Procycling 05.2019
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NACHLESE<br />
Fahrer im Fokus<br />
TOM DUMOULIN<br />
WAS WIR<br />
DIESEN MONAT<br />
GELERNT HABEN<br />
Deceuninck ist<br />
nicht unschlagbar<br />
© Getty Images<br />
Tom Dumoulin ist gut unterwegs. Er hat<br />
den Giro d’Italia 2017 gewonnen und war<br />
Zweiter des Giro und der Tour im letzten<br />
Jahr. Er ist wohl der größte Favorit für den diesjährigen<br />
Giro in einem gut besetzten Feld, und er<br />
hat verlauten lassen, dass er anschließend die<br />
Tour de France bestreiten will. Mit einem Regenbogentrikot<br />
im Zeitfahren liegt er voll auf Kurs<br />
und könnte seine Karriere sogar mit einem Gelben<br />
Trikot krönen.<br />
Doch Dumoulin ist mehr als ein starker Zeitfahrer,<br />
der in den Bergen mit den Besten mithalten<br />
kann. Er ist ein Rundfahrer und hat 20 seiner<br />
letzten 25 Etappenrennen in den Top Ten beendet.<br />
Aber er entwickelt auch Ambitionen bei Eintagesrennen.<br />
Er war Elfter bei Mailand–San Remo<br />
in diesem Frühjahr und Vierter des WM-Straßenrennens<br />
Ende 2018. Beide Male erreichte er das<br />
Finale in derselben Gruppe wie der Sieger.<br />
Dumoulin hat einiges zu tun, wenn er ein<br />
Eintagesrennen gewinnen will. Bei Mailand–<br />
San Remo und der Weltmeisterschaft musste er<br />
aus dem Peloton zur Spitzengruppe aufschließen.<br />
Die gute Nachricht ist, dass er am Ende extrem<br />
langer Rennen zu Weltklasseleistungen fähig ist;<br />
die schlechte ist: Wäre sein Timing besser gewesen<br />
oder wäre er aktiver gewesen, hätte er den<br />
Ausreißern sofort folgen oder den Angriff selbst<br />
anzetteln und sich damit in eine bessere Lage<br />
bringen können.<br />
Diese Rennen haben uns daran erinnert, dass<br />
er kein Sprinter ist. Nichtsprinter können Ein-<br />
tagesrennen gewinnen – sie müssen nur dafür<br />
sorgen, dass sie das Finale in einer einköpfigen<br />
Gruppe erreichen. Dumoulin ist fähig, am Ende<br />
eines Monuments – besonders eines hügeligen<br />
– oder eines langen Klassikers eine höhere Geschwindigkeit<br />
aufrechtzuerhalten als fast jeder<br />
andere. Er wird sich wahrscheinlich in den nächsten<br />
Jahren auf sein Hauptziel, die großen Rundfahrten,<br />
konzentrieren, aber seien Sie nicht überrascht,<br />
wenn er gelegentlich mit einem Resultat<br />
bei einem Eintagesrennen auftaucht.<br />
DUMOULINS<br />
EIN TAGES-TOP-15<br />
Mailand–San Remo 2019 11.<br />
Straßenweltmeisterschaft 2018 4.<br />
Lüttich–Bastogne–Lüttich 2018 15.<br />
Clásica San Sebastián 2017 4.<br />
Strade Bianche 2017 5.<br />
Straßenweltmeisterschaft 2015 11.<br />
GP de Montréal 2014 6.<br />
GP de Québec 2014 2.<br />
Strade Bianche 2014 12.<br />
GP de Wallonie 2013 6.<br />
Rund um Köln 2012 5.<br />
Deceuninck startete genau so in die Saison<br />
2019, wie das Team das ganze 2018 verbracht<br />
hatte: mit dem Gewinn von Eintagesrennen.<br />
Es hielt sich dran: Omloop, Kuurne,<br />
Samyn, Strade Bianche, San Remo, E3 …<br />
Aber es gab Risse in der Rüstung. De Panne,<br />
Gent–Wevelgem und Dwars door Vlaanderen entglitten<br />
der Mannschaft, und Zdenek Štybar war<br />
sich beim E3 seines Sprints nicht sicher genug,<br />
um nicht zuerst zu versuchen, die Spitzengruppe<br />
anzugreifen (er hätte sich keine Sorgen machen<br />
müssen – die Körner, die seine Rivalen bei der<br />
Verfolgung des Solo-Angriffs durch Deceuninck-<br />
Fahrer Bob Jungels verschossen hatten, hatten sie<br />
genügend geschwächt, damit sein Sprintsieg eine<br />
Formalität war).<br />
Die Rivalen von Deceuninck wird ermutigt<br />
haben, dass Elia Viviani bei De Panne und Gent–<br />
Wevelgem den Sprint verlor. Dylan Groenewegen<br />
war bei De Panne einfach schneller, während Viviani<br />
bei Gent–Wevelgem nach einem schnellen,<br />
aggressiven Rennen, das ständig eine neue Form<br />
annahm, im Finale ebenfalls ausgepowert war.<br />
Der Italiener mag in einem kürzeren, flacheren<br />
Rennen sehr schnell sein, doch in einer verzweifelt<br />
erschöpften Gruppe am Ende eines windigen<br />
Kopfsteinpflaster-Klassikers konnte er der Härte<br />
eines Alexander Kristoffs nichts entgegensetzen.<br />
Beim Dwars door Vlaanderen wurde der Fahrer,<br />
der in diesem Jahr einer von Deceunincks stärksten<br />
Kopfsteinpflaster-Fahrern war, Bob Jungels,<br />
im Sprint einer Fünfergruppe geschlagen.<br />
Die wirkungsvollsten Waffen von Deceuninck<br />
sind – in dieser Reihenfolge – Julian Alaphilippe<br />
und Stärke in der Tiefe. Alaphilippe hat bei Mailand–San<br />
Remo gezeigt, dass er in den kommenden<br />
Jahren eine Klassiker-Macht sein wird. Aber<br />
außer ihm sind ihre jetzigen Fahrer schlagbar,<br />
selbst wenn sie zusammen eine formidable Einheit<br />
bilden. Ihre Rivalen finden gerade heraus, wie<br />
man das ausnutzen kann.<br />
84 PROCYCLING | MAI 2019