WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
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WIKO
erweisen, weil im Mittelstand mehr
Reserven stecken als in renditegetriebenen
Aktienunternehmen. Weil
der Mittelstand stärker in einer Region
verwurzelt und deswegen auch bereit
dazu ist, Krisen durchzustehen.
Außerdem zeigen sich längst Anzeichen
der Erholung. Anders als im ersten
Lockdown sind die internationalen
Lieferketten, in die auch der lokale Mittelstand
ganz selbstverständlich integriert
ist, wieder angelaufen, erklärt
Karin Bucher, die Leiterin der IHK-
Geschäftsstelle Westmittelfranken.
„International ist die Nachfrage gut.
Da gibt es keine Probleme. Deswegen
geht es auch den Betrieben ganz gut“,
weiß sie.
Das ist auch eine Folge der Politik, die
Bildung, Privatleben und Handel massiv
einschränkte, aber die industrielle
Produktion weiterlaufen ließ. Aus rein
wirtschaftlicher Sicht war das sinnvoll,
denn die Industriebetriebe sind es
auch in Weißenburg-Gunzenhausen,
die der Mehrheit der Menschen einen
Arbeitsplatz und damit das Geld bescheren,
das sie in naher Zukunft möglichst
lokal ausgeben müssen.
Aber die Krise wird in den Zentren einschlagen.
Will heißen, vor allem Einzelhandel,
Gastronomie und Kleinstunternehmen
sind die Sorgenkinder. Damit
trifft es Branchen, die bereits unter
Druck waren, in denen nur wenige dicke
Fettschichten für schlechte Zeiten
angesetzt haben. „Für uns konnte es
eigentlich nicht schlimmer kommen“,
fasst Claudiu-Cosmin Demeter, der
Wirt des Cancún in Weißenburg, knapp
zusammen.
Das Wohl und Wehe dieser Wirtschaften,
Buchhandlungen, Boutiquen, Cafés
oder Kosmetikstudios wird nicht
über die Zukunft der altmühlfränkischen
Wirtschaft entscheiden. Sie
sind nicht so systemrelevant wie die
Fabriken mit ihren Tausenden Arbeitsplätzen,
aber sie sind für das Selbstverständnis,
die Identität und die Attraktivität
der Region entscheidend.
Und deshalb steht im Zuge dieser Krise
eben doch sehr vieles auf dem Spiel.
Nicht zuletzt die Frage, wie wir in Zukunft
in Altmühlfranken leben wollen.
Denn es geht in den kommenden Jahren
sozusagen um das Frontoffice der
altmühlfränkischen Wirtschaft. Während
es der industriellen Werkbank ordentlich
geht, herrscht an Tresen und
Verkaufstisch Depression. „Es sind
eher die, die vorher schon zu kämpfen
hatten, denen ihre Läden nicht gehören,
die auch jetzt Pacht zahlen müssen,
weil es vielleicht auch dem Vermieter
nicht gut geht“, glaubt Sabine
Unterlandstättner, die Chefin der Wirtschaftsförderung
am Landratsamt.
„Als gesundes Unternehmen hältst du
das ein Jahr aus“, sagt auch der Chef
der Felsenbräu-Brauerei, Walter Gloßner,
und schiebt gleich nach: „Ein zweites
aber definitiv nicht.“
Nur ging es in Einzelhandel und Gastronomie
eben etlichen schon vor der
Krise nicht glänzend. Die übermächtige
internationale Online-Konkurrenz,
die überallhin liefert, aber nirgends
Steuern zahlt, nagt seit Beginn des
Jahrtausends an den Umsätzen des
Einzelhandels. Die Flucht nach vorne
– ins „lokale Internet“ - sind viele Einzelhändler
der Region aber nicht gegangen
(siehe Seite 55-57).
Andreas Haderlein, Projektmanager
des Online-Kaufhauses „In Altmühlfranken“
und deutschlandweit renommierter
Experte für den Einzelhandel,
hat einige steile Thesen aufgestellt.
„Allein der Handel wird es in den Innenstädten
auf Dauer nicht mehr richten
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