FALSTAFF KARRIERE 05/2017 - POWERED BY HOGASTJOB.COM
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Handwerk<br />
Gschwendtner setzt<br />
auf Selbstgemachtes.<br />
»Es ist für mich zur<br />
Lebensaufgabe geworden,<br />
mich den ursprünglichen<br />
Rezepturen und den damit<br />
verbundenen Geschichten<br />
zu widmen.«<br />
JÜRGEN GSCHWENDTNER<br />
Küchendirektor »Meissl & Schadn«<br />
Das ehemalige k. u. k. Restaurant<br />
stand einst für die gepflegte<br />
Rindfleischküche und erlebt<br />
nun am neuen Standort eine<br />
Wiedergeburt. Küchendirektor<br />
Jürgen Gschwendtner widmete sich fünf<br />
Monate lang der intensiven Recherche nach<br />
alten Rezepturen mit den dahinterstehenden<br />
Geschichten, um dem »Meissl & Schadn«<br />
einen ehrwürdigen Start zu bieten.<br />
<strong>KARRIERE</strong> Herr Gschwendtner, was war<br />
die Herausforderung bei der Eröffnung des<br />
»Meissl & Schadn« und der vorherigen Entwicklung<br />
der Speisekarte und Ausrichtung?<br />
JÜRGEN GSCHWENDTNER Die Geschichte<br />
hinter den Gerichten und die unverfälschten,<br />
ursprünglichen Rezepturen. Ich habe auch<br />
quasi Geschichtsunterricht bei Ingrid<br />
Haslinger genommen. Durch den Austausch<br />
und die umfangreichen Recherchen sind<br />
beispielsweise die Assietten – die Wiener<br />
Einschiebspeisen – auch auf unserer Speisekarte<br />
gelandet.<br />
Sie beleben die Geschichte rund um die<br />
Wiener Küche wieder?<br />
Genau, denn wie wir die Gerichte zubereiten,<br />
so werden sie meist gar nicht mehr zubereitet.<br />
Wir haben jedes Gericht erforscht. Mein<br />
Büro ist mittlerweile ein Museum. Ich habe<br />
Kochbücher aus dem 17. Jahrhundert bis<br />
1920. Auf diese Rezepturen beschränken wir<br />
uns. Für mich ist es schon eine Lebensaufgabe<br />
geworden, mich mit der Geschichte und<br />
der Wiener Kultur zu beschäftigen. Wir leben<br />
diese vom Rindfleischteller bis hin zum versilberten<br />
Besteck.<br />
Auch hat mich hier Annette Ahrens von der<br />
Tafelkultur unterstützt.<br />
Die Karte des »Meissl & Schadn« liest sich<br />
köstlich, wie beispielsweise Markknochen,<br />
Kaisergulasch, Rahmlinsen Esterházy und<br />
noch vieles mehr. Wie nehmen die Gäste die<br />
Gerichte auf?<br />
Die Menschen haben viel vergessen – aber<br />
die Geschichte gibt so viel her, dass man sich<br />
nichts Neues einfallen lassen muss, sondern<br />
nur das Alte wieder auf den Tisch bringen.<br />
Unsere Gäste sind begeistert, dass wir Kalbsnieren,<br />
Rahmherzen und viele andere Innereiengerichte<br />
auf unserer Karte haben. Leider<br />
ist dies in anderen Lokalen viel zu selten der<br />
Fall. Natürlich haben einige Lokale diese<br />
Gerichte immer wieder einmal, aber nicht<br />
dauerhaft und meist auch nicht nach der<br />
originalen Rezeptur.<br />
Welcher Unterschied zu früheren Zeiten ist<br />
Ihnen gravierend aufgefallen?<br />
Die Zeit. Früher hatten Menschen noch Zeit,<br />
um zu essen. Sie nahmen sich die Zeit. Essen<br />
wurde zelebriert. Die Menschen kamen an<br />
einem Tisch zusammen und haben in Ruhe<br />
ihre Suppe, ihre Hauptspeise gegessen. Sie<br />
nahmen sich die Zeit, um wirklich zu schmecken<br />
und die Gerichte auch zu erleben.<br />
Strudel finden sich auf Ihrer Karte und Ihre<br />
Gäste haben sogar die Möglichkeit, sich<br />
selbst beim Ölteigziehen auszuprobieren.<br />
Strudel ist ein großes Thema. Früher waren<br />
Strudel Hauptspeisen und keine Desserts.<br />
Aber spannend ist, dass wir herausgefunden<br />
haben, dass Milchrahmstrudel der erste Strudel<br />
gewesen ist. Es ist gut, den Menschen<br />
wieder zu zeigen, wie die einzelnen Gerichte<br />
hergestellt werden. Es ist eine never-endig<br />
Story. Beginnt man erst einmal mit den<br />
Recherchen, kann man gar nicht mehr damit<br />
aufhören. Und so wird sich auch unsere<br />
Karte immer wieder verändern. Wir wissen<br />
noch nicht genau, wohin der Weg geht.<br />
Wichtig ist es mir, dass unsere Speisen auffallen<br />
und somit begeistern.<br />
Respektvoller Umgang<br />
Mit Bedacht recherchiert<br />
Gschwendtner die Rezepturen,<br />
die er umsetzt.<br />
Fotos: Königshofer<br />
Stichwort Rindfleischteller – diese haben<br />
Sie eigens anfertigen lassen?<br />
Philipp Aigner hat den Rindfleischteller 1896<br />
patentieren lassen. Ich habe diesen unendlich<br />
lange gesucht und auch gefunden. Einen Teil<br />
haben wir originalgetreu anfertigen lassen.<br />
JÜRGEN GSCHWENDTNER<br />
Nach Stationen als Küchenchef beim<br />
Nobelitaliener »Casa Veccia« in Klosterneuburg,<br />
am Luxusschiff Seabourne<br />
Pride und beim Edelcaterer »DO & CO«<br />
entschied sich Geschwendtner, die Position<br />
als Küchendirektor im »Grand Ferdinand«<br />
und »Meissl & Schadn« anzunehmen.<br />
Wiener Küche<br />
Die originalen Rezepte<br />
in der Schauküche<br />
zu erleben, ist einmalig.<br />
<strong>05</strong>/<strong>2017</strong><br />
karriere falstaff<br />
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