WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
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WIKO
wöchentlich an 20.000 Apotheken in
Deutschland gegangen. Die Resonanz
war großartig. Am Anfang war es noch
ein bisschen komisch für mich, ohne
Publikum in die Kamera zu sprechen.
Aber inzwischen ist das Normalität,
ich habe im vergangenen Jahr um die
180 Videos gedreht. Ich halte auch Online-Vorträge.
Und ich liebe es, bei den
Online-Vorträgen mir immer wieder
ein neues Setting auszudenken. Klar,
die neutrale, weiße Wand mit Firmenlogo
geht immer. Deshalb gibt es eine
Videokolumne „Gruß aus der Küche“,
bei der ich beim Gemüse-Schnippeln
aus meiner Küche zum Publikum spreche.
Die Küche war bei Partys schon
immer ein toller Ort für gute Gespräche.
Das bricht das Eis und löst diese
klassische Online-Vortrags-Situation
auf. Und man hat danach jede Menge
klein geschnittenes Gemüse …
Wie haben Sie denn die Stimmung
bei den Menschen erlebt? Die Corona-Zeiten
sind ja auch Monate der
hitzigen Diskussion.
2020 war auch mein Jahr der Desillusionierung.
Da haben sich Vorhänge
gelüftet. Ich fand es schlimm, welch
abstruse Überlegungen da angestellt
wurden. Auch von Menschen, die ich
bisher für lebenserfahren und klug
hielt. Ich bin erschrocken, was da alles
kam. Wie viel Menschen aus der Friede-Freude-Eierkuchen-Abteilung
an
so einen Mist glauben. Leute, die wirklich
meinen, dass Bill Gates versucht,
die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Woran liegt dieses strukturelle Misstrauen
der Menschen?
Wenn Menschen sich bedroht fühlen,
handeln sie nicht rational. Dann suchen
viele nach Sicherheit. Und einfache
„Wahrheiten“ geben Sicherheit.
Schon in der Bibel wird erzählt, dass
es Menschen gab, die um ein goldenes
Vieh getanzt sind. Obwohl sie ja schon
einen ganz vernünftigen Gott hatten.
Und nach wie vor ist es einfacher, sich
einen Schuldigen zu suchen, als sich
um Lösungen zu kümmern.
Warum trauen die Menschen der
Wissenschaft nicht mehr?
Es gab viele, die bei bestimmen Entscheidungen
gesagt haben: Da habe
ich ein komisches Gefühl. Aber was
heißt denn das, ein Gefühl? Ich erkläre
das mit dem Unterschied zwischen
langsamem und schnellem Denken.
Das schnelle Denken kennen wir auch
unter dem Begriff „Intuition“ oder
Bauchgefühl. Mit dem schnellen Denken
rufen wir blitzschnell unsere Erfahrungen
ab. Das langsame Denken ist
das, was die Wissenschaftler machen.
Das ist Pro und Kontra, Try and Error,
Thesen aufstellen, überprüfen, nächste
These … Im Alltag brauchen wir das
schnelle Denken, weil man nicht jede
Entscheidung über das Mittagessen
mit wissenschaftlichen Methoden
treffen kann oder will. Aber: Wenn es
um Leben und Tod und eine Pandemie
geht, kommen wir mit Gefühlen nicht
weiter. Außerdem fehlen uns die Erfahrungswerte
im Umgang mit Pandemien.
Dann brauchen wir das langsame
Denken, aber das fühlt sich halt nicht
so gut an. Menschen, die noch halbwegs
offen sind, denen kann man das
auch erklären.
Gute Kommunikation ist als Trainerin
für sie auch Kernkompetenz. Wie
lief es denn bislang in der Krise zwischen
Politik und Bürger?
Dieser Anspruch, wenn jemand gewählt
wird, deswegen ist er oder sie
viel gescheiter als wir, viel integrer als
wir, viel stressresistenter, das ist überzogen.
Die Politik spiegelt im Kleinen
wider, was wir im Großen auch haben.
Egal, wie top weltweit Politiker agiert
hätten, wenn wir in unseren Köpfchen
beschließen, dass uns bei solchen Entscheidungen
die Sicherheit fehlt, dann
holen wir uns woanders die Sicherheit.
Ob die nur Sicherheit verspricht oder
auch tatsächlich bietet, ist dann auch
schon egal. Hauptsache wir fühlen
uns wieder gut und unser schnelles
Denken ist zufrieden. Aber ich fand
das letztes Jahr wirklich müßig, dass
sich die Menschen darüber beschwert
haben, dass es ein Hin und Her in der
Politik gab. Das lag einfach daran, dass
man viel nicht gewusst hat und trotzdem
Entscheidungen treffen musste.
Und der Schaden für die Wirtschaft
…
Ach, diese ganzen Debatten, dass man
jetzt sofort alles öffnen muss, damit
die Wirtschaft nicht kaputtgeht … Es
ist doch genau andersrum: Die Wirtschaft
geht kaputt, wenn wir dieses
Virus nicht eindämmen. Das ist doch
der Punkt.
Margit Hertlein ist eine preisgekrönte
Rednerin und Trainerin.
Nach Ethnologie- und BWL-Studium
gründete die Weißenburgerin
frisch von der Uni einen Zubehörversandhandel
für VW-Busse und
übernahm später für ein Jahrzehnt
die Geschäftsführung in einem
Autohaus. Nach Jahren als Musikerin
wechselte sie 1997 in die
Trainer- und Fortbildungsbranche.
Heute arbeitet sie für internationale
Konzerne genauso wie für kleine
Mittelständler. 2013 wurde sie von
der German Speakers Association
(GSA) zur Vortragsrednerin des
Jahres gekürt und ist dort mittlerweile
auch Vorstandsmitglied.
Von ihrem Büro im Weißenburger
Ortsteil Hagenbuch aus hat sie die
Corona-Krise hautnah miterlebt.
Und sie hat ein paar Ratschläge:
für Unternehmer wie für alleinstehende
Mütter.
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