Zeitsprung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
90<br />
Sonderbeilage „<strong>Zeitsprung</strong>“, Dienstag 1. Oktober 2019<br />
6 | Die Zeit nutzen<br />
Was sich noch zu lesen lohnt<br />
Zeitunglesen ist etwas, das für viele Menschen aus dem Alltag nicht wegzudenken ist. Es informiert, unterhält, kann ein<br />
Gefühl von Heimat vermitteln. Die Zeitung ist Krimi, Fachbuch, Reiseführer, Ratgeber und politische Literatur zugleich.<br />
Aber als Freunde gekonnter Zeilen haben die PZ-Redakteure<br />
natürlich auch andere Schmöker ins Herz geschlossen.<br />
Ihre Favoriten zeitloser Literatur:<br />
ROBERT WALSER<br />
PATRICK SÜSKIND<br />
„Der Gehülfe“<br />
Das aktuelle Geschehen hat<br />
mich immer mehr interessiert,<br />
als Bücher. Im Germanistik-Studium<br />
führte aber<br />
natürlich kein Weg an der<br />
Literatur vorbei. So habe ich<br />
vor 20 Jahren den Roman<br />
„Der Gehülfe“ und dessen<br />
Autor Robert Walser (1878<br />
bis 1956) für mich entdeckt.<br />
In dem Buch passiert nichts<br />
Großartiges, das Besondere<br />
ist, wie das sprachlich vermittelt<br />
und zugleich verhüllt<br />
wird. Mit einer feinen, verblüffenden<br />
und sein Werk<br />
kennzeichnenden Ironie<br />
schildert Walser aus der<br />
PZ-Redakteur Ralf Kohler<br />
Sicht des „Gehülfen“, sprich<br />
des Handlangers, wie ein<br />
Techniker und Familienvater<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
im Schweizer Idyll vom<br />
Durchbruch träumt, jedoch<br />
dem Bankrott entgegensteuert.<br />
Der Herr, der sich als Erfinder<br />
sieht, aber wenig bewegt,<br />
und noch deutlicher<br />
sein Angestellter Joseph, entwickeln<br />
eine ironische Lebenshaltung.<br />
Joseph ermahnt<br />
sich zur Disziplin,<br />
findet jedoch stets Gründe,<br />
die Dinge schleifen zu lassen<br />
– und er erkennt, dass es auf<br />
sein Tun nicht entscheidend<br />
ankommt. Grundlage des<br />
Romans ist eine Episode im<br />
Leben des jungen Walser.<br />
Der Schriftsteller war 1903<br />
Hausangestellter in einem<br />
Ort, der Wädenswil heißt,<br />
den er aber Bärenswil tauft.<br />
Das nahe Zürich gelegene<br />
Wädenswil geriet im Juli übrigens<br />
in den Schlagzeilen –<br />
leider in Verbindung mit einem<br />
schaurigen Verbrechen.<br />
„Das Parfum –<br />
Die Geschichte<br />
eines Mörders“<br />
Würden Bücher riechen, es<br />
würde uns grauen, die fürchterlichsten<br />
Romane zu verschlingen.<br />
Wenn Leichen<br />
modern, hört der Spaß beim<br />
Lesen auf – oder er beginnt<br />
erst. Denn der Roman „Das<br />
Parfum – Die Geschichte<br />
eines Mörders“ von Patrick<br />
Süskind hat alles, was unser<br />
olfaktorisches Organ aufnehmen<br />
kann: Gestank und<br />
Lieblichkeit zugleich. Ich<br />
verschlang regelrecht das<br />
Abenteuer von Jean-Baptiste<br />
PZ-Redakteurin Katharina Lindt<br />
Grenouille, der sich aus der<br />
Gosse von Paris empor<br />
schnüffelt, um den mächtigsten<br />
Duft der Welt zu kreieren.<br />
Das Parfum ist das<br />
meistgelesene Buch seit der<br />
Nachkriegszeit – zu Recht.<br />
Denn es bringt alles, was<br />
mein Belletristik-Herz<br />
begehrt: Historie, Drama,<br />
Liebe und Poesie.<br />
JOANNE K. ROWLING<br />
„Harry Potter“<br />
Hutter Fensterbau Telefon 07232-8090722<br />
Höhenstraße 7 info@hutterfensterbau.de<br />
75239 Eisingen www.hutter-fensterbau.de<br />
Nächtelang lesen, für den<br />
neuesten Band vor Bücherläden<br />
campieren und insgeheim<br />
auf einen Brief aus der<br />
Zaubererschule Hogwarts<br />
warten – ja, wie Millionen<br />
andere auch, habe ich das<br />
alles hinter mir. Ich gehöre<br />
zur ersten Generation, die<br />
mit J.K. Rowlings Geschichte<br />
um den Auserwählen Harry<br />
Potter aufgewachsen ist. Den<br />
ersten Teil las ich mit acht<br />
Jahren, den letzten mit 15 –<br />
auf Englisch, weil ich bis zur<br />
deutschen Ausgabe nicht<br />
warten wollte und konnte.<br />
Die Abenteuer waren so<br />
spannend, die Charaktere so<br />
überzeugend, dass man das<br />
Gefühl hatte, sie zu kennen.<br />
Klar, dass ich wissen wollte,<br />
wie es weitergeht. Nachdem<br />
ich den siebten und letzten<br />
Band – „Harry Potter und<br />
die Heiligtümer des Todes“ –<br />
ausgelesen hatte, flossen die<br />
Tränen. Nie mehr hat mich<br />
ein Buch so gefesselt, Harry,<br />
Ron und Hermines Kampf<br />
PZ-Redakteurin Jeanne Lutz<br />
gegen Lord Voldemort,<br />
das personifizierte Böse,<br />
begleitete mich durch meine<br />
Teenager-Jahre. Sie erklärten<br />
mir Freundschaft und<br />
die Macht der Liebe, lehrten<br />
mich Toleranz und warum<br />
es sich lohnt, für das, woran<br />
man glaubt, zu kämpfen. Inzwischen<br />
bin ich 27 und habe<br />
das Warten auf den Brief aus<br />
Hogwarts aufgegeben. Nicht<br />
aber das Abtauchen in diese<br />
magische Welt. Wie oft ich<br />
die Bücher schon gelesen<br />
habe, weiß ich nicht. Aber<br />
es werden noch viele Male<br />
dazukommen.