänglich,spannend und bis heute mo<strong>de</strong>rn.Die Blu-ray-Version <strong>de</strong>r »IngmarBergman Edition« (StudioCanal)beinhaltet die drei genannten Filmeaus <strong>de</strong>r künstlerischen Hochphaseseines Schaffens, dazu kommensein am euphorischsten rezipiertesWerk »Wil<strong>de</strong> Erdbeeren« und <strong>de</strong>rBonusfilm »... über Leben und Arbeit«.Die Kollektion <strong>de</strong>utet sowohlauf <strong>de</strong>n roten Fa<strong>de</strong>n in BergmansOutput als auch auf die Vielseitigkeit<strong>de</strong>s Regisseurs hin. Zwischenexistenzialistischem Horror undpsychologischer <strong>Intro</strong>spektion gelangenBergman viele Filmmomenteechter menschlicher Wärme undausgesprochener Heiterkeit. DassBergmans Vorstellungen schondamals von kongenialen Kreativpartnernwie Kameramann SvenNykvist verwirklicht wur<strong>de</strong>n, rücktdie Darsteller in ein gutes Licht,zum Beispiel die wun<strong>de</strong>rbare BibiAn<strong>de</strong>rsson. Aber auch als Zuschauerdarf man sich zwischendurch aufdie Schulter klopfen, <strong>de</strong>nn wer sichdiese Box einverleibt, zählt schonals halber Filmkritiker und lerntmit je<strong>de</strong>r Filmsekun<strong>de</strong> fürs Leben.Alexan<strong>de</strong>r Dahas
Morgen 111PauletteEs gibt keine Krise, es gibt nur dieChance, die sich aus ihr ergibt:Im französischen »Breaking Bad«ent<strong>de</strong>ckt eine alte Dame, dass sichmit Spacecakes Geld verdienenlässt.Die Krise macht auch vor <strong>de</strong>m Alter nichthalt: Die 80-jährige Paulette wohnt alleinin einem Vorort von Paris, einemsogenannten sozialen Brennpunkt. Mit ihrergrantigen Art hat sie längst ihre Tochter verjagt,die nur hin und wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Enkel abliefert,<strong>de</strong>n Paulette wegen seiner dunklen Hautfarbewie Dreck behan<strong>de</strong>lt. Um mit ihrer schmalenRente über die Run<strong>de</strong>n zu kommen, muss dieSchreckschraube erfin<strong>de</strong>risch sein. <strong>Als</strong> sie einpaar Jugendliche beim Verkauf von Haschischbeobachtet, sieht sie die Lösung ihrer Geldsorgengekommen. Mutig macht sie <strong>de</strong>n Groß<strong>de</strong>aler<strong>de</strong>r Gegend ausfindig und leiert ihm ein paarGramm für <strong>de</strong>n Straßenverkauf ab. Schnellsteigt die Nachfrage. Da kommt die rüstigeAlte auf eine lukrative I<strong>de</strong>e: Warum nicht ihreLei<strong>de</strong>nschaft fürs Backen mit <strong>de</strong>m Verkauf vonDrogen verbin<strong>de</strong>n?Mit <strong>de</strong>n Spacecakes erobert sie nicht nur dasViertel, son<strong>de</strong>rn auch die Sympathie <strong>de</strong>r Kinogänger.Schließlich macht das grüne Kraut auchdie Hasch-Oma mil<strong>de</strong>. Regisseur Jérôme Enricoerzählt auf märchenhafte Art eine charmanteGute-Laune-Komödie mit einem gut aufgelegtenEnsemble. In <strong>de</strong>r Hauptrolle begeistert dieNouvelle-Vague-Ikone, César-Preisträgerin,Schauspiellegen<strong>de</strong> und Muse Clau<strong>de</strong> Chabrols:Berna<strong>de</strong>tte Lafont. Auch 13 Jahre nach »Grasgeflüster«funktioniert das Prinzip, das dieserKomödie zugrun<strong>de</strong> liegt, prächtig, zumal Kiffenja bekanntlich auch vergesslich macht. Und Omabackt einfach die besten Kekse.Lars Tuncay— »Paulette« (F 2013; R: Jérôme Enrico;D: Berna<strong>de</strong>tte Lafont, Carmen Maura,Dominique Lavanant; Neue Visionen)131012 STC10 <strong>Intro</strong> v1 10/14/13 1:10 PM Seite 1See the sound!SoundTrack_Cologne1021.-27.11.2013www.soundtrackcologne.<strong>de</strong>