SOCIETY 378
Die neue SOCIETY-Ausgabe mit den Fokusländern United Kingdom und China, Interviews mit Botschaftern von u.a. Frankreich, Kroatien, Mexiko. Porträts von Prinz Charles, Chris Lohner und Hugo Portisch.
Die neue SOCIETY-Ausgabe mit den Fokusländern United Kingdom und China, Interviews mit Botschaftern von u.a. Frankreich, Kroatien, Mexiko.
Porträts von Prinz Charles, Chris Lohner und Hugo Portisch.
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SOCIETY
50 Jahre diplomatische
Beziehungen
Der Präsident der Austrian Chinese Business Association
(ACBA), Prof. Dr. Georg Zanger, analysiert für SOCIETY
die Beziehungen zwischen Österreich und China.
Die diplomatischen Kontakte zu China
gehen bis ins 19. Jh. zurück. Die ersten
Verträge wurden zwischen Österreich-Ungarn
und dem chinesischen
Kaiserreich geschlossen und Gesandtschaften
in China zwischen 1896 und
1917 errichtet. In der Zweiten Republik
erfolgte die Aufnahme diplomatischer
Beziehungen mit der VR China am 28.
Mai 1971. Inzwischen hat sich ein reger
Austausch in Wirtschaft, Kultur, Bildung,
Wissenschaft und Technik entwickelt.
China zählt heute zu den wichtigsten
Partnern Österreichs außerhalb von
Europa. China ist als Ständiges Mitglied
des Sicherheitsrates, als zweitgrößte
Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes
Land der Welt für Österreich
und Europa von eminenter Bedeutung.
Diesem Umstand wird dadurch
Rechnung getragen, dass Österreich in
China über vier Generalkonsulate verfügt
(Shanghai, Hongkong, Guangzhou,
Chengdu). Die wechselseitige Marktöffnung
ist ein regelmäßiges Thema
zwischen der EU und der VR China.
Durch die, im Oktober in Kraft getretene
EU-Investitionsverordnung wurde
die Beteiligung an und der Erwerb von
Europäischen Unternehmen durch chinesische
Investoren erschwert. China
hat dagegen zuletzt einer EU-Forderung
nachgegeben und die Zugangsbedingungen
zum chinesischen Markt
verbessert. Solange die Diskussionen
ohne Einmischung von außen geführt
werden, sind sie sachlich und produktiv.
Der „große Widerspruch“ aus Sicht
von China ist heute aber der von den
USA provozierte Wirtschaftskrieg. Die
Anbindung Europas an die US-Politik
und gleichgeschaltene Sanktionen sind
für uns nachteilig. Li Xiaosi, Botschafter
der VRC in Wien hat deshalb ausgeführt:
„Mich würde sehr freuen, wenn
Österreich in punkto Zusammenarbeit
mit China die EU führt und ihr nicht
bloß folgt“. Tatsächlich könnte Österreich
eine Vorbildfunktion einnehmen.
Magenta-CEO Andreas Bierwirth hat es
auf den Punkt gebracht: „Die österreichische
Politik hat eine Politik gewählt,
die China gegenüber neutral ist. Österreich
folgt nicht dem Weg der Amerikaner,
Briten und Belgier“. Wir müssen ein
Umfeld schaffen, in dem es Zusammenarbeit
und Gegenseitigkeit gibt. Wir
brauchen vereinbarte Regeln, gegenseitiges
Vertrauen, wir brauchen Unterstützung
für ein auf Regeln basierendes
internationales Handelssystem. Österreich
kann erfolgreich mit chinesischen
Unternehmen zusammenarbeiten. Das
meinen auch jene 650 österreichische
Unternehmen, die eine Niederlassung
in Festlandchina führen. Sie denken
laut einer Umfrage zum Geschäftsklima
auch nach Covid-19 nicht an einen
Rückzug aus China. Die Beteiligung am
Infrastrukturprojekt „Belt and Road Initiative”
enthält bedeutende Potentiale
für die österreichische Wirtschaft in den
Bereichen Bau- und Ingenieurwesen,
der Transport- und Logistikbranche sowie
angeschlossene Dienstleistungen,
dem Maschinen- und Anlagenbau, dem
Energiesektor und der Umwelttechnik.
Heinz Fischer hat den OBOR als „die
bedeutendste regionale Initiative für
die Wiederbelebung der Seidenstraße
als Bündel der terrestrischen und
maritimen Handels-, Investitions- und
Kommunikationswege zwischen Asien,
Europa unter Einbindung von Afrika“,
bezeichnet. Der ÖBB-Chef Matthä
ist der Ansicht, „dass die Anbindung
Österreichs an die Seidenstraße für die
Politik Top-Priorität bekommen muss“.
Das meint auch Walter Ruck, WK-Wien
Präsident: „Wir können es uns nicht
leisten, diese Jahrhundertchance verstreichen
zu lassen.“ Umgekehrt ist Österreich
ein interessanter Wirtschaftspartner
für chinesische Unternehmen.
Österreich ist für seine Natur und damit
für seinen Tourismus bekannt und hat
einen Vorsprung in der Wellness- und
Wohlfühlbranche in Europa.
Im Bereich von Anlagenbau und
Industrieautomatisierung besitzen
österreichische Firmen beträchtliches
Know-How, das im Rahmen von
Chinas Modernisierungsoffensive im
High-Tech-Sektor zum Einsatz kommen
kann. Auch im Automotive-Bereich
ist die Expertise der österreichischen
Zulieferindustrie sehr gefragt. Speziell
in Bereichen wie Wasserkraft, Recycling
oder Wasseraufbereitung, in denen
österreichische Unternehmen über
eine beispielhafte Expertise verfügen,
ergeben sich Chancen. Die VR China
ist das erste Land, das die Coronakrise
überwunden zu haben scheint. Langsam
kehrt wieder Normalität in die
chinesische Wirtschaft ein. Wir sollten
die Chance nutzen, von China in dieser
Hinsicht zu lernen und gemeinsam zu
unseren Gunsten in die nächsten 50
Jahre Zusammenarbeit vorwärts gehen.
CHINA
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