088 MORGENBereich ließ. Jetzt kommt er mit gleich zweiparallel erscheinen<strong>de</strong>n Alben zurück. Verdammteindrucksvoll: Auf »Bubblegum« – produziertvon niemand Geringerem als Brand News JesseLacey – fin<strong>de</strong>t Devine <strong>de</strong>n Weg zurück zum altenBand-Sound, teilweise – für seine Verhältnisse– hart, laut und direkt. Kein Wun<strong>de</strong>r, setzensich seine Backgroundmusiker The GoddamnBand doch aus alten Miracle-Of-86-Veteranenzusammen. »Bulldozer«, Album Nummer zwei,dagegen dürfte vor allem all <strong>de</strong>nen gefallen,die Kevin Devine in <strong>de</strong>n letzten zehn Jahrenkennengelernt haben: Klassische Folksongshalten sich die Waage mit catchy Popballa<strong>de</strong>n,die Isobel Campbell (Belle & Sebastian) mitihrer Nachtigallenstimme zusätzlich vere<strong>de</strong>lt.Finanziert wur<strong>de</strong> das Ganze übrigens durch dieCrowdfunding-Site Kickstarter. Ein Miracle of2013 sozusagen.David SchumannDie Gol<strong>de</strong>nen Zitronen»Who’s Bad?«Buback / Indigo / VÖ 27.09.13Kritik / Haltung / Korrektiv»Es ist einfacher, sich dasEn<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Welt vorzustellenals das <strong>de</strong>s Kapitalismus«,schreibt <strong>de</strong>r britische KulturtheoretikerMark Fisherin seinem Buch »KapitalistischerRealismus«.Doch solange Die Gol<strong>de</strong>nen Zitronen nochMusik machen, ist das gar nicht nötig, möchteman entgegnen. Denn eine intelligentere undtreffen<strong>de</strong>re Kritik an <strong>de</strong>n Verhältnissen, wiesie die seit fast 30 Jahren bestehen<strong>de</strong> Band ausHamburg auch auf ihrem neuen Album »Who’sBad?« übt, ist selten. »Privates muss politischsein«, heißt es an einer Stelle und bringt <strong>de</strong>nAnspruch auf <strong>de</strong>n Punkt: die vom System vorgegebeneAlltagsrealität zu sezieren, um <strong>de</strong>renunterdrückerische Elemente freizulegen. BeimSong »Echohäuser«, <strong>de</strong>r mit seinen Versatzstückenaus linken Parolen das Potenzial zurAnti-Gentrifizierungs-Hymne hat, verzeihtman <strong>de</strong>n Zitronen auch die bisweilen holprigenBassläufe und pappigen Drums. Denn in einerZeit, in <strong>de</strong>r man Gesellschaftskritik oft mitzynischer Distanz begegnet, ist diese Band einnotwendiges Korrektiv für eine entpolitisierteGesellschaft.Philipp RhensiusDrake »Nothing Was The Same«UniversalSoft / Smart / R’n’RapDem kanadischen Rapperund Sänger Drake kommtinternational vielleicht dieBe<strong>de</strong>utung zu, die manhier im kleineren Maßstabeinem Casper zuschreibenwür<strong>de</strong>. Will heißen: Je<strong>de</strong>sneue Album eint bereits ungehört <strong>de</strong>n großenKonsens für sich, ruft ob seines umfassen<strong>de</strong>nZuspruchs gleichzeitig aber min<strong>de</strong>stens genausoviele Hater auf <strong>de</strong>n Plan. Wen wun<strong>de</strong>rt’s,Angriffsfläche bieten die Inhalte <strong>de</strong>s wahlweisereimen<strong>de</strong>n, singen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r gar bei<strong>de</strong> Ausdrucksformenvermischen<strong>de</strong>n Künstlers seitjeher, etablierte dieser doch jene neue »Softness«im US-Rap, ohne die es Gleichgesinntewie The Weeknd o<strong>de</strong>r Frank Ocean in dieserForm heute vielleicht gar nicht gäbe. Dennochsollte man nicht <strong>de</strong>r naiven Illusion erliegen,hier ausschließlich einem <strong>de</strong>r »Guten« zu lauschen.Denn bei aller vermeintlichen Ehrlichkeit,mittels <strong>de</strong>r auch wie<strong>de</strong>r auf »Nothing WasThe Same« das Ha<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m eigenen Fame(und allerlei Liebschaften sowieso) thematisiertwird, steht Drake noch lange nicht über<strong>de</strong>m System US-Rap, <strong>de</strong>ssen Unterwan<strong>de</strong>rungihm gerne zugeschrieben wird. Und doch istdas Gesamtpaket, inklusive <strong>de</strong>s exzellenteninstrumentalen Unterbaus, wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rmaßenstimmig ausgefallen, dass man »Nothing WasThe Same« auch einfach getrost als großes Pop-Album feiern darf.Philip FassingFuture Bible Heroes»Partygoing«Merge / CargoChampagner / Statt / WasserPartygoers dieser Welt! EuerLeben ist vergänglich. Ihrlabt euch am Moment. AmRausch. An <strong>de</strong>r Unwie<strong>de</strong>rbringlichkeit<strong>de</strong>r Jugend.Seht eure Apostel. Seht dieFuture Bible Heroes undhört ihre Worte: »Children, drink nothing butchampagne. It makes life shorter than drinkingwater.« Das Leben, das nach BAföG kommt, istgeprägt von Schweiß und Verpflichtung. »Let’sgo to sleep and never come back.« Wenn es malso einfach wäre! Genug <strong>de</strong>r Phrasen, das Prinzip<strong>de</strong>r Future Bible Heroes ist begriffen: Moral wirdpervertiert und auf links gedreht. Der Mann inRobe ist ein Scharlatan und Misanthrop. SeinName: Stephin Merritt (The Magnetic Fields).An seiner Seite: die herrlich morbi<strong>de</strong> ClaudiaGonson. Vor ihnen steht ein Leierkasten, mit<strong>de</strong>m sie die Partygoers zu verwirren versuchen.Aus seinen Boxen dringt knatschiger Lo-Fi-Synthie-Pop in Dur und Moll. Nicht immergenießbar, aber oftmals schwungvoll und völligmit Zuckerguss gesättigt.Holger Wendt
MORGEN 089Guz»Der beste Freund <strong>de</strong>s Menschen«Ritchie / Rookie / Cargo / VÖ 08.11.13Zauber / Pop / StöhnEin bisschen scha<strong>de</strong> wirdman es ja schon fin<strong>de</strong>ndürfen, dass so großartige<strong>de</strong>utschsprachige Acts aus<strong>de</strong>n Neunzigern wie zumBeispiel die Lassie Singerso<strong>de</strong>r auch Guz’ HauptbandDie Aeronauten es so gar nicht in einen größerenKanon außer <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Spezialisten geschaffthaben. Schan<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Mainstream. Dochdieses erneute Soloalbum ist zu schön, umes über einen Mangel zu transportieren. Guzkonzentriert sich hier mehr auf die sanftenMomente, auf das leise Stöhnen – ohne aberseine Pop-Brillanz daheim gelassen zu haben.So reiht sich, man muss es einfach so sagen, Hitan Hit. Und wenn er »Hey Ju<strong>de</strong>« von <strong>de</strong>n Beatleszitiert, weiß die lichte Spezialistencrowd, dass<strong>de</strong>r freundliche Schweizer damit eigentlich DieAeronauten und <strong>de</strong>ren Zitat <strong>de</strong>s Songs zitiert.Alles ein Traum. Wohl <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r jenseits <strong>de</strong>sMainstreams schläft.Linus VolkmannLaurel Halo»Chance Of Rain«Hyperdub / CargoAmbient / Techno / ImproImprovisation ist in Jazzo<strong>de</strong>r Klassik ein gängigesFormat, in an<strong>de</strong>ren Musikbereichenaber selbstverständlichauch vertreten.»Chance Of Rain«, daszweite Album, das die US-Elektronikkünstlerin Laurel Halo offiziell unterihrem eigenen Namen veröffentlicht, ist nuneine Studie in Techno-Improvisation. Und wiebei Improvisationen üblich, sind die von einemKlavier-<strong>Intro</strong> wie -Outro eingerahmten siebenStücke <strong>de</strong>finitiv etwas für Fortgeschrittene: Esklackert hier, blubbert dort, dann taucht einBeat auf, nur um gleich darauf wie<strong>de</strong>r unterzugehen.Man muss schon genau hinhören, umGenuss an <strong>de</strong>r Technik o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Spiel mit <strong>de</strong>nDetroit-Techno-Traditionen zu fin<strong>de</strong>n. Tanzbarist das natürlich nicht, letztlich aber lei<strong>de</strong>r auchnicht interessant genug, um es konzentriert auf<strong>de</strong>m Sofa anzuhören. Laurel Halo wird immermal mit Daniel Lopatin (Oneohtrix Point Never)verglichen, zu <strong>de</strong>ssen experimentellen Visionenhier dann aber doch eine ganze Menge fehlt.Henje RichterGrant Hart»The Argument«Domino / GoodToGoSatan / Alterswerk / Hun<strong>de</strong>gebellDa ist man mal wie<strong>de</strong>r aufeinem Konzert gelan<strong>de</strong>tund fragt sich, was einendazu gebracht hat – nein,nicht als Kritik, son<strong>de</strong>rn sorein musikalisch gesehen.Und ich muss spontan anHüsker Dü <strong>de</strong>nken, was absurd ist, da ich andie schon lange nicht mehr gedacht habe. Unddann fällt mir dieses eine schnarchlangweiligeBob-Mould-Konzert ein, und dass Grant Hartimmer <strong>de</strong>r Coolste <strong>de</strong>r Band war. Die neue Plattebestätigt mich in diesem Eindruck. Thematischhat er sich darauf <strong>de</strong>s viel beschworenenGedichts von John Milton, »Paradise Lost«,angenommen. Inspiriert von <strong>de</strong>r melancholischenStimmung, schrieb Hart ein Doppelalbum,das ein<strong>de</strong>utig sein Alterswerk einläutet.Viel ist hier Altherren-Pop, zu <strong>de</strong>m man sichaber gerne bekennen darf. Deepes <strong>Intro</strong>, danachAmericana, Alternative und auch mal kunstvollSinger/Songwriter (»The Argument«). Und trotz<strong>de</strong>r teilweise fast schon freundlichen Melodiensteht auf textlicher Ebene <strong>de</strong>r Nihilismus wieeine Wand: Kein Wille triumphiert!Lars FleischmannDave Hause»Devour«Rise / CargoVersuchen / Versagen / VerzweifelnEs mag vielleicht daranliegen, dass er seinen Teilan Rotzigkeit schon zurGenüge in Punkbandswie The Loved Ones o<strong>de</strong>rPaint It Black ausgelebthat ... Wo sonst wäre <strong>de</strong>rGrund dafür zu suchen, dass Dave Hause beiseinem zweiten Solowerk größtenteils auf allerauen Ecken und Kanten verzichtet, die manerwartet hatte. Statt<strong>de</strong>ssen fin<strong>de</strong>t sich auf »Devour«ein Sound, <strong>de</strong>r sich manchmal einfachnicht sicher ist, ob er lieber wie die CountingCrows o<strong>de</strong>r wie Billy Bragg klingen mag. Abgesehendavon zeigt sich auf »Devour« vor allem,dass Dave Hause ein talentierter Songwriter ist.Themen wie die generelle Verzweiflung, die einemim Leben so oft begegnet, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zerborsteneamerikanische Traum wer<strong>de</strong>n mit dieserunterschwelligen Bitterkeit beschrieben, dieso schön ist, dass man sich fragt, woher dieserMann mit 35 Jahren schon einen so abgeklärtenBlick aufs Leben hat. Kleine Ausrutscher wie<strong>de</strong>r grässlich schmierige Mitsing-Teil am En<strong>de</strong>von »The Shine« seien dafür locker verziehen.Florian GenauMIRIAM BRYANT14.11.13 STUTTGART15.11.13 MÜNCHEN17.11.13 BOCHUM18.11.13 FRANKFURT20.11.13 KÖLN21.11.13 HA<strong>MB</strong>URG22.11.13 DRESDEN23.11.13 BERLINRADICAL FACE19.11.13 KÖLN20.11.13 BERLIN21.11.13 HA<strong>MB</strong>URG23.11.13 OFFENBACH24.11.13 HEIDELBERG25.11.13 MÜNCHENWOODKID31.10.13 DÜSSELDORF10.11.13 DRESDEN11.11.13 BERLIN06.03.14 HA<strong>MB</strong>URG07.03.14 OBERHAUSEN08.03.14 KÖLN10.03.14 MAINZ11.03.14 MÜNCHENASGEIR26.11.13 HA<strong>MB</strong>URG27.11.13 MÜNSTER29.11.13 BERLIN30.11.13 DRESDEN01.12.13 MÜNCHEN02.12.13 KÖLNAGNES OBEL18.10.13 OLDENBURG31.10.13 FRANKFURT04.11.13 FREIBURG07.11.13 STUTTGART08.11.13 HEIDELBERG12.11.13 ERLANGEN13.11.13 KÖLN14.11.13 DORTMUND12.12.13 HA<strong>MB</strong>URG03.01.14 BERLINTINA DICO30.10.14 BERLIN31.10.14 FLENSBURG01.11.14 BREMEN03.11.14 HA<strong>MB</strong>URG04.11.14 KÖLN05.11.14 STUTTGART06.11.14 DORTMUND08.11.14 ZÜRICH (CH)09.11.14 MAINZ10.11.14 MÜNCHENJAMES VINCENTMCMORROW08.02.14 DORTMUND14.02.14 MÜNCHEN15.02.14 FRANKFURT17.02.14 BERLIN18.02.14 HA<strong>MB</strong>URGSELECTIVE ARTISTSA DIVISION OF A.S.S. 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