Agenda 2030 - Schwerpunktthema im Global Compact Deutschland 2015
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Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Wieland: Ja. Die SDGs <strong>im</strong>plizieren, dass ihre Realisierung<br />
nicht die Aufgabe spezieller Entwicklungsländer ist, sondern<br />
dass wir uns alle entwickeln müssen. Menschenrechts- und<br />
Sozialstandards sind keine Spezialitäten der „Dritten Welt“,<br />
sondern auch etwa in <strong>Deutschland</strong> auf der <strong>Agenda</strong>. Natürlich<br />
gibt es Unterschiede, aber wir müssen hier vom hohen<br />
Ross runter und unseren Teil zur Entwicklung beitragen.<br />
Armutsbekämpfung und Urbanität sind sicherlich in vielerlei<br />
Hinsicht regional geprägt und daher auch die Programme und<br />
das Engagement. Aber gleichzeitig sind sie auch gemeinsame<br />
Probleme. Das setzt aber voraus, dass wir, wie eingangs besprochen,<br />
dieses Gemeinsame der nachhaltigen Entwicklung<br />
tatsächlich verstehen. Darin sind wir noch nicht gut geübt.<br />
Wir sind darin verhaftet, in Kategorien wie Familie, Regionen,<br />
Länder und wenn es hoch kommt Nationalstaaten zu denken.<br />
Aber wir sind derzeit nur ungenügend in der Lage, europäisch<br />
geschweige denn global zu denken. Das wird ja gerade politisch<br />
sehr deutlich ausgetestet!<br />
Staaten sind oft gar nicht mehr finanziell oder strukturell in der Lage,<br />
diesen Aufgaben nachzukommen. Da könnten Unternehmen in diese<br />
Bresche einspringen. Das klingt erst mal gut, aber macht man damit<br />
nicht den Staat am Ende des Tages funktions- und damit nutzlos und<br />
fördert damit sogar Politikverdrossenheit?<br />
Wieland: In einer globalen Welt werden die herkömmlichen<br />
Rollenverteilungen neu justiert. Aber weder der Nationalstaat<br />
noch die europäische Ebene werden deshalb unwirksam oder<br />
gar überflüssig, sondern wir sehen neue Akteure in neuen Rollen.<br />
Was allerdings nicht mehr funktioniert, ist eine einfache<br />
Welt, in der der Staat Regeln und deren Erzwingungsmechanismen<br />
setzt und alle folgen. Regierungen und Verwaltungen<br />
kommen mehr und mehr in die Situation, den Dialog mit<br />
anderen Stakeholdern aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft zu<br />
suchen und zu organisieren. Multistakeholder-Dialoge sind<br />
beispielsweise solche neuen Governance-Strukturen, mit denen<br />
wir versuchen, globale Steuerungsdefizite auszugleichen.<br />
Stelle des Shareholder Value ist der Shared Value getreten,<br />
was wir aber nicht mit Wohlfahrts- und Sozialstaatsdenken<br />
verwechseln dürfen.<br />
Noch ist dieser Gedanke von Chancengerechtigkeit und Fairness nicht<br />
so verbreitet. Kommt das langsam in den Köpfen der Manager an?<br />
Wieland: Niemand kann heute wirtschaftlich erfolgreich sein,<br />
ohne zu berücksichtigen, dass jedes Unternehmen auch eine<br />
moralische Seite hat. Das ist genau der Mentalitätswandel,<br />
der sich sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wirtschaft<br />
gegenwärtig vollzieht. Bisher sind Manager gewohnt, in erster<br />
Linie auf die Börse oder auf Absatzzahlen als Erfolgsindikatoren<br />
zu schauen. Heute gilt es, moralische und andere normative<br />
Erwartungen in der strategischen und operativen Führung<br />
von Unternehmen zu berücksichtigen.<br />
Helfen dabei die 169 Ziele der SDGs? Kann das eine Grundlage sein, um<br />
da andere Formen von Instrumenten und Indikatoren zu entwickeln?<br />
Das heißt, auch Unternehmen bekommen hier neue Aufgaben<br />
hinzu und damit natürlich auch neue Verpflichtungen. In<br />
internationalen Dokumenten spricht man hier von Risk Based<br />
Due Diligence, also risikobasierten Sorgfaltspflichten. Und<br />
das ist nicht trivial, sondern birgt erhebliche Risiken, wenn<br />
wir etwa an die Themen Menschenrechte oder Beschwerdemechanismen<br />
denken.<br />
Sie wollen Unternehmen also daran erinnern, dass sie Teil der Gesellschaft<br />
sind und deshalb auch Pflichten haben?<br />
Wieland: Das Buch von Adam Smith heißt „The Wealth of<br />
Nations“ und nicht „The Wealth of Shareholders“. Deshalb<br />
müssen sich Leitung, Management und Sozialpartner sehr<br />
genau Gedanken darüber machen, was das für das eigene<br />
Geschäftsmodell bedeutet: Was wird die künftige Antriebstechnologie<br />
für Autos sein? Werden wir überhaupt noch<br />
Autos akzeptieren, um Mobilitätsfragen zu beantworten? Wie<br />
wird die Energieversorgung von morgen aussehen? Welche<br />
Technologien und Logistik braucht urbanes Leben? >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
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