112 MorgenSpieleBeyond: Two SoulsEs gibt nur wenige Computerspiel-Regisseure, <strong>de</strong>ren Werke so polarisieren wie die <strong>de</strong>s Franzosen David Cage.Ist das aufwendige, dynamisch erzählte Epos »Beyond« nun ein geniales Unikat o<strong>de</strong>r doch nur ein bemühtesBlockbuster-Ungetüm? Die Wahrheit liegt auch beim »Heavy Rain«-Nachfolger irgendwo in <strong>de</strong>r Mitte.Min<strong>de</strong>stens zwei Spielebewiesen 2013 bereits,dass sich die Historievon Vi<strong>de</strong>ospielen verän<strong>de</strong>rnkann und diese in<strong>de</strong>r Lage sind, Geschichten überFiguren zu erzählen, die <strong>de</strong>n Spieleremotional wirklich auch erreichen.Sowohl das fotorealistische»The Last Of Us« als auch das viaCell-Shading in einfachster Flash-Animation erzählte »The WalkingDead« boten packen<strong>de</strong> Storys. DieCharaktere ließen Fernsehen o<strong>de</strong>rKino vergessen.Nun liegt »Beyond: Two Souls«,<strong>de</strong>r dritte Kandidat, im Laufwerk.Regisseur David Cage ist es mitseinem Team von Quantic Dreamgelungen, nahezu je<strong>de</strong>r Figureine wirkliche Seele in die Augenzu legen. Endlich fühlt man sichals Spieler direkt angesprochen.Sprache und Bewegung <strong>de</strong>r Figurenwirken wie eine Einheit.Dabei mag es nicht unbe<strong>de</strong>utendgewesen sein, dass Ellen Page alsJodie Holmes und Willem Dafoeals Nathan Dawkins die Hauptrollenin diesem Spiel übernommenhaben. Automatisch schenkt man<strong>de</strong>n von ihnen gespielten FigurenAufmerksamkeit und will wissen,welche Geschichte sie erleben.Jodie lebt seit Geburt mit <strong>de</strong>r Anwesenheiteiner übernatürlichenKraft namens Ai<strong>de</strong>n, Nathan willsie erforschen und nutzen. Werals Spieler die Bereitschaft mitbringt,die Kombination aus ungewöhnlicherSpielmechanik un<strong>de</strong>rzähltem Vi<strong>de</strong>ospiel mit ständigneuen Entscheidungsabfragenauf sich wirken zu lassen, erlebttatsächlich ein Unikat, das esso noch nicht gegeben hat.An <strong>de</strong>n Stellen, wo »Beyond:Two Souls« jedoch ein ganznormales Spiel mit Schießen,Fahren o<strong>de</strong>r Laufen ist,wirkt es latent unausgereiftund hölzern. Vielleicht hätteCage sich nicht zu je<strong>de</strong>r klassischenSpielemechanik eine Alternativeaus<strong>de</strong>nken dürfen, <strong>de</strong>nn die ständigeVerän<strong>de</strong>rung unterbricht auchimmer wie<strong>de</strong>r die Konzentrationauf die Geschichte. Selbst die 28verschie<strong>de</strong>nen En<strong>de</strong>n, die das Spielhaben kann, sind wenig hilfreich,wenn <strong>de</strong>r erzählerische Weg zuihnen durch die Zeitensprüngeverwirrt.Viele Filme von berühmtenKino-Regisseuren wur<strong>de</strong>n erstdurch <strong>de</strong>n Schnitt einer ganzan<strong>de</strong>ren Person zu einemMeisterwerk. Auch DavidCage bräuchte einen Gegenpart,<strong>de</strong>r ihm manchmalseine Spielzeuge wegnimmt.Eines ist ihm aber auf je<strong>de</strong>nFall gelungen: Augen, die endlichnicht mehr wie Murmelnaussehen.Gregor Wil<strong>de</strong>rmann— »Beyond: Two Souls« für PS3(Quantic Dream / Sony)
Morgen 113Rocksmith 2014Drei FraGenan Willem DafoeSie verbrachten für »Beyond«viele Wochen in einem Motion-Capturing-Studio. Ist <strong>de</strong>r Regisseureines solchen Vi<strong>de</strong>ospiels miteinem Filmregisseur vergleichbar?Willem Dafoe: Sein Job ist <strong>de</strong>rgleiche. Er sagt ähnliche Dinge,er gibt ähnliche Anweisungen.Aber sein Ansatz unterschei<strong>de</strong>tsich, und die technische Weiterverarbeitungunserer Arbeit machteinen großen Anteil <strong>de</strong>s Projektsaus. <strong>Als</strong> Schauspieler vergisst mandas nicht. Auf einer Theaterbühnegibt es direkten Augenkontakt mit<strong>de</strong>m Zuschauer. In diesem Spielverwan<strong>de</strong>le ich mich in einen digitalenCharakter, <strong>de</strong>r an einemvirtuellen Ort etwas erlebt. Ichmuss also nicht überlegen, ob einfalscher Bart o<strong>de</strong>r irgen<strong>de</strong>in Hutin <strong>de</strong>m bestimmten Moment eineWirkung entfalten.Wie hat David Cage Sie von <strong>de</strong>mProjekt überzeugt?Es war ganz einfach. Er ist da eineArt One-Man-Show. Es ist seinpersönliches Projekt, wo er Regisseurist und er das Projekt leitet.Es ist das, was man eine »labourof love« nennt. Das Konzept wirkteauf mich sehr speziell und neu. Dashat mich gereizt. Zumal ich ehrlichsagen kann, dass ich von Vi<strong>de</strong>ospielenabsolut keine Ahnung habe.Was haben Sie aus <strong>de</strong>m Projekt alsSchauspieler gezogen?Ich habe früher schon Motion-Capturing-Aufnahmen gemacht.Aber es gab noch nie ein Projekt,wo ich über eine so lange Zeit einso langes Drehbuch, 2000 Seiten,durchgespielt habe. Du spielst 50bis 60 Seiten am Tag, häufst Materialüber Material an. Das ist sehrinteressant. Man wird von nichtsabgelenkt.Interview: Gregor Wil<strong>de</strong>rmannDas Musikspiele-Revival <strong>de</strong>r Nullerjahreversetzte die Gaming-Branche vor circasieben Jahren in Wallung. In je<strong>de</strong>m zweitenWohnzimmer wur<strong>de</strong> mittels »SingStar« undCo. Karaoke gesungen o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n buntenPlastikgitarren o<strong>de</strong>r Drum-Kits von »GuitarHero« und »Rock Band« herumgedrückt. Bis<strong>de</strong>r Markt völlig übersättigt war, weil Fans schonalles hatten, was sie wollten.Wer nur oberflächlich hinsieht, könnte dasUbisoft-Projekt »Rocksmith«, bei <strong>de</strong>m via Kabeleine echte Gitarre o<strong>de</strong>r Bass an Konsole o<strong>de</strong>r PCgesteckt wird, unter diesen Trend subsumieren.Die Darstellung <strong>de</strong>r Griffbrett-Tabulatur wirktbekannt, und <strong>de</strong>r Spielspaß speist sich aus <strong>de</strong>mgleichen emotionalen Arsenal – man spielt seineLieblingssongs auf <strong>de</strong>r Gitarre nach.Doch gera<strong>de</strong> die Fortsetzung <strong>de</strong>s 2012 erschienenenGames unterstreicht jetzt, wie ernstsich das Spiel in <strong>de</strong>m Aspekt nimmt, für <strong>de</strong>nes eigentlich gemacht wur<strong>de</strong>: Es will einemGitarrespielen wirklich beibringen. Zu diesemZweck wur<strong>de</strong>n zahllose Features überarbeitetund erweitert. Die Latenz, also <strong>de</strong>r zeitlicheAbstand zwischen <strong>de</strong>m Saiten-Anschlag undKlang über <strong>de</strong>n Fernseher, die beim Vorgängermitunter noch ein echtes Problem darstellte, istGeschichte. Dank <strong>de</strong>s neuen, anpassbaren Riff-Features lassen sich zu<strong>de</strong>m einzelne Passageneines Songs nun individuell in Schwierigkeitund Geschwindigkeit anpassen und so leichterlernen. Der Master-Mo<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> komplettüberarbeitet und das Auswendig-Lernen <strong>de</strong>r 50mitgelieferten Stücke (unter an<strong>de</strong>rem mit Songsvon Ramones, Arctic Monkeys, Iron Mai<strong>de</strong>n,Jack White, Mastodon, Radiohead, Rise Against,Slayer, The Shins, The Smashing Pumpkins undWeezer) vereinfacht.Fast schockierend realistisch gestaltet sich <strong>de</strong>rSession-Mo<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>m man auf Bass o<strong>de</strong>r GitarreNext Level Conference 2013zur KI jammt. Dabei ist nicht nur <strong>de</strong>r virtuelleSchlagzeuger in <strong>de</strong>r Lage, sich <strong>de</strong>m Spieler inBezug auf Geschwindigkeit, Rhythmus undLautstärke anzupassen, dasselbe gilt auch für 75weitere Instrumente – vorausgesetzt, man hältsich halbwegs an die eingeblen<strong>de</strong>ten Töne einerTonart. Das Ergebnis rückt die Lernsimulation»Rocksmith 2014« erschreckend nah an dieProberaum-Wirklichkeit. Willkommen in <strong>de</strong>rCyber-Band.Jakob Schramma— »Rocksmith 2014« für PC, Mac, Xbox 360 und PS3(Ubisoft)Am 6. und 7. Dezember ist es wie<strong>de</strong>r so weit: MitVorträgen, Panels, Performances, Workshopsund Ausstellungen zur Kunst, Kultur und Wirtschaft<strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>ospiele fin<strong>de</strong>t die Next Level Conferenceerneut statt, diesmal im Dortmun<strong>de</strong>r U,<strong>de</strong>m Zentrum für Kunst und Kreativität. Noch<strong>de</strong>utlich länger, bis zum 3. Januar 2014, ist dieAusstellung »Computerspielen – PerspectivesOf Play« zu sehen, die sich unter an<strong>de</strong>rem mit<strong>de</strong>n Wechselbeziehungen zwischen Computerspielenund <strong>de</strong>r Gesellschaft auseinan<strong>de</strong>rsetzt.Weitere Infos zu allen teilnehmen<strong>de</strong>n Experten,Künstlern und Referenten fin<strong>de</strong>n sich unterwww.next-level.org.— 06.+07.12. Dortmund, U