WIKO – Wirtschaftskompass Altmühlfranken Ausgabe 2021
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WIKO
Ein Beispiel: Das Landratsamt startete
bereits 2019 eine einjährige Testphase
mit zehn Beschäftigten zum mobilen
Arbeiten, um erste Erfahrungen zu
sammeln. „Ziel war es, technische, organisatorische
und rechtliche Fragestellen
zu klären“, erläutert die Behörde.
Wohl auch dank dieser Vorarbeit
konnte in der Corona-Krise die Zahl
der Arbeitsplätze im Homeoffice verzehnfacht
werden, etwa 100 MitarbeiterInnen
im Landratsamt – also mehr
als ein Fünftel – können derzeit mit
Laptops von zu Hause aus arbeiten.
Da ist allerdings noch Luft nach oben:
Es könnten noch mehr Sachbearbeiter
ins Homeoffice wechseln, wenn Anträge
nur noch digital gestellt, bearbeitet
und zugestellt werden könnten. Wenn
also auch die gesamte Aktenführung
digitalisiert wird.
„Am Homeoffice-Standort der Mitarbeiter
muss ein geeigneter Internetanschluss
zur Verfügung stehen,
was selbstverständlich Grundvoraussetzung
ist“, räumt Pressesprecherin
Claudia Wagner ein. Dass es im Landkreis
stellenweise noch Probleme mit
Breitbandversorgung gibt, hat auch
Amro-Chef Reutelhuber festgestellt.
Aber das seien Einzelfälle. Im Großen
und Ganzen habe man für die meisten
Unternehmen die Arbeitsplätze
zu Hause schnell realisieren können.
Eigentlich erschreckend, wie schnell
und umkompliziert die Umstellung auf
Homeoffice technisch dann doch einzurichten
war – also scheinen die Hürden
zuvor tatsächlich eher im „Wollen“
als im „Können“ gelegen zu haben.
War vor Corona das Arbeiten zu Hause
ein schwer zu erreichendes Ideal, so
zeigen sich nun, da man es vorläufig
erreicht hat, zwar die vielen Vorteile –
aber auch ein paar Probleme. Die guten
Nachrichten zuerst: Profitieren können
vom Homeoffice vor allem Pendler.
Wer im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen
wohnt und einen Arbeitsplatz
in Nürnberg hat, kann ein Klagelied
davon singen, wie viel Lebenszeit
im wahrsten Sinne des Wortes auf der
Strecke bleibt. Sei es im Stau auf der
A6 oder wartend an der Bahnsteigkante,
weil mal wieder ein Zug Verspätung
hat. Die vormaligen Pendler berichten,
dass sie nun im Homeoffice viel
entspannter an die Arbeit gehen und
glücklich über die gewonnene Lebenszeit
sogar freiwillig noch die eine oder
andere Überstunde dranhängen. Ganz
klar: ein Punkt fürs Arbeiten von zu
Hause.
In der Gesamtbetrachtung ist das
ein Vorteil nicht nur für den einzelnen
Arbeitnehmer, sondern für den
Wirtschaftsstandort Altmühlfranken.
Räumliche Distanzen zwischen Unternehmenssitz
und Mitrbeiterwohnsitz
werden aufgeweicht. Qualifizierte
Arbeitskräfte können einfacher im
ländlichen Raum bleiben oder dort
hinziehen, wenn die ständige Präsenz
im Büro in der Großstadt nicht mehr
notwendig ist. Und wer nicht im teuren
Speckgürtel von München oder
„der Audi“ wohnen muss, sondern mit
seiner Familie in Altmühlfranken lebt,
hat mehr Zeit und mehr Geld zur Verfügung,
um es auch in der Region auszugeben.
Und Steuern zahlt er hier auch
noch.
Andersherum eröffnen sich den Firmen
mit Sitz in Weißenburg-Gunzenhausen
ganz neue Märkte auf der Suche
nach Fachkräften. Ob das Personal
nun in Gunzenhausen, Pappenheim
oder Pleinfeld wohnt oder in Nürnberg,
München oder Augsburg, spielt mit
der Möglichkeit zum Homeoffice keine
Rolle mehr. Es hat allerdings erst Corona
kommen müssen, damit erste lokale
Firmen diese Möglichkeit tatsächlich
erkennen und nun verhalten anfangen,
sie auch zu nutzen.
Im Wandel ist auf individueller Ebene
auch die Struktur und Qualität des Arbeitens.
Vor allem jene Arbeitnehmer,
die vor der Corona-Krise im Großraumbüro
saßen, schätzen derzeit die Ruhe
zu Hause. „Ich kann viel konzentrierter
arbeiten“, ist ein Satz, den man häufig
hört. Der ständige Geräuschpegel aus
Telefonläuten, Gesprächen und Bewegungen
fällt weg – und das wird als
sehr wohltuend empfunden.
Ein zweischneidiges Schwert scheint
das Homeoffice für Eltern zu sein. Zwar
profitieren sie grundsätzlich von der
Flexibilität, was auch die Hans-Böckler-Stiftung
in einer Umfrage aus 2020
bestätigt: Von den rund 6.300 befragten
Erwerbstätigen gaben 77 Prozent
an, dass sie Beruf und Familie mit der
Arbeit von zu Hause aus besser vereinbaren
können. Aber gerade mit zusätzlichem
Homeschooling oder dem
coronabedingten Wegfall der Kinderbetreuung
durch die Großeltern steigt
bei einigen Eltern auch die Belastung.
Ein konzentriertes Arbeiten zu Hause
❱Fortsetzung nächste Seite❱
53