Procycling 05.2019
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DIE BERGE DES GIRO<br />
ETAPPE<br />
13<br />
ETAPPE<br />
9<br />
S A N<br />
MARINO<br />
LÄNGE: 12,5 KM /<br />
Ø-STEIGUNG: 3,9 %<br />
San Marino – Fläche 61 Quadratkilometer,<br />
Bevölkerung 33.000 –<br />
ist berühmt für seine kunstvollen<br />
Briefmarken und sein Bankgeheimnis,<br />
aber die bevorzugte Visitenkarte des<br />
Zwergstaats sind 1.700 Jahre ununterbrochene<br />
Unabhängigkeit. „Willkommen<br />
im alten Land der Freiheit“, heißt es auf<br />
dem Wegweiser an der Straße von Rimini.<br />
Auf einer Anhöhe im Apennin zwischen<br />
der Emilia-Romagna und den Marken<br />
gelegen, ist San Marino ausgesprochen<br />
italienisch in seinem Flair, aber formal<br />
Ausland. Es hatte bereit regelmäßig Giro-<br />
Etappen zu Gast, doch als die Grande<br />
Partenza 1965 in dem Bergstaat begann,<br />
ging es als erstes Rennen auf ausländischem<br />
Boden in die Geschichtsbücher ein.<br />
Der diesjährige Besuch, der erste seit<br />
1998, ist auch vertraut, weil es das neunte<br />
Mal sein wird, dass San Marino ein<br />
Bergzeitfahren ausrichtet. Frühere Sieger<br />
auf solchen Etappen sind Charly Gaul,<br />
Felice Gimondi, Eddy Merckx, Giuseppe<br />
Saronni, Roberto Visentini und Pawel<br />
Tonkow. Wie diese früheren cronoscalate<br />
führt der Kurs der 9. Etappe vom Meer<br />
in die Berge; er beginnt in Riccione an der<br />
Adria und führt via Faetano nach San<br />
Marino auf 648 Meter Höhe. Der Anstieg<br />
kann kaum als gnadenlos bezeichnet<br />
werden und liegt den starken Fahrern<br />
eher als den reinen Kletterern. 1998<br />
konnte Marco Pantani trotz zahlloser<br />
Fans aus dem nahe gelegenen Cesenatico<br />
Alex Zülle an diesen Hängen auf einer<br />
Straßenetappe (die Andrea Noè gewann)<br />
nur drei Sekunden abnehmen.<br />
COLLE DEL<br />
NIVOLET/<br />
CERESOLE<br />
REALE<br />
LÄNGE: 20,3 KM /<br />
Ø-STEIGUNG: 5,9 %<br />
Moment mal, Jungs – Mauro<br />
Vegni hat eine tolle Idee. Der<br />
Colle del Nivolet wurde 1969<br />
auf der Kinoleinwand unsterblich in der<br />
Schlussszene von The Italian Job, wo<br />
der Bus mit Michael Caine und Co. bei<br />
deren Versuch, ihr gestohlenes Gold<br />
in Sicherheit zu bringen, über dem Abgrund<br />
hängt. Die beeindruckenden<br />
Haarnadelkurven am Lago Serrù schienen<br />
immer ein natürliches Amphitheater<br />
für ein Radrennen zu sein, aber der<br />
Nivolet ist noch nie für ein Profirennen<br />
genutzt worden. 2019 gibt der Anstieg<br />
nun endlich sein Debüt bei der Corsa<br />
Rosa als großes Finale der 13. Etappe.<br />
Der Nivolet beginnt in Noasca und zieht<br />
sich 20 Kilometer hin, führt auf dem Weg<br />
nach oben durch den Ort Ceresole Reale,<br />
zu Zeiten der Römer ein Zentrum des<br />
Berg baus. Die Straße wird am Lago di<br />
Ceresole flacher, bevor sie auf den letzten<br />
sechs Kilometern wieder deutlich aufsteilt;<br />
hier erreichen die Steigungsgrade im<br />
Schnitt fast neun Prozent und könnten<br />
einigen Fahrern um die Ohren fliegen. Der<br />
Nivolet ist einer der höchsten asphaltierten<br />
Bergpässe Europas, aber Vegni hat die<br />
Ziellinie ein Stückchen vor dem Gipfel gezogen,<br />
auf 2.247 Meter Höhe. Angesichts<br />
des Schneefallrisikos im späten Frühjahr<br />
weiß der Giro-Direktor, dass der Abstecher<br />
in dünne Luft am Nivolet ein filmreifer Balanceakt<br />
werden könnte.<br />
MAI 2019 | PROCYCLING 63