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Procycling 05.2019

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mit 4:23 Minuten, nur 33 Sekunden langsamer<br />

als der heutige Weltrekord. Der britische Profi Phil<br />

Thomas musste 750 Pfund Strafe zahlen, weil er<br />

zwei Zeilen Werbung auf der Shorts hatte, während<br />

der russische Goldmedaillengewinner im<br />

Sprint, Sergej Kopylow, vom amerikanischen<br />

Team aus dem Hotel geschmuggelt und in eine<br />

Disco mitgenommen wurde, wo er sich amüsierte<br />

und den Abend auf der Tanzfläche verbrachte, bis<br />

ihn seine KGB-Aufpasser abholten.<br />

In Goodwood hatte es die unvermeidliche Panik<br />

unter den Anwohnern gegeben, die anfangs<br />

nicht wussten, in welchem Umfang die Straßen<br />

gesperrt werden sollten. Als sie es begriffen, fingen<br />

die Einwohner an, Geschäfte zu machen, indem<br />

sie Tee und Erfrischungsgetränke verkauften.<br />

Einer verlangte 100 Pfund, damit die Ordner bei<br />

ihm auf die Toilette gehen konnten, und versuchte,<br />

Werbefläche auf seinem Haus für mehrere<br />

Tausend Pfund zu vermieten. Das Finale entsprach<br />

nicht dem Reglement, das vorsah, dass<br />

es einen geraden Kilometer geben musste, also<br />

wurde es ein paar Tage vor dem Rennen noch einmal<br />

umgebaut – für 1.000 Pfund.<br />

Es gab jedoch dieses Mal keine Beschwerden,<br />

dass der Kurs zu leicht sei. Das Mannschaftszeitfahren<br />

am Dienstag, dem 1. September, wurde<br />

zum Glücksspiel, als starker Regen Steinchen auf<br />

die Straße spülte und jede Menge Reifenschäden<br />

und Stürze verursachte. Die Polen hatten sechs<br />

Plattfüße, die Briten sieben, die USA fünf. Zu den<br />

Teams, die immun waren, gehörte das holländische<br />

Quartett, von denen zwei Fahrer – Gerrit<br />

Solleveld und Maarten Ducrot – später die Hauptrollen<br />

im Superconfex-Team unter Jan Raas spielten.<br />

Zu dem Schweizer Quartett, das Silbermedaillen<br />

gewann, gehörte der spätere Tour-Star<br />

Urs Zimmermann, während das ostdeutsche<br />

Team, das Vierter wurde, das spätere Grüne Trikot<br />

der Tour, Olaf Ludwig, umfasste.<br />

Am Samstag wurde das Straßenrennen der<br />

Amateure von einem erschöpften Bernd Drogan<br />

aus Ostdeutschland gewonnen, während der britische<br />

Held Pete Sanders sich in der entscheidenden<br />

Ausreißergruppe hervortat, sein blaurotes<br />

Trikot schweißnass an einem glühend heißen Tag<br />

in Sussex. Der Vormittag war der Höhepunkt für<br />

die heimischen Fans, als Mandy Jones aus Lancashire<br />

das Straßenrennen der Frauen gewann.<br />

Es war ein vorausgesagter Titel für Jones, die erst<br />

20 Jahre alt war und zwei Jahre zuvor auf dem<br />

schweren alpinen Rundkurs von Sallanches Bronze<br />

geholt hatte. In jener Saison gewann sie den<br />

Circuit du Loiret, aber aus britischer Sicht hatte<br />

sie vor allem Beryl Burton endlich menschlich<br />

erscheinen lassen, nachdem sie ein Vierteljahrhundert<br />

lang alle Zeitfahren in Großbritannien<br />

dominiert hatte.<br />

Burton, die einzige Britin, die vor Jones einen<br />

Weltmeistertitel gewonnen hatte, wurde von der<br />

BBC während einer regenbedingten Pause in<br />

Leicester interviewt und brachte ihre Enttäuschung<br />

über ihre Nichtnominierung zum Ausdruck,<br />

obwohl sie 45 Jahre alt war. Doch in jenem<br />

Im Finale waren Boyer, Zoetemelk, Kelly,<br />

LeMond und der spätere Sieger Saronni vorne.<br />

Sommer brachte Jones der Frau aus Yorkshire<br />

beim Zeitfahren sowohl über zehn als auch über<br />

50 Meilen Niederlagen bei – das erste Mal in<br />

20 Jahren, dass Burton bei einer Meisterschaft<br />

in einem direkten Duell geschlagen wurde.<br />

Am großen Tag gewann Jones im Burton-Stil,<br />

indem sie sich auf der 38 Meilen kurzen Strecke<br />

acht Meilen vor dem Ziel als Solistin absetzte. Sie<br />

startete eine erste Attacke in der Abfahrt in der<br />

zweiten von vier Runden und fuhr 30 Sekunden<br />

heraus, bevor sie von einem Verfolgerinnentrio<br />

um Maria Canins, Gerda Sierens aus Belgien und<br />

der Deutschen Sandra Schumacher eingeholt<br />

wurde. Darauf folgte eine letzte Attacke an der<br />

Kuppe des Anstiegs vor dem Ziel, als noch eine<br />

Runde zu fahren war.<br />

Das Straßenrennen der Profis wurde von Jimmy<br />

Kain gestartet, einem der Gründerväter der British<br />

League of Racing Cyclists, 98 Jahre alt, der im folgenden<br />

Frühjahr starb. Es war brutal – „ein Abbrand<br />

von einer Wildheit, die nie zuvor in Britannien<br />

gesehen wurde“, berichtete Cycling – mit<br />

einer auf 26 Fahrer geschrumpften Spitzengruppe,<br />

die das Finale bestritt. Den ersten Angriff lancierte<br />

Bernard Vallet, vermeintlich, um den Boden<br />

für Bernard Hinault zu bereiten, aber der vierfache<br />

Toursieger war im Finale von der Rolle, nachdem<br />

100 PROCYCLING | MAI 2019

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