Procycling 05.2019
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RETRO<br />
1982<br />
EIN ITALIENISCHER FAN<br />
WURDE FESTGENOMMEN,<br />
WEIL ER DIE STRASSE VOR<br />
DEM RENNEN ANGEMALT<br />
HATTE; ER WOLLTE ZWEI<br />
AMERIKANER<br />
UNTERSTÜTZEN.<br />
einer Autorennstrecke in Goodwood in Suffolk<br />
basierte. Die Acht, die der Kurs in Goodwood<br />
beschrieb, sollte von den Profis 17-mal, von den<br />
Amateuren zwölfmal und von den Frauen nur<br />
viermal absolviert werden, während das 100-Kilometer-Mannschaftszeitfahren<br />
der Amateure<br />
weitgehend auf dem Straßenrundkurs beruhte.<br />
Wie sich später herausstellte, hätte es, wenn<br />
das Profirennen sieben Minuten länger gedauert<br />
hätte, keine Bilder aus der Luft gegeben, weil der<br />
Hubschrauber alle 45 Minute auftanken musste<br />
und ihm gerade der Sprit auszugehen drohte –<br />
eine passende Metapher für eine Weltmeisterschaft,<br />
die mitunter auf gut Glück zu laufen<br />
schien. Zwei Geschichten illustrieren das Aufeinanderprallen<br />
der Kulturen: Ein italienischer Fan<br />
wurde von der Polizei festgenommen, weil er die<br />
Straße vor dem Rennen angemalt hatte; er hatte<br />
versucht, zwei Amerikanern zu unterstützen,<br />
„LeMond“ zu schreiben, und kam nicht dazu, das<br />
letzte „d“ zu malen. Er wurde wegen Sachbeschädigung<br />
zwei Tage und Nächte eingesperrt und<br />
musste 99 Pfund Strafe zahlen. Die andere Geschichte<br />
handelt von einem Vereinsfahrer, der mit<br />
dem Rad aus dem Norden gekommen war. Man<br />
sagte ihm, er müsse drei Pfund Eintritt für die<br />
Rundstrecke bezahlen; da drehte er sich auf dem<br />
Absatz um und fuhr nach Hause.<br />
DAS WETTER SPIELTE NICHT MIT<br />
Amateurfunktionäre arbeiteten Tag und Nacht,<br />
um die Weltmeisterschaft 1982 auf die Beine<br />
zu stellen, was den Radsportjournalisten Martin<br />
Ayres dazu veranlasste, zu schreiben: „Es gab<br />
einflussreiche Leute im britischen Verband, die<br />
glaubten, dass es sich einfach nicht lohnt, die<br />
Weltmeisterschaften auszurichten, so hoch war<br />
der menschliche Preis.“ Damals war der Sport noch<br />
relativ klein und große internationale Radrennen<br />
waren eine Seltenheit in Großbritannien. Das sehr<br />
erfolgreiche Milk Race war die Ausnahme, aber<br />
der Verband war unwillig oder unfähig, sich diese<br />
offenkundige Expertise zunutze zu machen.<br />
Als die Titelkämpfe losgegangen waren, war die<br />
erste Sorge das Wetter. Es hatte in den 1970ern<br />
vergebliche Versuche gegeben, ein dauerhaft überdachtes<br />
Velodrom in Großbritannien zu bauen –<br />
in Leeds und Birmingham waren die Pläne am<br />
weitesten fortgeschritten –, und die Organisatoren<br />
mussten die offene Bahn in Leicester nutzen und<br />
teuer dafür bezahlen: Zwei Renntage gingen<br />
durch den Augustregen verloren, 850 Pfund Eintrittsgelder<br />
wurden erstattet und 500 Pfund für<br />
Plastikplanen ausgegeben, damit die Bahn sich<br />
nicht vollsaugte.<br />
Natürlich kam in dem Moment, als die Planen<br />
verlegt waren, die Sonne raus. Das Gute war, dass<br />
es keinen Druck durch Liveübertragungen gab,<br />
da die Berichterstattung auf die Highlights beschränkt<br />
war, welche die BBC spät abends zeigte;<br />
nur die Straßenrennen am Wochenende liefen live<br />
in Grandstand. Schließlich reichten die insgesamt<br />
25.000 Zuschauer in Leicester an den sechs Tagen,<br />
darunter 6.000 am Sonntag, um die Organisatoren<br />
zufriedenzustellen.<br />
Das Highlight in Leicester sollte der „Verfolgungskampf<br />
des Jahrhunderts“ sein – der frühere<br />
britische Meister Sean Yates gegen den Weltmeister<br />
von 1980, Tony Doyle, den Franzosen Alain<br />
Bondue und den Dänen Hans-Henrik Ørsted. Die<br />
Enttäuschung war groß, als sich Bondue vor Ørsted<br />
durchsetzte, während der Italiener Maurizio Bidinost<br />
Doyle die Bronzemedaille wegschnappte.<br />
Der Japaner Koichi Nakano gewann seinen<br />
sechsten Profititel im Sprint, während der Kanadier<br />
Gordon Singleton auf der letzten Runde einen<br />
spektakulären Crash hinlegte; die Ostdeutschen<br />
dominierten das Amateurgeschehen, und die<br />
Russen gewannen die Mannschaftsverfolgung<br />
Mandy Jones gewann als<br />
einzige Britin eine Goldmedaille.<br />
Tony Doyle verpasste in der Verfolgung<br />
knapp eine Bronzemedaille.<br />
98 PROCYCLING | MAI 2019