SOCIETY 378
Die neue SOCIETY-Ausgabe mit den Fokusländern United Kingdom und China, Interviews mit Botschaftern von u.a. Frankreich, Kroatien, Mexiko. Porträts von Prinz Charles, Chris Lohner und Hugo Portisch.
Die neue SOCIETY-Ausgabe mit den Fokusländern United Kingdom und China, Interviews mit Botschaftern von u.a. Frankreich, Kroatien, Mexiko.
Porträts von Prinz Charles, Chris Lohner und Hugo Portisch.
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SOCIETY
Die Corona-Krise stellt uns ja einen Spiegel ins Fenster, an dem wir
uns und unsere Gesellschaft erkennen können.
lernt nie aus und ist immer wieder am
Fragen und Erkennen.
Wo lag der Schwerpunkt Ihrer Forschung
vor der Covid19-Pandemie?
Matthias: Wir beschäftigen uns seit
vielen Jahren mit den „Big Shifts“,
den kulturellen, sozialen, politischen,
mentalen „Groß-Veränderungen“.
Dabei geht es vor allem um die Megatrends,
von der Globalisierung über
die Individualisierung und Urbanisierung
über die Veränderung der
Arbeitswelt bis zur Digitalisierung
und ihren Folgen.
Matthias: In Ihrem Buch „Die Zukunft
nach Corona“ sprechen Sie über die
Auswirkungen der Covid19-Pandemie
auf unsere Gesellschaft und „regnostizieren“
einen Kulturwandel.
Was ist eine „Re-Gnose“? Wie wird
sich unser Leben durch die Pandemie
verändern?
Matthias: Die Corona-Krise stellt uns
ja einen Spiegel ins Fenster, an dem
wir uns und unsere Gesellschaft erkennen
können. Alles wird sichtbar
- die Einsamkeit, die Solidarität, die
Exzesse, aus denen unsere Wirtschaftsweise
ja zum Teil besteht. Eine
Re-Gnose ist nun der Versuch, aus
dieser Position in die Zukunft zu springen
und sich vorzustellen, was sich
bis dorthin alles geändert haben wird.
Wird es wieder pumpvolle Flugzeuge
mit 30-Euro-Tickets nach Mallorca
geben? Erstaunlicherweise ergibt sich
in dieser Rückschau eine ganz andere
Perspektive auf Veränderungsprozesse.
Wenn wir hingegen von heute aus
in die Zukunft „prognostizieren“, dann
spielen oft Ängste eine blockierende
Rolle. Wir sehen dann die Zukunft vor
lauter Problemen nicht.
Tristan: Sie bezeichnen sich selber
als Digital Native und sind Co-Autor
des Buches „Generation Global“.
Was unterscheidet Ihre Generation
von der Vorherigen? Welche Impulse
gibt sie und wie bestimmt sie Entwicklungen
mit?
Tristan: Die jüngeren Generationen
wurden immer über ihre “Digitalität”
definiert. Oft wurde es auch mit
digitaler Verseuchung gleichgesetzt,
bekanntlich verdummt ja immer die
Jugend wegen neuen Technologien.
Aber das eigentliche definierende
Phänomen ist eine vollkommene
Globalität dieser Generationen. Ein
grundlegender Wertewandel wird
vollzogen, bei dem ein kosmopolitisches
„Mindset“ selbstbewusst nach
außen getragen wird. Für Rassismus
und Spaltung gibt es hier keinen Platz
mehr, das konnte man auch anhand
der jüngsten Rebellionen erspüren.
Die Fridays for Future oder Black Lives
Matter Bewegungen waren alle auf
dem ganzen Globus zu sehen, getrieben
von der „Generation Global“. Natürlich
spielte digitale Vernetzung bei
der Zusammenführung dieser Bewegung
eine wichtige Rolle, sie ist aber
nicht das treibende Element. Dahinter
stehen viel tiefere Werte: Openness,
Connectedness und Wholeness.
Ein Kapitel Ihres Buches heißt „Re-
Gnose 2070“. Wie stellen Sie beide
sich unsere Zukunft in 50 Jahren
vor? Wie werden wir dann leben?
Matthias: Verblüffenderweise vielleicht
gar nicht so viel anders als heute.
Wir sind ja gerade mitten in einem
Übergang von einer Industriegesellschaft
in eine neue, noch namenlose
Phase des „Postindustriellen“ oder
„Postfossilen“. Wir erkennen: Unser
hektischer Lebensstil mit seinen
ewigen Steigerungen, Beschleunigungen,
Bewertungen und Erregungen
führt nicht zu echtem Wohlstand,
sondern eher zu Hysterien und Stress.
Und auch die immer wieder angekündigten
Roboter werden uns nicht
retten. Die Zukunft wird in vielerlei
Hinsicht retro sein, und viel weniger
spektakulär utopisch als viele glauben.
Aber auch weniger schrecklich,
als viele befürchten.
GESELLSCHAFT
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