Agenda 2030 - Schwerpunktthema im Global Compact Deutschland 2015
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Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
nierung einen vertrauensvollen, persönlichen<br />
Dialog. Zudem dienen die<br />
Workshops dem Austausch zwischen<br />
verschiedenen Produktionsbetrieben und<br />
schaffen damit eine konstruktive Wettbewerbsatmosphäre.<br />
Es wird offen über<br />
Missstände in den Produktionsbetrieben,<br />
deren Ursachen sowie über Ziele und<br />
Verbesserungsmaßnahmen diskutiert<br />
und ein konkreter Aktionsplan erarbeitet.<br />
„Ich habe viel <strong>im</strong> WE Programm<br />
gelernt. Seitdem werden Probleme in<br />
unserer Fabrik schnell und zuverlässig<br />
gelöst“, berichtet etwa die 35-jährige<br />
Usha, die als Näherin in einer Fabrik<br />
in Indien arbeitet, die Bekleidung und<br />
He<strong>im</strong>textilien u. a. für Tchibo herstellt.<br />
In einem Projektzeitraum von ein bis<br />
zwei Jahren werden die Betriebe von<br />
lokalen Trainern unterstützt, die mit<br />
der Sprache und der Kultur des Produktionslandes<br />
vertraut sind. Dies erleichtert<br />
es den Teilnehmern, die Inhalte der<br />
Trainings anzunehmen. Bevor sie die<br />
Funktion eines Vermittlers zwischen den<br />
verschiedenen Parteien übernehmen<br />
können, durchlaufen die angehenden<br />
Trainer eine mehrstufige Ausbildung, in<br />
der sie sowohl Fachwissen zu Umweltund<br />
Sozialstandards als auch Moderationskompetenzen<br />
erwerben. Bis heute<br />
haben schon 40 Trainer eine Ausbildung<br />
absolviert und die Betriebe mit ihrem<br />
Fachwissen und be<strong>im</strong> Aufbau einer Dialogstruktur<br />
unterstützt. Als Ergänzung<br />
zu den Workshops finden regelmäßig<br />
Betriebsbesuche statt, <strong>im</strong> Rahmen derer<br />
Schulungen mit der Belegschaft durchgeführt<br />
sowie der Umsetzungsstand der<br />
Aktionspläne bewertet und gegebenenfalls<br />
Strategien angepasst werden.<br />
2007 aus einer Entwicklungspartnerschaft<br />
mit der Deutschen Gesellschaft für<br />
Internationale Zusammenarbeit GmbH<br />
(GIZ) und dem Bundesministerium für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) heraus entstanden und<br />
in einer mehrjährigen Pilotphase erprobt,<br />
hat Tchibo das Programm inzwischen auf<br />
alle strategischen Lieferanten ausgeweitet.<br />
Inzwischen werden 75 Prozent aller<br />
Tchibo-Produkte in Betrieben gefertigt,<br />
die an dem WE Programm teilgenommen<br />
haben. Dazu zählen momentan 320 Fabriken<br />
in Bangladesch, China und Thailand<br />
sowie in Äthiopien, Indien, Kambodscha,<br />
Laos, Türkei und Vietnam. Und<br />
das Programm zeigt Wirkung: So sind<br />
vielerorts die Löhne gestiegen, und in<br />
vielen Betrieben wurden Arbeitnehmervertretungen<br />
sowie zusätzliche Sozialleistungen<br />
wie Unterkünfte, Kantinenessen<br />
und Freizeitmöglichkeiten eingeführt.<br />
Verbesserungen konnten auch in Sachen<br />
Arbeitsschutz sowie bei der Rückkehrquote<br />
nach den Betriebsferien erreicht<br />
werden. „Wir haben damit gezeigt, dass<br />
es eben doch geht, Verbesserungen für<br />
die Beschäftigten in der Lieferkette zu<br />
erreichen“, sagt Bergstein. Aber auch aus<br />
wirtschaftlicher Perspektive macht sich<br />
das Programm bezahlt: Denn die steigende<br />
Zufriedenheit der Mitarbeiter wirkt<br />
sich auch positiv auf die Produktqualität<br />
und den wirtschaftlichen Erfolg der<br />
Produktionsstätten aus. „Sozialstandards<br />
und Wettbewerbsfähigkeit sind kein<br />
Widerspruch“, bringt Bergstein es auf<br />
einen Nenner.<br />
Obwohl <strong>im</strong> Rahmen des WE Programms<br />
beispielsweise Lohnerhöhungen von 30<br />
bis 50 Prozent gelingen, klafft vielerorts<br />
<strong>im</strong>mer noch eine große Lücke zu einem<br />
sogenannten existenzsichernden Lohn.<br />
Und auch dort, wo eine bessere Vergütung<br />
erreicht wird, führt dies nicht<br />
zwangsläufig zu besseren Lebensbedingungen,<br />
wie das Beispiel Bangladesch<br />
zeigt. Hier berichteten uns Fabrikarbeiter,<br />
dass die Erhöhung des Lohns <strong>im</strong><br />
Umfeld einzelner Fabriken unmittelbare<br />
Mietsteigerungen zur Folge hatte. Dieser<br />
Effekt ist landesweit bei Mindestlohnsteigerungen<br />
bekannt und eine Folge davon,<br />
dass in Bangladesch hierzu bisher keine<br />
Regulierung erlassen wurde.<br />
Diese Erfahrungen haben Tchibo darin<br />
bestärkt, dass systemische Veränderungen<br />
nur gemeinsam mit anderen Stakeholdern<br />
angestoßen werden können.<br />
Tchibo setzt daher auf die Zusammenarbeit<br />
mit allen beteiligten Akteuren<br />
aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften<br />
und Zivilgesellschaft. So hat Tchibo<br />
beispielsweise das Gebäudesicherheitsund<br />
Brandschutzabkommen für Bangladesch,<br />
den „Accord on Fire and Building<br />
Safety“, <strong>im</strong> Jahr 2012 mitinitiiert.<br />
Zudem engagiert sich Tchibo in der<br />
Initiative ACT (Action, Collaboration,<br />
Transformation) on Living Wages für<br />
branchenweite, faire Tarifverhandlungen<br />
und damit existenzsichernde Löhne<br />
für alle Beschäftigten in der Textilindustrie<br />
– unabhängig davon, für welche<br />
Marke oder welchen Hersteller in der<br />
Fabrik produziert wird. Ganz nach dem<br />
Motto des WE Programms: Wir, das<br />
heißt gemeinsam handeln!<br />
Weitere Informationen zu WE unter<br />
www.we-socialquality.com oder www.tchibo.de/we<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
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