13.07.2015 Aufrufe

Als PDF herunterladen (36.54 MB) - Intro.de

Als PDF herunterladen (36.54 MB) - Intro.de

Als PDF herunterladen (36.54 MB) - Intro.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

060 HEUTEGesundheitlicheProblemeSeit Mitte <strong>de</strong>r Nullerjahrelei<strong>de</strong>t Paddy McAloon unterHör- und Seheinschränkungen.Neben einem ernstenTinnitus hat er mit einergerissenen Netzhaut zukämpfen, was ihn äußerstlichtempfindlich wer<strong>de</strong>nließ. Liveauftritte sind<strong>de</strong>shalb unmöglich.Klingt doch alles ganz gut, o<strong>de</strong>r?Die Ungeduld ist mein Problem. Ich habe zwar einen Laptop,um die Dinge auch selbst machen zu können, aber ich kannihn nicht benutzen. Ich kann noch nicht einmal eine E-Mailverschicken o<strong>de</strong>r eine CD brennen. Aber dafür weiß ich, wieich alles ans Mischpult anschließen muss – und ab da kannes mein Ingenieur in die Hand nehmen und ausbalanciertabmischen. Ich muss mich, wie gesagt, nur lei<strong>de</strong>r auf dieLeute verlassen, die all die Preset-Sounds anlegen: Auf dasssie wissen, was sie da tun. Vor fünfzehn Jahren wollte ichein neues System angehen, aber all diese Handbücher ... Unddann war da noch diese Schere als Symbol, die ich hasste,ich mag einfach keine intuitiven Dinge.Das Album-Cover verweist in seinem minimalen Expressionismusauf die Textzeile»See what the blind manpaints? Abstract expressionistsaints« im Song »ListOf Impossible Things«. Istdas für dich eine beson<strong>de</strong>rswichtige Textzeile?Es ist eine dieser Textzeilen,die einen großen Verweisraumaufmachen. Beson<strong>de</strong>rs,wenn <strong>de</strong>r Künstler, <strong>de</strong>r siegeschrieben hat, nicht sehenkann, wie gut seine Arbeit ist.Ich habe damit nicht direktauf meine Probleme anspielenwollen, zumin<strong>de</strong>st nicht nur.»Es geht um <strong>de</strong>nmysteriösenProzess, wieDinge in die Weltkommen. <strong>Als</strong>Künstler tut manDinge, damit sieeinen im bestenFall überleben.«Es geht um <strong>de</strong>n mysteriösen Prozess, wie Dinge in die Weltkommen. <strong>Als</strong> Künstler tut man Dinge, damit sie einen imbesten Fall überleben.Am Anfang <strong>de</strong>s Schreibens steht immer die Leere. Insofernbin ich selbst überrascht, wenn etwas herauskommt, das zuhören es wert ist. Ich bin kein Billy Bragg, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit<strong>de</strong>r Welt ha<strong>de</strong>rt und darüber schreiben muss.Bei mir entsteht alles aus <strong>de</strong>m Tag heraus – und aus einemersten gefun<strong>de</strong>nen Bild, das alles Folgen<strong>de</strong> ermöglicht. An»List Of Impossible Things« habe ich lange geschrieben.Nicht dass <strong>de</strong>r Song so kompliziert wäre und dies ihn bessermachen wür<strong>de</strong>, es war nur so, dass ich für je<strong>de</strong> Zeile einstarkes Startbild suchte, das in <strong>de</strong>r Summe zu <strong>de</strong>m führt,was einen Menschen ausmacht. Zeilen wie »engage in anew noble cause« ... Acht Jahre hat das gedauert. Fast gutist eben nicht gut – man muss <strong>de</strong>n Nagel ganz reinschlagen.Guter Punkt. Da passt die kokette Zeile aus <strong>de</strong>m Song»Billy«: »I’ve got no gift for music ... tell me all your secrets.«Dieser Song hingegen entstand sehr schnell. Er war sofortzur Gänze in mir präsent, sodass ich ihn beim ersten Malgar nicht been<strong>de</strong>te, da ich wusste, ich könnte immer wie<strong>de</strong>rzurückkehren und ihn dann fertigstellen. Vielleicht han<strong>de</strong>lt<strong>de</strong>r Song vom Songwriting – viele Songs thematisierendiesen Prozess. Natürlich ist es lustig zu texten, man habekein Talent für Musik. Aber es gibt diese Tage wirklich, an<strong>de</strong>nen ich <strong>de</strong>nke, niemand mag meine Musik. Und selbstwenn <strong>de</strong>m so wäre, dann wür<strong>de</strong> das noch lange nicht be<strong>de</strong>uten,dass es so bliebe.Deine Songs schienen schon immer in <strong>de</strong>r Tradition vonLeuten wie George Gershwin und Irving Berlin zu stehen,bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Prozess <strong>de</strong>s Schreibens die Hauptaktivitätwar und es nicht unbedingt darum ging, wer wo spätermit ihnen leben wür<strong>de</strong>.Ach, bei<strong>de</strong>s stimmt irgendwie. Es ist je<strong>de</strong>nfalls kein gutesGefühl, auf Inspiration zu warten, <strong>de</strong>nn so schreibt maneinfach weniger Songs im Lauf <strong>de</strong>r Zeit. Ich habe keineMusiktheorie studiert, das hätte <strong>de</strong>n Prozess für mich nurlänger und schmerzhafter gestaltet. Wenn ich auf die Songsvon einem Album wie »Swoon« zurückblicke, so wirken sieheute seltsam auf mich: die Bil<strong>de</strong>r, die Akkor<strong>de</strong>, aus einemNebel <strong>de</strong>r völligen Ignoranz zu mir kommend. Aber mirging es immer auch darum, etwas Gutes zu machen. Mit <strong>de</strong>rZeit lernt man, und das hat etwas von Berlin und Gershwin,geschäftstüchtiger zu wer<strong>de</strong>n. Deadlines helfen. Selbstwenn ich keine habe, sage ich manchmal zu mir, dass dasStück bald für einen imaginierten Film fertig wer<strong>de</strong>n muss.Du sagtest einmal, dass du es nicht magst, wenn TexteBotschaften in sich tragen. Ist das nicht sehr gewagt füreinen Texter, <strong>de</strong>r sich mit <strong>de</strong>m Universum, <strong>de</strong>r Religionund <strong>de</strong>r Liebe beschäftigt?Das war auf Propaganda-Songs bezogen. Das Genre kenntzwar auch einige schöne Beispiele, aber da komme ich ebennicht her. Ich musste glücklicherweise nie einen Song wie»Strange Fruit« [Dead Kennedys] o<strong>de</strong>r »What’s Goin’ On?«[Marvin Gaye] schreiben, bei <strong>de</strong>nen man sofort spürt, welchschwere Aufgabe auf <strong>de</strong>n Songwritern lag. Darin wäre ichauch gar nicht gut. Bob Dylan hat es irgendwann gehasst,dass er zum sozialen Gewissen Amerikas gewor<strong>de</strong>n war – erhörte daraufhin auf, Songs mit erhobenem Zeigefinger zuschreiben. Sonst betrachten dich die Leute als selbstgerechtenPolitiker.Für mich ist ein Song eine Ansammlung von Bil<strong>de</strong>rn, diein sich ein offenes En<strong>de</strong> trägt. Nicht dass man die Dingeobskur und unzugänglich machen muss, aber ein bisschenPoetry darf es schon sein, das macht doch die Schönheit<strong>de</strong>s Songwritings aus.»Adolescence« ist ein sehr persönlicher Song über dieTeenagerzeit. Geht es da um dich, o<strong>de</strong>r hast du <strong>de</strong>n Songfür <strong>de</strong>ine Kin<strong>de</strong>r geschrieben?Bei<strong>de</strong>s. Für <strong>de</strong>n Song habe ich bewusst mit sehr starkenBil<strong>de</strong>rn gearbeitet, das geht nicht immer, aber hier passtees: »Adolescence what’s it like, it’s a psyche<strong>de</strong>lic motorbike.«Wenn ich so lyrisch schreibe wie hier, dann geht es um <strong>de</strong>nrichtigen Ton. Wenn man an die Pubertät <strong>de</strong>nkt, dann kannman alles sagen, es muss nur unangenehm sein – man solltedabei schwitzen und unglücklich sein, aber irgendwie aucherregt. Darum geht es mir im Kern, weniger um meine eigeneJugend, auch wenn das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Bild im Songtext aufmich zutrifft; übrigens nicht die, von <strong>de</strong>nen man es <strong>de</strong>nkt.Wenn ich an meine Teenagerzeit <strong>de</strong>nke, dann kommt mirmeine erste Zigarette in <strong>de</strong>n Kopf – das war mit 15 im Kinobei Franco Zeffirellis »Romeo und Julia«. Damals durfte mannoch im Kino rauchen! Was für eine Kombination: Teenagersein, rauchen und einen Film über die Pubertät schauen –kein Wun<strong>de</strong>r, dass ich »Cigarette« mit »Juliet« in <strong>de</strong>n Reimschicken musste. Die Arbeit an <strong>de</strong>m Song begann vor neunJahren! <strong>Als</strong> ich ihn letztes Jahr wie<strong>de</strong>r hervorholte, fand icheinige Dinge nicht mehr so richtig gut, ergänzte <strong>de</strong>n letztenVers um das Bild <strong>de</strong>s Astronauten, <strong>de</strong>r in eine purpurroteExplosion hineingerät, jene Titel stiften<strong>de</strong> Farbe, die wiralle aus <strong>de</strong>n Teenagerjahren von unseren Wangen kennen.Meine Kin<strong>de</strong>r sind nicht so sehr an meiner Musik interessiert.Sie wissen, was ich tue, aber ich bin halt ihr Vater.Wahrscheinlich interessieren sich ihre Lehrer mehr für mich.Die fragen tatsächlich manchmal, was ich so treibe – undmeinen Kin<strong>de</strong>rn fällt dann erst auf, dass sie selbst schonlange nicht mehr gefragt haben. Insofern stimmt es schon:Der letzte Vers ist für sie geschrieben, eine Nachricht für<strong>de</strong>n nicht mehr weiten Tag, wenn sie alt genug sein wer<strong>de</strong>n.Fühlst du <strong>de</strong>nn noch das Wun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Jugend in dir? Es

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!