066 HEUTEElliott Smiths GästelisteElliott Smiths Songs strahlen eine Magie und Entrücktheitaus, die zahllose Indie-Musiker geprägt haben. Elliotts Art zu singen war einzigartig und berührend.einen <strong>de</strong>r besten und tüchtigsten Songwriter, die je gelebto<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nachhaltig beeindruckt haben. Wir Hinzu kommt die ästhetische Seite sowohl seiner Platten alshaben Wegbegleiter, Musiker-Fans und Journalisten auch seiner Klamotten. Alles wirkte so interessant und gutum Statements zum 2003 verstorbenen Musiker ausgewählt. Sogar sein Tattoo von Ferdinand, <strong>de</strong>m Stier.«gebeten. Alle Stimmen ausführlich auf intro.<strong>de</strong>.Matthew Caws (Nada Surf)»Ich traf Elliott Smith zum ersten Mal 1998 zu Beginn einergemeinsamen achttägigen Tour durch Frankreich. Er undQuasi, die ihn live unterstützten, spielten vor uns, was wirals völlig verkehrt empfan<strong>de</strong>n. Ich»Ich bin dankbar dafür,dass es diese Musik gibt,die sich nicht einordnenlässt und von <strong>de</strong>r ich michumso mehr verstan<strong>de</strong>nfühle, je weniger icherklären kann, warum.«Vera Kropf (Luise Pop)war riesiger Fan. ›XO‹ war gera<strong>de</strong>rausgekommen. Ich weiß noch,wie ich mich ihm vor <strong>de</strong>r erstenShow vorstellte. Nervös versuchteich ganz bewusst, ihn nicht auchnoch nervös zu machen, in<strong>de</strong>mich zu ungestüm mein Fan-Daseinkundtat. Er verhielt sich zunächstreserviert, aber sehr liebenswürdig.Einmal hatten wir einen Off-Dayauf Tour und hingen in einer Barrum. Die Jukebox hatte eine Menge Kinks-Songs, die wirirgendwann stun<strong>de</strong>nlang gemeinsam sangen. Es war einesehr glückliche Nacht für uns alle. Elliott hatte ein anstecken<strong>de</strong>sLachen.Ein Jahr später besuchte ich eine Solo-Show von ihm inNew York. Die Luna Lounge war völlig überfüllt. <strong>Als</strong> wirdanach, als es ruhig war, ein Bier an <strong>de</strong>r Bar tranken, fragteer mich, ob ich auch alleine auftreten wür<strong>de</strong> und ob ich nichtLust auf ein paar gemeinsame Shows hätte. Zunächst warich mir sicher, dass er nur höflich sein und Konversationbetreiben wollte. Erst später wur<strong>de</strong> mir klar, dass er dasernst gemeint hatte. Er war so ein netter Typ.Noch bemerkenswerter als die persönlichen Erlebnissemit ihm aber fand ich seine Shows. Ich sah viele, und je<strong>de</strong>von ihnen war hervorragend. Dass Elliotts Musik so außergewöhnlichwar, liegt sowohl an seinem Talent als auchan seinem Charakter. Er entwickelte sich mit <strong>de</strong>r Zeit zueinem phänomenalen Gitarristen, <strong>de</strong>r seine ganz eigene,mühelos wirken<strong>de</strong> Technik besaß. Er verkörperte ein<strong>de</strong>utig»Alles, was ich an <strong>de</strong>r Gitarre kann, habe ich von meinem Pastor,Neil Young, Co von <strong>de</strong>n Boxhamsters, <strong>de</strong>n Weakerthansund Elliott Smith gelernt. Und nun, für die Aufnahmen zueiner Soloplatte, befin<strong>de</strong> ich mich mit Tobias Kuhn auf <strong>de</strong>mWeg zu einem recht kostspieligen Studio, auf <strong>de</strong>m Weg zu›The Ship‹. Jener Elliott Smith hat hier zu Lebzeiten mehr alsgewirkt. 20° Celsius und ein blauer Himmel im Januar sin<strong>de</strong>in gutes Gefühl. Das Ship ist beheimatet in einem einstöckigenGebäu<strong>de</strong>komplex in Silverlake, in <strong>de</strong>m sich noch zweian<strong>de</strong>re Studios befin<strong>de</strong>n. Allein in Räumen zu sein, in <strong>de</strong>nenSmith Gitarre gespielt hat, gibt mir ein Gefühl von Demutund ›daran wer<strong>de</strong> ich mich noch in 30 Jahren erinnern‹. Ichbin nicht <strong>de</strong>r esoterischste Mensch <strong>de</strong>r Welt, aber etwas istin diesen Räumen geblieben. DerKampf, das Genie, die Hoffnung,die Brillanz und die tiefe, resignierteDunkelheit, die Elliott SmithZeit seiner Karriere auszeichnete,stehen in diesen Räumen wie dieLuft, die wir veratmen und durchdie Röhren <strong>de</strong>r Gitarrenverstärkererhitzen, da wir – aus Angst vor <strong>de</strong>r<strong>de</strong>utschen USA-Krankheit Nummer eins: AC Grippe – <strong>de</strong>nair conditioner nicht anmachen! Hauptmieter <strong>de</strong>s ganzenKomplexes ist Rob Schnapf, <strong>de</strong>r mit Elliott Smith an diversenPlatten gearbeitet hat. Wirsind Fan-Boys. ›Rob, can you tell usstories about Elliott Smith?‹ Elternwer<strong>de</strong>n wissen, wovon ich spreche,wenn ich sage, dass Rob uns erzählthat, dass Smith ein Kin<strong>de</strong>rmagnetwar. Der nicht zu erklären<strong>de</strong> Fakt,dass manche Menschen auf Kin<strong>de</strong>r»Elliott Smith war dasgrößte und gleichzeitigzerbrechlichstemusikalische Genieseiner Zeit.«Marcus Wiebusch (Kettcar)Thees mit Rob Schnapf19992000200206.08.200321.10.2003 12:18 UhrSmith ziehtvon Brooklynnach Los Angeles.Ein Jahrspäter wird sein letztes zuLebzeiten fertiggestelltesAlbum »Figure 8« veröffentlicht.Die Arbeiten am Nachfolger gestalten sichschwierig. Smith wird zunehmend paranoid,gibt an, von einem weißen Lieferwagenverfolgt zu wer<strong>de</strong>n. Nach einem Zerwürfnismit Produzent Jon Brion verwirftSmith alle bisherigen Aufnahmen. Mitseinem Label gerät er in Streit. Mehrmalsdroht er seinem Umfeld mit Selbstmord.Mitte 2001 betragen die Ausgaben fürHeroin und Crack angeblich 1500 Dollar– proJon BrionTag.Endlich behan<strong>de</strong>lt ElliottSmith seine Drogensucht:Er begibt sichfür mehrereWochen insNeurotransmitterRestorationCenter,BeverlyHills.An seinem 34. Geburtstagschwört Smith <strong>de</strong>m Alkohol,Koffein und Psychopharmakaab. Der letzteAuftritt seines Lebens am19.09. in Salt Lake City wirdzugleich <strong>de</strong>r erste, bei <strong>de</strong>mer nüchtern auf <strong>de</strong>r Bühnesteht.Smiths Freundin JenniferChiba ruft einen Krankenwagenzu ihrer gemeinsamenWohnung in 1857Lemoyne Street, L.A. ElliottSmith liegt mit mehrerenStichwun<strong>de</strong>n schwerverletztim Haus.
HEUTE 067eine magische Anziehungskraft ausüben, die irgendwas mitUnschuld, richtiger Ansprache, Kindlichkeit in Erwachsenengrößezu tun hat, die zu Rocksaum-Zupfen, Hand-Nehmen, Vollsabbeln und Fixierung auf diese Person führt.Ein Engel <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r – bis die Abenddämmerung überLos Angeles hereinbricht und Smithmit <strong>de</strong>n eigenen Dämonen kämpft.Die Drogen und Dealer, hingewiesensei auf das unfassbare Stück›Kings Crossing‹, die Kotze und dieSedierung.Wäre es besser, wenn er einfachan einer Tankstelle in Portland gearbeitethätte, bis er 70 ist, o<strong>de</strong>r istes das wert, dass sich jemand einMesser in sein Herz rammt und esdavor geschafft hat, uns die schönsten,dunkelsten, besten, grandiosgetexteten Lie<strong>de</strong>r zu schenken? Lie<strong>de</strong>r, die Tausen<strong>de</strong>n Menschenauf <strong>de</strong>r ganzen Welt Kraft und Re<strong>de</strong>mption geben?Burn out o<strong>de</strong>r fa<strong>de</strong> away. Ich weiß keine Antwort. Ich weißnur: We miss you, Elliott. Du fehlst uns.«Thees Uhlmann»Niemand hat mich in<strong>de</strong>n letzten 20 Jahren sobewegt, so neidisch gemachtund gleichzeitig <strong>de</strong>nunersättlichen Wunsch geschürt,immer mehr dieserSongs zu besitzen.«Ben Schadow (Solo-Künstler & bei<strong>de</strong>r Begemann-Band Die Befreiung)»Elliott Smith war ein genialer Dilettant, <strong>de</strong>r sich innerhalbeiner Szene mit festen Grenzen getraut hat, ein eingefleischtesHardcore/Punk-Publikum mit einer völlig an<strong>de</strong>ren Musikzu konfrontieren. Es ist heute gar nicht mehr nachzuvollziehen,wie revolutionär das damals war. Wür<strong>de</strong> Elliott Smithnoch leben, hätte er das heutige Singer/Songwriter-Klischee<strong>de</strong>finitiv noch ein paar Mal gebrochen und somit <strong>de</strong>n Musikernvon heute die Aufgabe gestellt, sich neu zu erfin<strong>de</strong>n,wenn sie nicht als Schnee von gestern gelten wollen.«Sea + Air»Zur letzten Muff-Potter-Platte haben wir diese Punk-Layout-Fotomontagen-Postkarten aus aller Welt gemacht. Dawar das Foto von <strong>de</strong>r ›Figure 8‹-Wand auf <strong>de</strong>m West SunsetBoulevard in Hollywood natürlich ein schöner Hintergrund.Wir waren da im April2008. Mir war esetwas unangenehm,mich davor fotografierenzu lassen.Zum Glück kamenkeine an<strong>de</strong>ren, richtigenFans vorbei.«Nagel (Autor, ehemalsMuff Potter)»Ich traf Elliott Smith En<strong>de</strong> Mai 1998 für ein kurzes Interviewim Kölner Tingel Tangel Club. Wir sprachen über dasMusikerleben in Portland, seinen Umzug nach Brooklynund die Arbeit am neuen Album ›XO‹. Ich erinnere michvor allem an die Begeisterung, mit <strong>de</strong>r er über seine neuenSongs sprach. Fragen nach seinem damaligen Erfolg mit›Good Will Hunting‹ beantwortete er dagegen schlichtmit: ›Alles, was mich interessiert,ist, Musik zu machen. Über allesan<strong>de</strong>re habe ich keine Kontrolle.‹«Christoph Büscher (Autor <strong>de</strong>rSmith-Story aus <strong>Intro</strong> #57)»Elliott Smiths ›Either/Or‹ beiNacht auf einem krächzen<strong>de</strong>n altenPlattenspieler. Ist selbst ohneWein und an<strong>de</strong>res Ballerzeugsimmer wie<strong>de</strong>r so, als wäre ich fürdie Dauer von ›Between The Bars‹,›Angeles‹ & Co. festgeschnallt amBo<strong>de</strong>n und gezwungen, auf einNeues die nicht greifbare Machtvon Musik zu erkennen, nur um siedann trotz<strong>de</strong>m nicht zu verstehen.»Er ist die düstere Rückenfigur<strong>de</strong>r Singer/Songwriter-Posse,die Schönheit,Melancholie, Hass und dieBitterkeit <strong>de</strong>r Abgrün<strong>de</strong> aufeine Art zusammenführt,die mit seinem Suizid eineTrueness bekommt, dieeinem beim Hören von›Everything Means NothingTo Me‹ die Tränen in dieAugen treibt.«Christin (Zucker)Das er<strong>de</strong>t, spornt ungeheuer an und motiviert dazu, immerweiter zu suchen, ohne zu fin<strong>de</strong>n. Ich hoffe, das bleibt fürimmer genau so.«Patrick Richardt21.10.2003 13:36 Uhr19.10.20042007Smith wird im Krankenhaus für tot erklärt. Der Autopsie-Bericht kommt zu keinem ein<strong>de</strong>utigen Ergebnis.Allgemein wird von Selbstmord ausgegangen,auch wenn die Selbsttötungdurch ein Messer ausgesprochen seltenist und oft misslingt. Zwar fin<strong>de</strong>tsich eine kurze Abschiedsnotiz, einigeSchnittwun<strong>de</strong>n scheinen <strong>de</strong>m Bild einerSelbsttötung jedoch zu wi<strong>de</strong>rsprechen.Elliott Smiths Tod gibt bis heute Anlassfür Verschwörungstheorien.Ein Jahr nachSmiths Tod erscheint»FromA Basement OnThe Hill«, das fünfzehnStücke aus Smiths letztenSessions beinhaltet. SmithsFamilie engagiert für dieFertigstellung seinen Ex-Produzenten Rob Schnapf.Eine Sammlungbisher unveröffentlichterSongs aus <strong>de</strong>n1990ern wird unter <strong>de</strong>mTitel »New Moon« auf <strong>de</strong>nMarkt gebracht. Zusätzliche100 Stücke sollen bisherunveröffentlicht gebliebensein.<strong>Intro</strong> – Die Woche #84Noch mehr Elliott Smith inunserem iPad-Spezialvom 18.10.2013