30.09.2019 Aufrufe

Zeitsprung

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

70 Jahre Pforzheimer Zeitung + 225 Jahre Zeitung in Pforzheim<br />

57<br />

e!?<br />

dakteur<br />

gestellte Szene: Chefredakteur Magnus Schlecht nimmt einen<br />

sse-Vorwurf eines anonymen Lesers von einem PZ-Auto.<br />

ation erlebte eine Kollegin. Nach einem Außentermin<br />

zlich dieses Schreiben am Fahrzeug.<br />

die Nationalität oder Herkunft eines Täters beund<br />

für die Tat relevant ist, nennt die Zeitung<br />

nd Reiter. Richtig ist aber auch, dass der Pressedes<br />

Deutschen Presserats, ein freiwilliges Kontan,<br />

den Medien hier eine gewisse Zurückhaltung<br />

hlt, um Menschen nicht aufgrund ihrer Nationaerkunft<br />

oder Religion pauschal zu diskriminiegibt<br />

Medien, die sich daran halten – aus Sicht<br />

zu sehr daran halten.<br />

edakteure sind nicht<br />

objektiv und verfolgen<br />

ihre eigene Agenda.<br />

t: Eine objektive Zeitung gibt es nicht. Redakteu-<br />

Menschen, die – geprägt durch ihre Erziehung,<br />

zialisation, ihre Ausbildung, ihre Privatsphäre –<br />

subjektiv an Themen herangehen und damit eijektive<br />

Auswahl von Nachrichten treffen. Die PZ<br />

allein von der dpa täglich mehr als 1000 Meldund<br />

Hunderte Fotos. Nur ein Bruchteil davon laner<br />

Zeitung oder auf der Internetseite. Auch in<br />

Pforzheim und der Region passiert viel mehr, als wir in<br />

unseren Kanälen darstellen können. Dass wir demzufolge<br />

lediglich einen Ausschnitt der ganzen Wirklichkeit<br />

abbilden können, müsste jedem klar sein. Die Medien<br />

befinden sich hier in einem Dilemma. Umso wichtiger<br />

ist aber, dass sie wahrhaftig agieren, indem sie sich der<br />

Wahrheit verpflichtet fühlen. Redakteure arbeiten nach<br />

Kriterien, die relativ objektiv sind und die persönliche<br />

Agenda in den Hintergrund drängen. Zum einen gilt es,<br />

handwerklich sauber zu arbeiten. Der Journalismus unterliegt<br />

Regeln, die vor allem der Sorgfaltspflicht dienen.<br />

Zum anderen weiß die PZ sehr genau, welche Themen<br />

die Leser der Zeitung und die User im Internet mehrheitlich<br />

favorisieren. Diverse Leserstudien und Statistiken<br />

im Internet zeigen eindeutig, was die Menschen interessiert.<br />

Danach richtet sich unsere Themenauswahl. Dass<br />

es trotzdem Leser gibt, die die Schwerpunkte anders setzen<br />

würden, liegt auf der Hand. Wir können<br />

es nicht jedem der rund 100 000 Leser<br />

recht machen, die täglich unsere<br />

Zeitung lesen. Hinzu kommen noch<br />

die vielen User im Internet und auf<br />

unseren Social-Media-Kanälen.<br />

Der Lügenpresse<br />

kann man sowieso<br />

nichts mehr glauben.<br />

Dazu passt die Einschätzung eines Medienwissenschaftlers,<br />

dass Medien und deren Rezipienten in einer<br />

„Beziehungskrise“ stecken. Zu viel Vertrauen sei in der<br />

Vergangenheit verloren gegangen. Auch die Affäre um<br />

den früheren Spiegel-Reporter Claas Relotius, der Passagen<br />

seiner Artikel frei erfunden hatte, hat sicherlich<br />

dazu beigetragen. Dazu nur so viel: Relotius ist ein<br />

Hochstapler mit offenbar krimineller Energie. Solche<br />

Menschen gibt es in jeder Branche. Geschadet hat es<br />

den Medien dennoch. Trotzdem bleibt: 80 Prozent der<br />

Deutschen stufen die Lokal- und Regionalzeitungen als<br />

seriös ein – so seriös wie kein anderes Medium. Glaubwürdigkeit<br />

ist und bleibt das wichtigste Kapital der Medien.<br />

Letztlich können sie die Lügenpresse-Krakeler<br />

nur mit gutem und sauberem Qualitätsjournalismus<br />

wieder für sich gewinnen – wenn überhaupt.<br />

J<br />

ournalisten sitzen im Elfenbeinturm<br />

und haben keine<br />

Ahnung, was die Menschen<br />

wirklich interessiert.<br />

Zugegeben: Dieser Vorwurf ist bei manchen Journalisten<br />

nicht von der Hand zu weisen. Manchmal sind sie zu nah<br />

an der Politik dran oder zu nah an den Sportlern oder zu<br />

nah an Wirtschaftsgrößen und damit auch zu weit weg<br />

von den Lesern. Für die meisten kann man aber eine<br />

Lanze brechen oder die Hand ins Feuer legen – je nachdem,<br />

welches Sprichwort Sie besser finden. Die Redakteure<br />

der „Pforzheimer Zeitung“ – und das trifft sicherlich<br />

auf viele Kollegen anderer Lokal- und Regionalzeitungen<br />

zu – sind fest verankert im Leben und ganz nah<br />

bei den Menschen, weil sie im Privatleben oft die gleichen<br />

Sorgen und Nöte und Träume umtreiben, wie die<br />

Leser und User auch. Wichtig ist immer: selbst wenn es<br />

zu einer persönlichen Nähe zwischen Journalist und<br />

Protagonist kommt, die Distanz wahren zu können. Oder<br />

anders gesagt: Dienst ist Dienst und Schnaps ist<br />

Schnaps. Noch so ein Sprichwort . . .<br />

Die Wahrheit liest<br />

man nur noch<br />

im Internet.<br />

Diese These ist sehr beliebt. Auch bei Verschwörungstheorien<br />

wird gerne auf die angebliche Wahrheit im Internet<br />

verwiesen. Die Frage ist zunächst: Warum sollen<br />

Inhalte auf irgendwelchen obskuren Seiten von oft<br />

selbst ernannten Experten per se einen höheren Wahrheitsgehalt<br />

haben, als das, was in der Zeitung und auf<br />

deren Nachrichtenportal steht? Im Internet kann jeder<br />

alles behaupten. Da wird nicht geprüft, verifiziert oder<br />

professionell hinterfragt. Für die, wenn man so will,<br />

professionellen Medien besteht darin aber auch eine<br />

große Chance, weil sie der ganzen Kakophonie im Internet<br />

ihre vertrauenswürdigen Inhalte entgegenstellen<br />

können. Die PZ hat schon mehrmals Behauptungen<br />

und Gerüchte, die im Internet kursierten, durch Faktenchecks<br />

entkräften können.<br />

Die Medien unterdrücken<br />

Meinungen, die ihnen<br />

nicht passen.<br />

Falsch. Aber die Medien müssen auch nicht jede Meinung<br />

transportieren. Eine einseitige Berichterstattung soll<br />

jedenfalls vermieden werden. In der Regel gilt das Prinzip,<br />

zu einem Thema immer zwei Seiten zu hören. Dass es<br />

auch mal Artikel geben kann, in denen<br />

in eine Richtung spekuliert wird oder<br />

nur eine Seite zur Sprache kommt,<br />

kann vorkommen, wenn man als<br />

Journalist einen Impuls oder ein Thema<br />

setzen will. Ausgenommen sind<br />

auch Meinungsbeiträge. Meist ist es<br />

ohnehin so, dass wir als PZ von allen<br />

Seiten kritisiert werden. Mal sind wir zu<br />

links, mal zu konservativ. Soll heißen: Die Wahrheit liegt<br />

irgendwo dazwischen und zeugt von einer Überparteilichkeit,<br />

die wir für uns postulieren.<br />

Die Zeitung zensiert<br />

Leserbriefe, die ihr<br />

nicht passen.<br />

Die Leserbriefe gehören zu den meistgelesenen Inhalten<br />

in der Zeitung und sind enorm wichtig für die Beziehung<br />

zwischen Zeitung und Leser. Nein, wir wollen<br />

an der Stelle nicht das Grundgesetz bemühen, in dem<br />

in Artikel 5 die Zensurfreiheit in Deutschland festgeschrieben<br />

ist. Aber folgende Frage wollen wir stellen:<br />

Was ist eigentlich Zensur? Zensur bedeutet, kurz gesprochen,<br />

die staatliche Kontrolle über Informationen.<br />

Also müsste mit dem Vorwurf, die Zeitung zensiere Leserbriefe,<br />

streng genommen gemeint sein, dass eine<br />

staatliche Behörde die Leserbriefe der PZ kontrollieren<br />

würde. Das ist natürlich Unsinn. Und das glauben<br />

wahrscheinlich nicht mal diejenigen, die den Vorwurf<br />

erheben. Sie meinen deshalb eher, die für die Leserbriefe<br />

verantwortlichen Redakteure (bei der PZ ist das die<br />

Chefredaktion) halten bewusst Leserbriefe zurück, weil<br />

dort eine Meinung vertreten wird, die der Zeitung oder<br />

sonst wem nicht passt. Nein, so etwas passiert nicht.<br />

Trotzdem kommt es vor, dass Leserbriefe nicht erscheinen.<br />

Dafür gibt es mehrere Gründe:<br />

1) Die PZ, die mehr Leserbriefe abdruckt als viele andere<br />

Zeitungen, kann aus Platzgründen nicht immer alle<br />

veröffentlichen.<br />

2) Ein Leserbrief muss sich auf Berichterstattung in der<br />

Zeitung oder auf PZ-news beziehen. Tut er das nicht,<br />

findet er auch nicht statt.<br />

3) Er muss presserechtlich einwandfrei sein. Wer in einem<br />

Leserbrief andere beleidigt und ausfällig wird,<br />

muss sich nicht wundern, wenn die PZ eine Veröffentlichung<br />

ablehnt.<br />

4) Ein Thema ist irgendwann auch durch. Wenn sich<br />

nichts Neues entwickelt, dann beendet die PZ irgendwann<br />

auch eine Debatte unter Leserbriefschreibern.<br />

Und für ein Hin und Her einzelner Autoren steht das<br />

Leserforum erst recht nicht zur Verfügung.<br />

5) Anonyme Briefe werden nicht veröffentlicht.<br />

Mit Zensur hat das alles nichts zu tun. Übrigens ist<br />

auch das keine Zensur, wenn wir Briefe nicht in voller<br />

Länge abdrucken können. Solange die Meinung und<br />

der Tenor des Leserbriefs nicht verändert werden, ist<br />

das möglich. Fest steht jedenfalls: Die Meinung der Leser<br />

hat für uns Medienmacher einen hohen Stellenwert!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!