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Panorama - GELD-Magazin

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BUCHBESPRECHUNGKRISENANALYSEKapitalismus, was tun?Schriften zur KriseWolfgang FreislebenSahra Wagenknecht ist eine lebende Provokationfür das deutsche Establishment.Etwa so, wie es vor 45 Jahren DanielCohn-Bendit war. Beiden gemeinsam isteine blendende Rhetorik. Und nicht zuletztdeswegen schafften es beide ins Europa-Parlament in Brüssel – sie von 2004 bis2009, er sitzt heute dort. Sahra Wagenknechtstammt aus der ostdeutschen StadtJena und wird als seelentreue Kommunistinangesehen, auch wenn ihre Mitgliedschaftin der Kommunistischen Plattform seit Februar2010 ruht. Stattdessen sitzt sie im Parteivorstandder deutschen Partei „Die Linke“,in deren ideologischer Mitte sie sich selbersieht. An ihrer Ablehnung des Kapitalismusändert das aber nichts. Das spricht ausjeder Seite des vorliegenden Buches, das imÜbrigen eine Zusammenfassung ihrer beidenBestseller „Kapitalismus im Koma“ und„Wahnsinn mit Methode“ ist. Vieles regtzum Denken an, manches zum Widerspruch.Sie ist sich jedenfalls sicher: „Es gabselten ein System, das so wenige Profiteureund so viele Verlierer hatte wie der heutigeKapitalismus. Es gibt keinen Grund, sichmit ihm und in ihm einzurichten.“ Und siehat gute Chancen, dass ihr Warren Buffett,der angeblich reichste Mann der USA (wenndas veranlagte Kapital wirklich sein Eigentumwäre), zustimmt. Denn der hat immerhineingeräumt: „Es stimmt, war haben einenKlassenkampf … und er wird von meinerKlasse geführt – und sie wird ihn gewinnen.“Und sie ist eine verschwindendeMinderheit.Kapitalismus und überhaupt das gegenwärtigeWirtschafts- und Finanzsystem istihr Thema, in dem sie überzeugend zu Hauseist. Die 44-Jährige ist daher gern gesehenerGast in TV-Diskussionen. Und mit ihrergeschliffenen Rhetorik und Sachkenntnisauch gefürchtet. Als Gegenspielerin vonManagern und rechten Marktwirtschaftlern.Immerhin hat sie erst im August 2012ihre Dissertation im Fach Volkswirtschaftslehreabgegeben und zwei Monate später diemündliche Prüfung zum Dr. rer. pol. mitmagna cum laude abgelegt. Seit August2012 verfasst sie in der ostdeutschen TageszeitungNeues Deutschland regelmäßig Artikelin der Kolumne „Der Krisenstab“.Sie schreibt über die Finanzkrise, Banken,Spekulationsblasen und Staatsverschuldung.Themen, von denen alle betroffensind, die aber nur wenige verstehen. Sieerklärt, was tatsächlich geschieht. SahraWagenknecht meißelt viele Fakten in ihrBuch, die inzwischen von den Medien ausgeblendetwerden. Sie liefert Hintergründeund Zusammenhänge. Und weist auf dieabsehbaren Konsequenzen hin, indem siekomplizierte Sachverhalte aus ihrer Sichterklärt. Sie enttarnt auch jene, die blindlingsdem Mantra von Deregulierung, Privatisierungund Marktorientierung das Wort reden,als unkritische Gefolgsleute des Neoliberalismus.Als Zeugen kann sie sich aufniemand Geringeren als den Super-FinanzkapitalistenJosef Ackermann berufen. EinstDeutsche Bank-Chef mit der Prophezeiungvon fabelhaften Jahresrenditen über 20 Prozent,musste er im März 2008 eingestehen,er glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräftedes Marktes und fordere daher „einekonzertierte Aktion von Notenbanken, Anlegernund Regierungen, um dieses Zusammenschmelzenvon Werten endlich zu beenden“.Ackermann blieb nicht der einzigemit dem Hilfeschrei. Letztlich mussten dieUSA zweistellige Billionenbeträge aus Steuergeldernder Klassenfeinde locker machen,KAPITALISMUS, WAS TUN? SCHRIFTEN ZUR KRISEDr. Sahra Wagenknecht. Verlag Das Neue Berlin.400 Seiten.um die wildgewordene Finanzbranche mitihren superreichen Bossen und Kernaktionärenvor dem sicheren Tod zu bewahren.Was bei Sahra Wagenknecht zu kurzkommt, ist die Differenzierung zwischenIndustrie- und Finanzkapitalismus. Der wesentlicheMangel des Buches liegt aber wohldarin, dass es aus vielen Gedankensplitternohne systematische Strukturierung in einemgrößeren Zusammenhang besteht. JedesKapitel steht für sich, ohne logische Abfolgeoder Zusammenhang. Hier hat sich die Autorinwohl den Feinschliff erspart, um dasBuch rechtzeitig vor der Bundestagswahlauf den Markt zu bringen. Schade drum.Aber es ist dennoch lesenswert. Keine leichteKost eben. Aber durchaus auch etwas fürzwischendurch, wofür die Unterteilung innicht zusammenhängende, aber präzis benannteKapitel wiederum von Vorteil ist.Es ist jedenfalls ein lesenswertes Buch,geradezu ein Nachschlage-Kompendiummit fast 400 eng bedruckten Seiten, in denendie Wirtschafts- und Finanzwelt umfassendseziert wird. Damit eignet es sichauch bestens für Leser, deren weltanschaulicheHeimat nicht „links“ ist. Denn sie politisiertnicht, sonder ist bemüht, eher technokratischzu analysieren. Natürlich ist esauch ein gesellschaftskritisches Werk. Aberdas ist auch jede Nationalratswahl.CREDITS: beigestellt82 ° <strong>GELD</strong>-MAGAZIN – SEPTEMBER 2013

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