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Panorama - GELD-Magazin

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COVER ° Schuldenkriseglatt übergangen. Die Kritik zielt zwangsläufignicht nur auf die EU-Kommission,sondern auch auf den EU-Rat mit den einzelnenRegierungen, die ja letztlich dieMaßnahmen der EU mittragen. Beratenwerden alle von den großen US-Banken –sei es über Lobbyisten oder durch eigeneMitarbeiter –, denen die Ratingagenturenmit getürkten Länder-Beurteilungen in dieHände gearbeitet haben und damit höhereZinsen für Staatsanleihen herauspressten.Beide Gruppen werden übrigens vonidenten Kernaktionären beherrscht (das<strong>GELD</strong>-<strong>Magazin</strong> berichtete). Das klingt zwarwie Verschwörungstheorie, ist aber knallharteRealität.neoklassische Theorienverschärften die KriseTichy weist in seiner Studie überdiesnach, dass die gegenwärtige Rezession inEuropa und die Krise der Peripherie-Länderkeineswegs eine Euro-Krise und auchnicht direkt die Folge der Schaffung derWährungsunion seien, sondern vielmehrAusdruck der Krise des Finanzsystems. Erverwies auf die Studie der Harvard-ProfessorenKenneth Rogoff und Carmen Reinhardt,die über die Jahrhunderte nachwiesen,dass meistens Bankenkrisen den Staatsschuldenkrisenvorangegangen sind. Tichypostuliert folgerichtig, dass die Fehleinschätzungender EU-Politiker und insbesonderedie falsche Einschätzung der Mechanismeneiner Währungsunion die Krisenoch verschärft hätten. Verantwortlich fürdie Analysefehler und die daraus folgendeWahl der falschen Maßnahmen ist nachMeinung von Tichy zu einem nicht geringenTeil die neoklassische Dominanz unterHaushaltssaldo Österreichs von 2003 bis 2013 (in Milliarden Euro)den Beratern der Politiker. Auch denakademischen Ökonomen seien manchezentrale Wirkungsmechanismen erst imLaufe der Fehlentwicklungen bewusst geworden.Diese Meinung hatten vor Kurzemauch Ökonomen des IWF vertreten und daraufdas Manko bei der Krisenbewältigungzurückgeführt.2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013*-3,72 -10,72 -4,42 -4,34 -2,72 -2,84 -11,39 -12,82 -7,78 -9,06 -6,73Quelle: IMF, © Statista 2013Die Statistik über den Haushaltssaldo in Österreich bezieht sich auf die Zahlen des Gesamtstaats und beinhaltet das Budget desZentralstaats, der Länder, der Gemeinden und Kommunen sowie der Sozialversicherungen. Ein positiver Wert bedeutet einenStaatsüberschuss, ein negativer Wert ein Staatsdefizit. Im Jahr 2012 betrug das Staatsdefizit Österreichs geschätzt rund 9,1Milliarden Euro.Deutsche Kanzlerin Angela Merkel:„Warum soll man nicht Kompetenzen von derEU zurück holen?“Mär von der Selbstregulierung„der Märkte” widerlegtGunther Tichy räumt auch mit demnaiven Glauben von der Selbstregulierungder Märkte auf. So etwa, wenn Leistungsbilanzdefizitein Brüssel als Reaktion auf renditegesteuerteKapitalströme dargestelltwürden. „Eindeutig falsch“, lautet das Urteildes Ökonomen nach eingehender Überprüfungdieser neoklassischen Interpretation,insbesondere betreffend die EU-Krisenländeran der Peripherie. Denn die Defizitehätten in Wahrheit ernste Strukturproblemein diesen Ländern signalisiert. Die EuropäischeKommission habe sich zwar ab derHerbstprognose 2008 für die Ungleichgewichtein den Leistungsbilanzen interessiert.Aber Hilfsmaßnahmen bei Zahlungsbilanzproblemensind für die Länder derWährungsunion mit ihrem Fixkurssystembewusst ausgeschlossen.Tichy widerlegt auch die gängige neoklassischeTheorie des Zinsmechanismus,wonach ökonomische oder politische Fehlentwicklungeneines Landes sehr rasch eine„Bestrafung“ durch Zinsaufschläge seitens„des Marktes“ zur Folge hätten. Dabei gehter noch gar nicht darauf ein, dass die internationalenGroßbanken wie JPMorganChase oder Goldman Sachs jeden Preis aufdieser Welt durch den Einsatz von Derivaten,durch konzertierte Aktionen oderheimliche Absprachen manipulieren – egal,ob es Zinssätze, Rohstoffe, Edelmetall-,Energie-, Aluminium- oder Agrargüterpreisesind (siehe Seiten 28/29).Bankenkrise als wahre Ursacheder SchuldenkriseHinsichtlich des Platzens der Immobilien-Blasein den USA mit den verheerendenAuswirkungen auch in Europa verweistTichy darauf, dass dies die Behauptungder Zentralbanker (gemeint sind wohldie amerikanischen Notenbank-PräsidentenAlan Greenspan und Ben Bernanke,Anm.) erschüttert habe, dass spekulativeBlasen einerseits extreme Ausnahmen wärenund andererseits gar nicht rechtzeitig zuerkennen seien, weshalb die Zentralbankennie etwas dagegen unternehmen würden.Aber selbst eine stärkere Beachtung derPreise von Vermögensbestandteilen durchdie Zentralbanken werde nicht genügen.Neue Instrumente und weitergehende ordnungspolitischeMaßnahmen seien unverzichtbar,um zu verhindern, dass sicheuropäische Banken zu stark in hochriskantenFinanztransaktionen engagieren,wie sie das bis 2008 und dann bereits wiederab 2010 taten.creditS: Archiv20 ° <strong>GELD</strong>-MAGAZIN – September 2013

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